Literaturklassiker in der Schule

  • Braucht man sowas? Schiller, Goethe, Heine, Hesse, Shakespeare im Englischunterricht, Kant, Thomas Mann und ähnliche Konsorten? Mir wurde der Deutschunterricht schon dadurch verleidet, dass ich dann diese gelben Reclam-Hefte kaufen musste. Müssen sich das die Schüler heute noch reinziehen? Und wie da drauf rumgeritten wurde! Als sei es das Non-Plus-Ultra der gesamten Literatur.:augenrollen: Die meisten Themen sind doch unwichtig oder schmalzig bis langweilig oder schon mal gehört. Natürlich nur meiner Meinung nach.
    Schlimmer noch die Sprache. So redet doch heutzutage kein vernünftiger Mensch mehr. Warum muss man sich das gezwungenermassen antun? Siehe auch meine Signatur.
    Nichts von moderner Literatur, die einem angeboten wurde. Eben nichts von heute eher realitätsbezogenen Themen mit einer Sprache die meistens so ist, wie man normalerweise redet.
    Wo bleiben in der Schule also Schriftsteller wie Upton Sinclair, Ginsberg, Bukowski, Celine, Thomson, Salinger, John Fante etc?

    2 Mal editiert, zuletzt von charles bukowski ()

  • Interessanterweise habe ich in der Schule in den Siebzgern (!) nicht einen Klassiker gelesen! Hatte einen ganz coolen Alt-68er-Lehrer (mit Jesuslatschen), wir lasen:

    Lenz: Das Feuerschiff

    Dieter Wellershoff: Einladung an alle

    Salinger: Fänger im Roggen

    Plenzdorf: Die Leiden des jungen W.

    Habe die Bücher tatsächlich mit großem Interesse gelesen und könnte jedes der 4 empfehlen! Also hat der Unterricht tatsächlich was bewirkt...

    An mehr kann ich mich spontan und im Augenblick nicht erinnern.

    H.

    I know a farmer who looks after the farm.
    With water clear, he cares for all his harvest.
    I know a fireman who looks after the fire.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe in der Schule jede Menge Klassiker als Lektüre gelesen: Effi Briest, Pole Poppenspäler, den Schimmelreiter, das Gold Von Caxamalca, die Räuber, den Tell, die Judenbuche und etliches mehr.


    Ich habe diese Lektüren nicht gehasst. Geliebt natürlich auch nicht. Der Text war mir damals gleichgültig, uninteressant, öde. Warum? Weil die Lektüren Mittel zum Zweck waren: Zur Unterweisung in der literarischen Erzählmethode der Rahmenhandlung, zur Verdeutlichung des Genres Novelle, für das Reimschema des Sonetts und immer wieder: Vorverweise, Rückverweise, Andeutungen, Leitmotive, Kernmetaphern und ... und... und...
    Hatten wir uns glücklich durch den Text durchgefräst (oder, wenn ich ehrlich bin, häufiger durch Reclams grüne Kommentarhefte und/oder Königs Erläuterungen), kam als besonderer Höhepunkt die Klassenarbeit mit Erörterung, inwiefern der Umweg, den Effi Briests Kutsche vom Fest zurück nehmen muss, als Metapher für ihre Ehe gelten kann (in der 9. oder 10. Klasse, wo der größere Teil der Klasse sich noch an der ersten Liebe abarbeitete und Ehe überhaupt kein Thema war).


    Kurz: Der Stumpfsinn, mit dem diese Klassiker zum literaturtheoretischen Exerzierfeld von Deutsch-, Englisch- und sonstigen Lehrkörpern umgestaltet wurden, hat sehr effektiv verhindert, dass ich irgendeinen Ahnung von einer möglichen Schönheit dieser Texte bekomme.


    Im Laufe der letzten Jahre habe ich meine alten Reclamheft wieder hervorgeholt und die Erzählungen und Dramen, die ich oben aufgeführt habe, versucht mit Genuss zu lesen. Versucht? Ich habe sie genossen! Pole Poppenspäler ist eine bezaubernde kleine Liebesgeschichte, die Judenbuche eine leicht pathetische Schauergeschichte von Schuld und Sühne, Effi Briest eine feine Darstellung der preußischen Landgesellschaft vor der vorletzten Jahrhundertwende - jede dieser Erzählungen, jedes dieser Dramen hat etwas, was mich gepackt hat, mal mehr, mal weniger.


    Es ist so schade, dass die Texte im Deutschunterricht genauso eingesetzt werden wie, sagen wir, der Stufenbarren im Sportunterricht: Als Übungsgerät, und dass es eigentlich kein Übungsgerät ist, sondern ein Kunstwerk eigener Schönheit, an dem man sich auch erfreuen darf, erfreuen kann, erfreuen sollte (wenn es einem zusagt), fiel unter den Tisch.


