Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...

  • Zwei unterschiedliche Urteilsmöglichkeiten stellen für mich nicht die Abwesenheit von Rechtssicherheit dar.


    Wenn du etwas machst und nicht weißt, ob das strafbar ist oder nicht, ist das für dich eine Form von Rechtssicherheit? Sicher nicht!



    Deine "Urteilsbildung" ist juristisch irrelevant. Das fängt schon damit an, dass Du Dir höchstens eine Meinung bilden kannst.


    Ich habe hier "Urteil" als Synonym für "Meinung" benutzt (ich bilde mir ein Urteil = ich bilde mir eine Meinung)
    Dass das juristisch irrelevant ist, ist selbstverständlich.


    Wenn du dem Rechtsstaat die Qualifikation absprichst, in Konflikten eine neutrale und ausgeglichene Position einzunehmen, die die Interessen beider Parteien abwägt und dann eine Entscheidung fällt, mit der beide zu leben haben?


    Der Richter mag sich um eine neutrale und ausgeglichene Position bemühen, aber im Endeffekt muss er sich auf die Seite von Böhmermann oder Erdogan stellen. Und da es - wie Alexander Ignor aufzeigt - für beide Alternativen gute juristische Gründe gibt, hängt die Gewichtung letztlich doch von der subjektiven Meinung des Richters ab.


    Das ist halt ein besonders Problem dieses Tatbestandes, da gibt es sehr viel Raum für eigenes richterliches Ermessen.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

    Ein Schlag in die Fresse"

  • Es gibt keine Freiheit der Satire.


    Das ist mir nicht ganz klar. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es doch so etwas wie Freiheit der Kunst, oder nicht? Und Satire fällt doch in der Regel darunter...?

  • Das ist mir nicht ganz klar. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es doch so etwas wie Freiheit der Kunst, oder nicht? Und Satire fällt doch in der Regel darunter...?


    Die Freiheit der Satire teilt sich quasi auf die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Presse auf. Martin hat aber insofern recht, dass "Satire" an sich kein eigenes Freiheitsmerkmal hat.


  • Und damit Urteile nicht "beliebig" werden, gibt es ja noch etwas, was du weiterhin beharrlich ausblendest: das Gesetz.


    Nein, das blende ich nicht aus. Alexander Ignor kommt zu zwei völlig verschiedenen Urteilen. Beide im Rahmen des gültigen Gesetzes. Trotzdem ist das Ergebnis hier ziemlich beliebig.

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  • Wenn du etwas machst und nicht weißt, ob das strafbar ist oder nicht, ist das für dich eine Form von Rechtssicherheit? Sicher nicht!


    Ich werfe hier an diesem Punkt mal einen ganz neuen Aspekt in die Diskussion: das Gesetz. Da steht so einiges zu strafbaren Handlungen drin. Ist auch für Nicht-Juristen erhältlich. :)

  • Die Freiheit der Satire teilt sich quasi auf die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Presse auf. Martin hat aber insofern recht, dass "Satire" an sich kein eigenes Freiheitsmerkmal hat.


    Ah. Ich hatte mal eben schnell auf Wiki geguckt: Da steht, dass sich Satire auf Kunst- und Meinunsgfreiheit berufen kann. Berücksichtigt werden - und insofern eine Einschränkung - muss aber das Persönlichkeitsrecht.

  • Ah. Ich hatte mal eben schnell auf Wiki geguckt: Da steht, dass sich Satire auf Kunst- und Meinunsgfreiheit berufen kann. Berücksichtigt werden - und insofern eine Einschränkung - muss aber das Persönlichkeitsrecht.


    Stimmt, die Meinungsfreiheit natürlich auch. Die Presse-Freiheit sehe ich meistens als Bestandteil, da über die Presse bzw. allgemein die Medien erst die notwendige breitere Aufmerksamkeit erzielt wird.

