SdW [06.-12.09.10]: GENESIS - Dancing With The Moonlit Knight

  • Anfang der 70ger hatte bei uns der erste Wimpy-Burger eröffnet, unser Treffpunkt, und so war es für uns völlig klar, was "chewing through your Wimpey-Dreams" meinte.
    Dachten wir. Bis dann in jenem legendären Schüleraustausch '74 ein englischer Junglehrer und Genesis-Fan mit uns in die Country fuhr und die Neubauten des Bauunternehmers Wimpey zeigte, der die my-home-is-my-castle-Träume der unteren Mittelklasse mit Fließband-PseudoTudor-Reihenhäuschen bediente und damit die sanften grünen Felder von Merry-Old-England verwüstete. Diese Interpretation brachte noch höheren Kultstatus mit sich.
    Hielt dann aber auch nur gut 20 Jahre, bis Peter in einem Interview, als er wohl gerade sehr schlecht drauf war, ausgerechnet diese (meine Lieblings-) Textpassage als "pseudo-sozialkritisch" schmähte ...


    ...womit ich mich und meine Unsicherheit hinsichtlich des Textes sehr angesprochen fühle. Wie weiter oben von mir mühsam erläutert, fehlt mir letztendlich ein harter Kern des Textes.



    Trotzdem: Welche (erhaltenswerten?) Traditionen klingen denn im Text an? Da vermisse ich für mich verstehbare Bezüge.

  • Danke, townman, dass Du mir ausgerechnet den Knight aus der Kiste geholt hast !:verneigen:
    Die wohl ausdrucksstärkste Peter-Stimme aller Zeiten, auf Kassette das Intro mehrmals hintereinander geschaltet, so schön und klar. Schnell noch meine Punkte vorne an der Kasse abgegeben. # und nach dem Lesen einiger post: Also die vier Noten am Ende sind herrlich, wunderschön, traumverloren...


    Hier vor stehen 51 postings, die ich leider im Moment keine Zeit habe zu lesen.
    Zu Deiner Frage: eigentlich finden sich in jedem Satz und manchmal auch nur einzelnen Worten so viele Mitschwingungen mit gleich mehreren Bedeutungen. Das Cäptn's-Thema z.B.
    GreenShield Stamps sind Rabattmarken, wird ja wohl schon irgendjemand erwähnt haben,
    Knights of the GS sind Schnäppchenjäger und Selbstironie, weil Peter in den armen BandAnfängen selbst einer war. Ich werd je nachdem wie ich Zeit hab hier ..>> Ergänzungen einfügen, wenn ich mich durch die Post gekämpft hab, nicht dass hier nachher 10Mal das Gleiche steht :dumdi:

  • Townman, hab gerade mit der Suchfunktion Dein Posting von 2011 gefunden. Verstehe Dein Unbehagen zum Teil.
    Es war eine Zeitlang in (sagt man das heute noch so ??), gaaanz viel Kapitalismuskritik hineinzudeuteln. Ich glaube, ganz so dick war's nicht. An einigen Stellen war's wohl eher so wie bei Jan Eißfeldt in Füchse (*ringring* Hörer: äh, wollte nur sagen, Füchse sind gar keine Rudeltiere.* Eizi: Ja egal, der Rhyme is fett)


    Mein Verhältnis zum Knight wechselt. Für mich simmert neben den mittelalterlichen Träumereien immer eine sanfte 72ger- Sozialkritik mit, auch zur Chancengleichheit, egal ob PG das später abwertete... Als J.K.Rowling herauskam, waren es die Hogwart-Bilder, die in den Vordergrund rückten mit all den Fabelwesen. Gerade jetzt finde ich die Stimmung in GB wieder so wie Anfang der 70ger. Weltuntergang. Ungerechtigkeit. Imperium gone...