    Dieses Defizit des Schulunterrichts sollte man aber nicht die Klassiker entgelten lassen.


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    Nachbemerkung:
    Über fremdsprachige Texte habe ich hier nichts gesagt. In diesem Feld sind mir vor allem englische und lateinische Klassiker geläufig, und ich bin insofern befangen, als ich beide im Studium schätzen und lieben gelernt habe.


    Zweite Nachbemerkung: Catcher In The Rye war bei uns Oberstufenlektüre. Ich habe seitdem kein Bedürfnis gehabt, an dieses Buch wieder heranzugehen. In den Worten deines Signaturspenders, CB: Es war scheiße.



  • Damit ging es mir vergleichbar. Schade was die sog. "hohe-Bildung" da mit ihrem Ursprungsbestreben eigendlich "anrichtet".
    Auch ich habe aufgrunddessen Jahrzehnte gebraucht mich div. "Klassikern" der deutschen Literatur wirklich anzunähern.
    Dann auch die intensivere Beschäftigung mit Kafka´s Werk und darüber hinaus auch einigen Vertreterinnen der viktorianischen (britischen) Literatur.
    Rein interessehalber, auch da ich mich über "das Gewese" gewundert habe, das teilw. darum gemacht wurde:rolleyes:.
    (Ja, auch "Wuthering Heights" war dabei- im Original! :augenrollen:).

    PACKUNGSBEILAGE MIT WARNHINWEISEN:
    Alle hier von mir geposteten Beiträge stellen lediglich meine ganz persönliche und somit subjektive Ansicht dar! ;)


    "...Download love and download war
    Download the shit you didn´t want
    Download the things that make you mad
    Download the live you wish you had..."


    Nordlichter Stargast ´2012 !

  • Romeo und Julia, Effi Briest. Was verstand man denn schon von Beziehungskisten in diesem Alter? Wenig bis nichts. Während die Pauker das als grosse Literatur herauszustellen versuchten, tappte man bzw. ich da relativ im Dunkeln. Und ich fragte mich, was das soll. Mit Orwells 1984 konnte ich schon mehr anfangen, gab es aber nur im Englischunterricht.
    Dann immer die Interpretationen in der Klassenarbeit. So ein Scheiss. Woher will man denn wirklich wissen, bis auf klare Ausnahmen, was der Schriftsteller damit sagen wollte?
    Dazu passt ein sinngemässes Zitat von Charles Bukowski:
    Und nachdem ich gestorben bin werden mich die Kritiker, die mich früher fertigmachten, neu entdecken. Auf einmal bin ich angesagt. Man wird bei meinen Büchern Sachen hineininterpretieren, die überhaupt nicht beabsichtigt waren. Da kommt mir das Kotzen.

    • Offizieller Beitrag

    ntensivere Beschäftigung mit Kafka´s Werk und darüber hinaus auch einigen Vertreterinnen der viktorianischen (britischen) Literatur.
    Rein interessehalber, auch da ich mich über "das Gewese" gewundert habe, das teilw. darum gemacht wurde:rolleyes:.
    (Ja, auch "Wuthering Heights" war dabei- im Original! :augenrollen:).


    Wuthering Heights war ein ganz und gar fatales Buch für mich. Es war das erste Buch von einer viktorianischen britischen Schriftstellerin, und es hat mich total gepackt und überwältigt wegen seiner rohen Kraft. Hinterher kamen dann Emilys Schwester Charlotte (Jane Eyre), diverse Jane Austens, ein bisschen Gaskell - dafür war ich verdorben, das war so ein überzüchtetes, über-raffiniertes Gesellschaftsgetue... Ich habe mich mit den Romanen dann gefühlt wie jemand, der Appetit auf ein kräftiges Schwarzbrot mit gut gewürztem Zwiebelmett hat ... und drei Plätzchen feinzuckriges Teegebäck gereicht bekommt.


    Wäre aus mir am Ende doch noch ein Lehrer geworden, dann hätte mich beim Lektüreunterricht vor allem eines interessiert: Den Text so zu behandeln und zu besprechen, dass am Ende mindestens ein Schüler, eine Schülerin sagt: "Das war mal eine geile Story!" (Und nicht auf die Art, wie sie es vielleicht bei Bukowski meinen könnten!). Hart im Raume stoßen sich die Dinge, ich bin kein Lehrer geworden und kann frei von allen pädagogischen Erwägungen diesen Klassiker lieben und jenen nicht mögen.


