townman, ein gewisses Problem, das ich mit deiner Argumentation habe, besteht darin, dass du von der Identität des Songtextautors Phil Collins und den Sprechern in den Songtexten auszugehen scheinst.
Dann möchte ich gerne klarstellen, dass ich davon nicht ausgehe. Im Gegenteil: Ich befürworte eine ganz klare und prinzipielle Trennung von Autor und Sprecher. Ganz egal, wie nah sich beide Instanzen zu sein scheinen.
Vielleicht entstand dein Eindruck dadurch, dass ich mich auf den Gedanken eingelassen habe, dass es diese angesprochene Nähe offenbar bei Collins immer mal wieder wirklich gegeben hat. Ich wollte aber dem Eindruck widersprechen, dass eine solche "Authentizität" als Garant für Textqualität herhalten kann.
Im Übrigen würde ich auch nicht so schnell davon ausgehen, dass Collins' Beziehungsergüsse stets ehrliche Herzensbekundungen waren. Ich möchte ihm gar nicht unterstellen, dass er dazu neigte, bewusste Verfälschungen seines echten Erlebens aufzuschreiben. Mein Eindruck aber ist, dass es immerhin zunächst auch für jede:n eine echte Aufgabe ist, ehrlich zu sich selbst zu sein - besonders wenn es um prekäre Herzensangelegenheiten geht.
Zudem ist die Versuchung auch nahe, irgendeinen Schmus hinzuschreiben, weil es einfach gut klingt/aussieht. Weil man sich selbst in ein vorteilhaftes Licht stellen kann. Es würde mich z.B. sehr wundern, wenn Collins auch den ganzen abstoßenden Dreck, den auch er sicherlich mal in Beziehungen fabriziert hat, irgendwo ungeschönt besungen hat. Diese Vorstellung, seine Liebes-Texte wären wahrhaftig, ist eine ziemlich optimistische und womöglich auch ähnlich naiv wie die Texte, die ich von ihm kenne.
Im Übrigen finde ich, dass es besonders schwierig ist, eine Sache einfach zu sagen. Umgekehrt gebe ich auch zu, dass ich Songtexte bevorzuge, die Gefühle durch ihre Ausgestaltung zu vermitteln statt im Text auszubuchstabieren "ich liebe dich, aber du mich nicht". Ich bevorzuge es, wenn der Autor mir, dem Hörer/Konsumenten etwas zutraut. Aber das ist mein Geschmack, und für andere ist es sicherlich anders.
Ja, eine Sache künstlerisch einfach auszudrücken, ohne dass es banal und kitschig wird, halte ich auch für sehr schwierig. Collins dürfte daran als Songwriter oft genug gescheitert sein.