    Du fragst nach den von Genesis selbst ins Spiel gebrachten erhaltenswerten Traditionen:

    Mit dem ironischen Augenzwinkern im Knight verbinde ich einen Hauch von
    >Pilze suchen in duftenden Buchenwäldern voller Fabelwesen, unicorns und verführerischer Peter-Gabriel-Faune
    #Nordischen Mittsommernachtsträumen, Blumen im Haar
    >Artus, Heiliger Grail, Töpfen voller Gold, Runden Tischen
    *Ritual, mit alten Leuten über die Verschandelung der Landschaft zu reden, wie übers Wetter und den Verfall von Sitten und Gebräuchen; irgendwann fällt immer der Spruch: zieh Dich gut an, Junge
    >glorioser Seefahrernation, hinübergerettet in die Bezeichnung Käpt'n, Captain für alles was man ehrt (vom Vater, Vereinsvorsitzenden, Ehefrauen bis hin zu Gott)
    *Rule Britannia schon bevor der Daily Express gelesen wurde (English Breakfast, hmmm)
    #Wo bleibt denn die Zeitung, Dear?
    *Zu Land of Hope and Glory Fahnen schwenken, aber nur kleine, dezente
    >Exzentrikern, die ihre schrulligen Steckenpferde pflegen, egal, ob sie sich zum Idioten machen (du hast Recht und ich hab meine Ruh)
    >feierlichem, nicht ramschigem Gambling und Bettin', stakes checken, den Stier ärgern und weglaufen
    >Krämern, die in karierten Schürzen unter quietschenden Schildern aus großen Säcken pfundweise by the pound verkaufen (nicht geblistert in luftgepushten Zwangsgrößen)
    #also Merry Old England mit Hecken und Cricket und Raffles und Dancing (mit a gesprochen...), Croquet Hoops und Festwiesen voller Wimpel, Strohhüte, die am Tag des Boatrace auch mal schräg aufgesetzt wurden (P.G.Wodehouse)

    [Auf mein Lieblingsthema haben sie im Knight verzichtet, das Schäfer-Schafehüten wie in Fair Phyllis und auf ungefähr j e d e r Landwirtschaftsshow]

    Un über allem ein schönes Denkmal von Genesis für Old Father Thames
    majestätischer als Vater Rhein, mystischer als der Ol'ManRiver (die Ader zu den 7 Weltmeeren, Lachse fischen am Samstag, Schaudergeschichten, Leichen werden nie gefunden, Unterströmungen, floods, England ertrinkt, wabernde Nebel im Gegenlicht, Boats, Picknicks, Trade, Walks, Mud, tausend Jahre Lieder und Gesänge, ein wenig noch übriggeblieben im Bild von Bootsparaden mit Königinnen, die zu Thronjubiläen stehend dem eiskalten Regen trotzen, Haltung bewahren, stiff upper lip)


    7 Mal editiert, zuletzt von Get-in-to-get-Out () aus folgendem Grund: war wohl zuviel in der Country und zu wenig in Liverpool oder EastEnd

  • Interessant an diesem Thread finde ich das Missverhältnis zwischen der offensichtlichen Wertschätzung für den Song (Anzahl der absoluten- und der Sehr guten Bewertungen) und der Anzahl der Posts.
    Dies scheint ein sehr beliebter Genesis-Track zu sein. Vielleicht sogar ein essenzieller. Dennoch scheint es schwer zu fallen, in Worte zu kleiden, was hieran so besonders ist.Für mich auch.


    Ich habe damals 15 Punkte eingegeben, weil das irgendwie klar zu sein schien, und bereue es auch nicht.
    DwtMK kommt daher,wie der Inbegriff des musikalischen,wie eine Melodie aus erster Hand, nur leicht betupft vom beherzten Hackett und dem Engelsensemble im Hintergrund.
    Das Hintergrundthema (auf der elektrischen gespielt) wird ab 1:20 dann zum Hauptthema des Songs,das ja auch das Album später abschliessen soll.
    Dann geht alles ganz schnell: In rascher Folge werden alle Lichter entzündet, die die Band(und zu diersem Zeitpunkt wohl auch der gesamte klassische Prog) zur Verfügung hatte. Fulminante Themen werden so verschwenderisch und leichtfüssig abgefeuert,als hätte die Band noch hunderte ebensogute auf Lager gehabt.
    Dies scheint mir dann auch der grösste Unterschied zu späteren Epen zu sein, bei denen eben nur 1-2 mässige Grundideen technisch und illusorisch aufgeblasen wurden um Eindruck zu schinden.