    Wiederum: Die behandelten Texte sind nicht verantwortlich für die Fadheit des Lektüreunterrichts. Dabei könnte man zum Beispiel richtig interessante Themen ansprechen, zum Beispiel bei Romeo und Julia: Wie sieht die Beziehung zwischen den beiden aus, wenn man sich das Alter der zwei klarmacht? Oder die Frage stellt, ob Heinrich V. bei Shakespeare vielleicht ein großer britischer Held und doch ein Kriegsverbrecher ist. Oder ... da gibt's ja noch vieles mehr

  • Vielleicht kann ich diese Diskussion mal mit etwas aktuelleren Daten bereichern ;) (Abijahrgang 2011; Hessen)


    Wir haben an "Klassikern" gelesen (soweit ich das zusammenbekomme) :


    Mittelstufe (Kl. 7 bis 10)
    Anne Franks Tagebuch
    Kleider machen Leute (Keller?)
    Die Physiker (Dürrenmatt)
    Der Richter und sein Henker (Dürrenmatt)
    Die Verwandlung + diverses andere (u. A. Brief an den Vater) von Kafka
    The Wave/ Die Welle (Rhue) im Englischunterricht


    ... und neuere/ andere Literatur, die thematisch in den Lehrplan gepasst hat (u. A. Thomas Mann, Max Frisch; ich erinnere mich noch an die Bürgschaft von Schiller in der 8. Klasse)


    In der Oberstufe (Kl. 11 bis 13; Deutsch Grundkurs)
    Die Räuber (Schiller)
    Maria Stuart (Schiller)
    Faust I (Goethe)
    Emilia Galotti (Lessing)
    Macbeth (Shakespeare; Englisch-LK)
    Death of a Salesman (Miller; Englisch-LK)
    Woyzeck (Büchner)
    viele Gedichte von Brecht
    viele Gedichte der Romantik
    Das Parfum (Süskind)


    ... und anderes, was thematisch in den Lehrplan gepasst hat (u. A. F.C. Delius; einen schwachen Roman zur RAF) und vieles in Form von Referaten vorm Abitur (z. B. E.T.A. Hoffmanns Sandmann).


    Ich muss feststellen, dass ich vieles erst im Nachhinein verstanden habe, obwohl ich immer sehr gute Noten im Deutschunterricht hatte. Die Physiker habe ich letzte Woche im Theater gesehen und mir ist erst da aufgefallen, was eigentlich die Intention des Stückes ist. In der 8. Klasse versteht man das einfach nicht - Auch das Tagebuch der Anne Frank, das aus meiner Sicht unbedingt für immer auf deutschen Lehrplänen bleiben sollte, ist völlig sinnfrei, wenn es in der 7. oder 8. Klasse gelesen wird. Genauso sinnlos ist es, den Holocaust mit 15-jährigen im Geschichtsunterricht durchzunehmen.
    Durch das verkürzte Abitur wird das aber noch schlimmer... Ich bin aber sowieso der Meinung, dass bei der Bildungspolitik in diesem Land vieles suboptimal läuft.

    Einmal editiert, zuletzt von GgEeNnEeSsIiSs () aus folgendem Grund: Edit 1: Death of a Salesman vergessen! (Danke, Christian!)

  • Und nicht auf die Art, wie sie es vielleicht bei Bukowski meinen könnten!


    In diesem Thread erwähnst du schon zweimal Bukowski, wenn ich richtig mitgezählt habe:). Hast du schon etwas von Bukowski gelesen, und wenn ja, was? Falls ja, wie hat es dir gefallen und wie schätzt du es ein?
    Falls nicht, möchtest du mal was von Bukowski lesen? Dann aber was, Romane, Kurzgeschichten oder Gedichtbände? Wenn du magst, ich kann dir zu allem was empfehlen.

    • Offizieller Beitrag

    In diesem Thread erwähnst du schon zweimal Bukowski, wenn ich richtig mitgezählt habe:). Hast du schon etwas von Bukowski gelesen, und wenn ja, was? Falls ja, wie hat es dir gefallen und wie schätzt du es ein?
    Falls nicht, möchtest du mal was von Bukowski lesen? Dann aber was, Romane, Kurzgeschichten oder Gedichtbände? Wenn du magst, ich kann dir zu allem was empfehlen.


    Um ehrlich zu sein, kenne ich ihn zu einem guten Teil aus dem, was du von ihm zitierst. Was ich da vorgeführt bekomme, animiert mich nicht im Mindesten dazu, mich näher mit ihm zu beschäftigen. Mag sein, dass mir da "was entgeht". Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich mir das, was mir da entgeht, nicht entgehen lassen sollte.


    (Ein wenig erinnert mich das an eine Freundin von mir; wir geben uns gelegentlich Bücher zu lesen mit den einführenden Worten: "Hier, lies das mal, das dürfte dir gefallen, ich fand's nämlich furchtbar")

  • Mal so nebenbei: Ich kenne Bukowski am ehesten aus diversen Herrenmagazinen der 90er. Deswegen kauft man sich auch so was, ne. :D


    Ich hege langsam den Verdacht das Dein Nickname gar keiner ist und Bukowski 94 nach Brasilien ausgewándert ist......verdammte Scheiße!