Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...

  • Sie kann ihn für überflüssig halten wie sie will, es ist ein aktuell gültiges Gesetz und sie ist ihrer gesetzlichen Verpflichtung einer Prüfung nachgekommen.


    Mich würde interessieren, wie diese Prüfung aussah.


    Ich habe ja hier gelernt, dass die Anwendung des (überholten) §103
    nicht unbedingt bedeuten muss, dass einer Verhandlung/Verfolgung (wie auch immer)
    zugestimmt werden muss. Die Ermächtigung muss ja nicht erteilt werden (siehe dein Zitat §104a) und wenn sich die Bundesregierung hier schon einmal ausnahmsweise einig ist,
    dass der §103 nicht mehr zeitgemäß ist, wäre aus meiner Sicht nur eine Entscheidung richtig gewesen.

  • Mich würde interessieren, wie diese Prüfung aussah.


    Ich habe ja hier gelernt, dass die Anwendung des (überholten) §103
    nicht unbedingt bedeuten muss, dass einer Verhandlung/Verfolgung (wie auch immer)
    zugestimmt werden muss. Die Ermächtigung muss ja nicht erteilt werden (siehe dein Zitat §104a) und wenn sich die Bundesregierung hier schon einmal ausnahmsweise einig ist,
    dass der §103 nicht mehr zeitgemäß ist, wäre aus meiner Sicht nur eine Entscheidung richtig gewesen.


    Schau mal in meinen Beitrag direkt vor diesem, in dem Spiegel-Artikel stehen ein paar Details dazu.


  • Ja, er hat mir schon gestern in dieser Talkshow aus der Seele gesprochen.
    Im Prinzip hätte man auch gleich nach seinem ersten Statement dazu die Sendung beenden können.

  • Sie kann ihn für überflüssig halten wie sie will, es ist ein aktuell gültiges Gesetz und sie ist ihrer gesetzlichen Verpflichtung einer Prüfung nachgekommen.


    Zur Prüfung verpflichtet, ja.
    Aber nicht zur Zustimmung, damit ein Strafverfahren eröffnet wird.
    Das hat Merkel eigenverantwortlich entschieden.


    Laut folgendem Artikel und Aussage von Steinmeier gab es Stimmengleichheit, deswegen hatte Merkel eine Entscheidung zu treffen. Fall Böhmermann: SPD-Minister distanzieren sich von Merkel-Entscheidung - SPIEGEL ONLINE


    Interessant ist aber, dass die einzige Pro-Stimme für die Entscheidung Volker Kauder ist, der nicht ohne Grund als Bückling der CDU und insbesondere von Merkel gilt.


    An der Entscheidung waren laut Artikel Merkel, Maas, Steinmeier und de Maiziere beteiligt.
    Man darf davon ausgehen, dass Maas und Steinmeier mit NEIN und Merkel und de Maiziere mit JA gestimmt haben. Folglich Stimmengleichheit.
    Bei Stimmengleichheit scheint die Kanzlerin das endgültige Votum abgeben zu dürfen.


    Merkel wollte also mit äußerstem Nachdruck diese Strafverfolgung ermöglichen.


    Ansonsten schließe ich mich Kalkofe an.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Mir ist da gerade mal beim Durchlesen des § 103 etwas aufgefallen. Über den Absatz (2) und seinen Bezug zu (1) bin ich mir gerade nicht ganz schlüssig, aber der (1) setzt eindeutig voraus, dass sich das Staatsoberhaupt oder ein explizit beleidigter Vertreter des Staates innerhalb des Bundesgebiets aufgehalten hat. Der (2) spricht zwar von einer öffentlich begangenen Tat, wie es auch theoretisch bei dem Gedicht der Fall wäre, hebt aber nach meinem Leseverständnis die Voraussetzung einer persönlichen Anwesenheit des Beleidigten im Bundesgebiet nicht auf.