    Hier versammeln Genesis wahrlich alle ihrer zahlreichen Qualitäten: Passgenaues Ensemblespiel,überschäumenden Ideenreichtum,rhythmisches Geschick und Variabilität,bestechende instrumentelle Einzelleistungen, einen Regenbogen akustisch nachbilden zu können.


    Neben Can-utility and the Coastliners ist in diesem Stück die Quintessenz von Genesis offenbar. Sollten alle anderen Stücke verwelken, dieses würde mir zur Not reichen um meine Liebe zu dieser Band bis zum Schluss zu nähren.


    Ich bleibe bei 15 !

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.

    Einmal editiert, zuletzt von revelation ()

  • revelation: Das ist wirklich schön, was du schreibst. Wenn ich's mir so vor Augen und geistige Ohren führe, hat der Song schon allein wegen der Musik 15 Punkte verdient.


    @GitgO: Ich verstehe längst nicht alles, was du schreibst. Aber es gefällt mir. Was ich mich nun gefragt habe: Ist der "Unifaun" eigentlich ein mythisches Geschöpf?
    Konkreter: Ist er wirklich personifizierter Hinweis auf eine alte, entwurzelte Welt, die schon in der ersten Strophe ganz krass, fast schon seelisch gewalttätig von der modernen Welt des Schacherns abgelöst ist?

  • . Wenn ich's mir so vor Augen und geistige Ohren führe, hat der Song schon allein wegen der Musik 15 Punkte verdient.


    ....ach,da hätte er auch "i love you baby, i love you so strong" singen können....oder im Duett mit Heino....15 Punkte!

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.

  • #
    #
    revelation: Es haut mich jedes Mal vom Hocker, wie plastisch und auf den Punkt Du Musik beschreiben kannst. 15 P an Dich. Das ist Poesie! ( PS heute siehst Du so frisch aus - Sonnenbank ?)


    townman nochmal zu den Lyrics
    [Und ein fröhliches haha für den joke mit der Musik .. lol . Ach ja. Musik gibts da auch...
    Anders als Du suche ich in Liedtexten - ganz speziell beim Prog - nicht unbedingt nach d e m Kern im Sinne eines strikten Plots, lasse mich tragen von den oft verwobenen, mäandernden Bildern zur Musik.
    ]


    Ob schon mit dem ersten Satz des [FONT=&quot]Unifaun [/FONT]die unüberwindbare Kluft zwischen romantischer (verlorener) Vergangenheit und verdorbener (korrupter) Gegenwart thematisiert werde(n sollte), ist - und das weißt Du :) - seit 40 Jahren Gegenstand der Diskussion. Mythisch, ein Mythos, ist der Unifaun zwar nur in der Genesis-Fangemeinde, aber auch Nicht-Eingeweihte entwickeln sofort ein Bild zu diesem Wort. Es ist aus sich heraus verständlich.


    Wohl je nach Testosteronspiegel des Analysten wird das Wortspiel mal zackig von "Uniform+faun", mal buchhalterisch Uni=gleichartig+faun oder mal shakespearisch von "Einhorn/ unicorn+faun" hergeleitet, aber ein Faun ist es immer.
    Läßt man mal die mythische Ziegengestalt beiseite so wurden Faune im Laufe der Zeit immer mehr zu verführerisch-manipulierenden, metrosexuell pulsierenden Geschöpfen der blauen Sehnsuchts-Stunde zwischen Tag und Traum.