  • Der Tagessieg für den absurdesten Hinkevergleich geht heute an Mutzelkönig! :topp:


    Vor Gericht geht es nunmal nicht nur um die Klärung von Tatsachen. Der Sachverhalt ist hier ja auch völlig unstrittig. Diskutiert wird ausschließlich über die juristische Bewertung. Begriffe wie "Wahrheit" oder "objektiv" verbieten sich hier schlicht. Nur ist das kein Fehler oder Schwäche des Rechtsstaats; im Gegenteil liegt hier eine große Stärke: dadurch dass Gesetze interpretations- und Auslegungsspielräume bieten, eher allgemein und teilweise vage formuliert sind und nicht jeden einzelnen konkreten Anwendungsfall exakt regeln, bleibt der Gesetzgeber überhaupt handlungsfähig und verzettelt sich nicht in unzähligen Sonder- und Ausnahmeregelungen. Diese Spielräume sind auch der Grund dafür, dass viele Gesetze über Viele Jahzehnte hinweg bestand haben können. Vor 50 Jahren gab es sicherlich noch ein ganz anderes Empfinden darüber, was als "beleidigend" angesehen werden kann oder muss als heute oder was Begrifflichkeiten wie "angemessen" im konkreten Anwendungsfall bedeuten. Die Welt verändert sich, mit ihr auch das Rechtsempfinden. Wenn das jedesmal Gesetzesänderungen erforderlich machen würde...

    “THE NIGHT WE TRACKED DOWN PHIL COLLINS, BECAME BEST FRIENDS WITH HIM, AND TALKED HIM INTO REUNITING WITH PETER GABRIEL, AND THEN WE GOT TO SING BACKUP ON THE NEW GENESIS ALBUM AND IT WAS AWESOME!”

    — Barney Stinson, How I Met Your Mother, Season 7, Episode 21 ‘Now We’re Even’

  • Nein, das blende ich nicht aus. Alexander Ignor kommt zu zwei völlig verschiedenen Urteilen. Beide im Rahmen des gültigen Gesetzes. Trotzdem ist das Ergebnis hier ziemlich beliebig.


    Mit deinem Verständnis von "Beliebigkeit" komme ich nicht klar, aber sei's drum. Auch deine Verwendung des Begriffs "Rechtssicherheit" erscheint mir hochproblematisch. Habe auch da gerade einen Satz auf Wiki gelesen, den ich einfach mal zitiere: "Zur Rechtssicherheit gehört auch die Klärung von umstrittenen Rechtsfragen oder -verhältnissen in angemessener Zeit und die Herstellung von Rechtsfrieden." Der überzeugt mich sehr.

  • Mit deinem Verständnis von "Beliebigkeit" komme ich nicht klar, aber sei's drum. Auch deine Verwendung des Begriffs "Rechtssicherheit" erscheint mir hochproblematisch. Habe auch da gerade einen Satz auf Wiki gelesen, den ich einfach mal zitiere: "Zur Rechtssicherheit gehört auch die Klärung von umstrittenen Rechtsfragen oder -verhältnissen in angemessener Zeit und die Herstellung von Rechtsfrieden." Der überzeugt mich sehr.


    Wo mein Verständnis von Rechtssicherheit "hochproblematisch" sein soll, verstehe ich nicht.


    Wir alle wollen doch letztlich nur wissen, was erlaubt und was verboten ist. Im Bereich von "satirischen Angriffen" gibt es da aus meiner Sicht nur wenig Klarheit.


    Zum Rechtsfrieden ergänze ich einen Satz aus dem von dir verlinkten Artikel:


    "Idealerweise führt der rechtskräftige Abschluss eines Rechtsstreits auch tatsächlich zu einem gerechten Interessenausgleich und einer Befriedung der Parteien."


    Wie man es im aktuellen Prozess schaffen will, sowohl Erdogan, als auch die Satiriker zu befried(ig)en, weiß ich nicht. Könnte eine Quadratur des Kreises sein...

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