    Ich bin kein Jurist und habe den Umgang mit Gesetzbüchern zumeist nur im Bereich der SGB 1-10 gelernt, aber so wie ich diesen Passus verstehe, wird sich der Anwalt von Herrn Erdogan mit seinem "ich gehe durch alle Instanzen" ziemlich kräftig auf die Nase legen, von seinem Mandanten ganz zu schweigen.

    • Offizieller Beitrag

    Mir ist da gerade mal beim Durchlesen des § 103 etwas aufgefallen. Über den Absatz (2) und seinen Bezug zu (1) bin ich mir gerade nicht ganz schlüssig, aber der (1) setzt eindeutig voraus, dass sich das Staatsoberhaupt oder ein explizit beleidigter Vertreter des Staates innerhalb des Bundesgebiets aufgehalten hat.


    Hier irrst du dich ein bisschen: Beim Staatsoberhaupt ist es wurscht, bei sonstigen Regierungsmitgliedern bzw. Oberchefbossdiplomaten ist es relevant. Und das Regierungsmitglied müsste auch noch als Regierungsmitglied hier sein und nicht zum Skifahren.
    "Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt,..."

    • Offizieller Beitrag

    Tatsachenbehauptung:

    Das hat Merkel eigenverantwortlich entschieden.


    und

    Merkel wollte also mit äußerstem Nachdruck diese Strafverfolgung ermöglichen.


    Und die Zugabe, dass der Behauptende keine Grundlage für diese klare Tatsachenbehauptung hat:

    An der Entscheidung waren laut Artikel Merkel, Maas, Steinmeier und de Maiziere beteiligt. Man darf davon ausgehen, dass Maas und Steinmeier mit NEIN und Merkel und de Maiziere mit JA gestimmt haben. Folglich Stimmengleichheit. Bei Stimmengleichheit scheint die Kanzlerin das endgültige Votum abgeben zu dürfen.


    Wo ist der Beleg dafür, dass Merkel die Strafverfolgung ermöglichen wollte? Wo ist der Beleg dafür, dass sie es "mit äußerstem Nachdruck" wollte?


    Ich bin wirklich jedesmal überrascht und freue mich, dass dieser Faden bei aller Emotionalität und allem Engagement und auch der Heftigkeit der aufeinanderprallenden Meinungen im großen und ganzen wirklich sachlich bleibt. Den plumpen Versuch der Stimmungsmache finde ich dagegen völlig fehl am Platze.


  • Wenn im Prinzip alle diesen Paragraphen für antiquiert und obsolet erachten, wenn es nicht einmal innerhalb der Bundesregierung Einigkeit über eine Strafverfolgung nach diesem Paragraphen gibt, es dann aber DOCH zu einer Ermächtigung der Staatsanwaltschaft kommt, nun ein Verfahren auf dieser Rechtsgrundlage in die Wege zu leiten, dann MUSS irgend jemand ein ziemlich großes Interesse daran haben.
    Und dass die SPD-Minister dieses nicht haben, ist ziemlich klar.


    De facto wird § 103 damit zum "Erdogan-Paragraphen", d.h. es wird jetzt quasi exklusiv für ihn ein Verfahren durchgeführt, bevor der Paragraph dann abgeschafft wird.


    Das Benennen dieser Zusammenhänge hat mit Stimmungsmache wenig zu tun, vor allem auch dann, wenn man die Vorgeschichte ("bewusst verletzend") in Betracht zieht.


    Merkel tut Erdogan hier ganz offensichtlich einen Gefallen. Sie offenbart damit einmal mehr die momentane Abhängigkeit der Bundesregierung von der türkischen Regierung.
    Selbstverständlich wird eine solche Abhängigkeit von ihr und ihren Sprechern stets bestritten. Das macht das Ganze noch trauriger, weil sie tatsächlich glaubt, sie könne die Wähler für dumm verkaufen.

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  • Dass Peter "Sie sind ein Arschloch" Tauber die Entscheidung der Kanzlerin begrüßt, wundert mich nun aber doch. War der nicht ein Verfechter für gelegentliche Beleidigungen im politischen Diskurs - und das ganz ohne satirischen Bezug...:o?

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