    >Sag mir, wo ist mein Land hin? spricht der Unifaun in die Augen seiner wahren Liebe<


    Für mich ist der verloren wirkende Unifaun, der in den Augen seines Gegenübers seine verlorenen Identität sucht,
    [FONT=&quot]absolut zeitlos und mystisch[/FONT] (mit s)

    Die im Laufe der Zeit wechselnden Interpretationen lasse ich wie Moden an mir vorüberziehen, sie verändern nicht das Grundgefühl zu dem Bild. Anfang der 70ger war allerdings der gesellschaftliche Umbruch in UK extrem, die 22jährigen Jungs verarbeiteten ganz sicher die wabernde Zerrissenheits-Stimmung. Mit jeder Krise sieht man bis heute die gleichen kopfschüttelnden Gesten der Ratlosigkeit auf den Bauernmärkten, in der Kirche und im Women's Institute, deshalb ist der Track auch heute noch aktuell.


    Wenn Du mich persönlich fragst, also jetzt nicht den Genesistext übersetzend:
    Seit einigen Jahren sehe ich den entwurzelten, ratlosen, traurigen Unifaun überall in den Augen großer Jungs, die ihre Rolle als Mann in dieser Welt einfach nicht mehr finden können. Das ihnen jahrtausendlang vertraute Land sicherer Identitäten gibt es nicht mehr, ist untergegangen.

    10 Mal editiert, zuletzt von Get-in-to-get-Out () aus folgendem Grund: ähm .. doch etwas gekürzt ...

  • Leute sehr interessante Einlassungen zum SdW. Bitte sagt mir doch was ihr da nimmt.
    Ich würde gerne mitfliegen :D

    GENESIS

    In Concert

    1978 Saarbrücken Ludwigsparkstadion 1981 Frankfurt/M Festhalle

    1987 Mannheim Maimarktgelände

    1992 Hockenheim Motodrom - 2007 Stuttgart Gottlieb-Daimler-Stadion

    2022 Hannover Expo

    ..

    Steve Hackett

    In Concert

    2009 Remscheid - 2014 Bochum 2015 Dortmund  

    2017 Hamburg 2019 Hamburg

    ..

    Peter Gabriel

    In Concert

    2013 Stuttgart 2023 Hamburg

    ..

    Anthony Phillips

    2014 Welkers

    Einmal editiert, zuletzt von YoungKingCole ()

  • :schock2::schock2::schock2::schock2:
    :schock2::schock2::schock2::schock2:
    :schock2::schock2::schock2::schock2::schock2:

    4 Mal editiert, zuletzt von VinylManiac ()

  • @GitgO: Ich habe den Eindruck, dass du den Hintergrund meiner Fragen falsch bewertest. Ich weiß über diese Dinge nichts und habe mich damit zum ersten und bislang letzten Mal im Zuge des SdW beschäftigt. Ist also alles neu für mich, was du schreibst.
    Wegen des "Unifaun" war ich verunsichert, da ich eine Quelle im Netz gefunden habe, in der steht: "Ein Faun ist eigentlich (Hervorhebung durch mich) ein Fabelwesen ähnlich dem griechischen Satyr, ein 'Unifaun' dagegen die altenglische Bezeichnung für 'mercenary', also 'gewinnsüchtig', 'käuflich', aber auch 'Söldner'. Im Songtext bzw. dessen Sinn ist jedoch auch eine Kombination aus 'uniform' und 'fawn' = 'Schwanzwedler, Kriecher' denkbar, bzw. eine Kombination von allem. In alten Aufnahmen ist Peter Gabriel zudem in der Ritter/Uniform/Söldnerähnlichen [sic!] Aufmachung der weiblichen 'Britannia' (englisches Gegenstück zum amerikanischen 'Uncle Sam') zu sehen, was diese Vermutung stärkt." (Frank Müller, Alles rund um die Band Genesis)


    Da ich mit Englisch grundsätzlich überfordert bin, kann ich diese ganzen Überlegungen überhaupt nicht beurteilen.