SdW [19.-25.07.10]: GENESIS - The Knife

  • Die Ouvertüre einer großartigen Songschmiede? Eigentlich ja, denn das Album hatte immer so einen mysteriösen Touch. Lange wußte ich nichts von der Besetzung mit Philipps und Mayhew, davor war noch alles obskurer gewesen. Was waren das für Typen, die solche Lieder schrieben? Nun also musikalisch ein „Schmusealbum“ mit einem Paukenschlag am Ende. Sehr gut! Die erste große Überraschung einer noch jungen Band und es ist wohl auch nicht von ungefähr, daß auf späteren Samplern als frühestes Stück TK auftauchte.
    Das Lied habe ich auch immer benutzt, um bei Hard Rock-Freunden schön Wetter zu machen, die waren stets beeindruckt. Irgendwie mußten Genesis sich auch von ihren Labelkumpeln Van der Graaf Generator und Lindisfarne absetzen.


    14 Punkte gebe ich, weil meines Erachtens der Mix verpfuscht wurde (ich verfüge allerdings nur über die Vinyl- und die CD-Version der ersten Generation (ca. 1991)) Das klingt alles so dumpf.


    Dennoch/ also 14 Punkte

    We can help You

  • Obwohl ich "Stagnation" und "Dusk" ästhetisch gelungener / ausgewogener empfinde ( Mr. Plod: "Schmusealbum" kommt nicht wirklich hin), so ist "The Knife" wirklich das erste große Ausrufezeichen! der Band (siehe auch den User, der von seinen Kumpels damit "angefixt" wurde...). Dieses Aufbegehrende, Wilde, Zerstörerische ist textlich und musikalisch einfach sehr direkt und mitreißend umgesetzt.


    Was ich bei dem Song richtig toll finde: Jedes Instrument (+ Gesang) spielt relativ eigenständige Motive und Melodien, sodass sich eine recht dichte Gesamttextur ergibt und eben auch eine ausgewogene Verteilung musikalischer Substanz. Das gilt für den Anfang (ab 0:30) wie auch für diesen schön kontrastierenden ruhigen Teil ab 3:07.
    Cool finde ich noch, dass Genesis den berühmten Schrei von Supertramps "School" eigentlich hier schon vorweggenommen haben, die "Deep Purple"-Hommage ab 7:10 und den überraschenden, aber dramaturgisch sehr geschickt eingebauten Dur-Teil bei 7:59, der den nachfolgenden Schluss in Moll umso triumphierend-aggressiver wirken lässt (im Gegensatz zum "Old Medley" finde ich übrigens den verfremdeten Sound der Stimme hier durchaus angebracht).


    Minuspunkte hier wären für mich: Die Motive / Riffs sind z.T. ein wenig plakativ-naiv. Wenn ich nicht wüsste, dass die "reifen" Genesis genau das auf den letzten Alben zum ästhetischen Prinzip erhoben hätten, würde ich sagen, dass man da noch die Jugendlichkeit der Bandmitglieder entschuldigend hätte anführen können. Denn vorläufig wurden auch die Binnenstrukturen der Songs in den nachfolgenden Jahren dann origineller und künstlerisch eigenständiger.
    Des Weiteren: Tony spielt das Anfangsriff wirklich gut und sehr kraftvoll - aber Mike spielt bei seinem ersten Einsatz zu weit hinten, sodass es rhythmisch etwas holprig wird. Die Drums sind bei 7:51 auch ein wenig "out of time" / überfordert.


    Macht für mich 12 Punkte.


    Einmal editiert, zuletzt von townman () aus folgendem Grund: Aufräumaktion

  • Ein ziemlich ungewöhnlicher Fuzz-Basssound, sehr gute Schlagzeugarbeit im ganzen Stück (der Typ zerschlägt alles; wahrscheinlich aus Unsicherheit, aber es rummst und kämpft ohne Ende!), kraftvoller Gesang, unglaublich abwechslungsreiche Gitarren (zwischen Riff-Arbeit und schwebenden Sounds) ... und, was alleine schon 10 Punkte gibt: 3'10 - 4'10. Zuersteinmal der Tonartwechsel: große Komponisten komponieren mordskomplizierte Überleitungen von Thema A zu Thema B, und was tut Mike Rutherford? Er ist absolut unbegleitet und rutscht einfach 1-2 Bünde an seinem Bass aufwärts. Wo es sonst grauslig stümperhaft geklungen hätte, fällt es hier garnicht auf (wie der Schüler, der souverän und sehr auffällig in der Klassenarbeit den Spickzettel rausholt und nicht erwischt wird - im Gegensatz zu dem, der heimlich das Teil rausklamüsert und dabei auch noch rot wird).


    Dann durchziehende Gitarrenakkorde zu Hammondorgel, ein einfaches, aber wirksames Flötensolo, und schließlich schaltet Tony bei 3'53 das V3-Vibrato ein. Wahnsinn, das ist für mich das beeindruckendste und gänsehauterzeugendste Hammond-Vibrato, das ich kenne. :topp:


    Später dann Bolerorhythmen mit messerscharfer E-Gitarre, wutentbrannte Stimmen, absolut gekonnte Überleitungen, und das ganze sehr dynamisch und abwechslungsreich: diese ganze Trespass ist das perfekte Kompositionslehrbuch. Wer anspruchsvollen Rock komponieren lernen will, lernt beim genauen Hören dieses Albums unheimlich viel.


    14-15 Punkte, die ich dann doch (wie bei "White Mountain") zur 14 abrunde.


    "Looking For Someone", "Stagnation" und "Dusk" haben da die 15 vorreserviert... und wieder ist es "Visions of Angels", das irgendwie so garnicht mitziehen kann. Aber das ist ein Thema für später... :)


    townman: Danke wieder für einen unglaublich spannenden Beitrag. :topp:



    achja... ich finde es immer interessant, dass "Trespass" überall in die sanfte Ecke geschoben wird.
    Dabei ist "Looking For Someone", sobald es richtig in Fahrt gekommen ist, beinahe noch fetziger, während "White Mountain" teilweise Gothic-Stimmung verbreitet und auch "Stagnation" in einem eher bombastischen Finale endet.


    "The Knife" ist (mit LfS) natürlich am Härtesten, aber die Schmusezeit ist gefühlt deutlich länger als sie wirklich ist. ;)

    So, let's drink some wine
    And have a good time.
    But if you really want to come through
    Let the good time, good time have you.
    It's what you've got to do.

    3 Mal editiert, zuletzt von Max ()


  • Cool finde ich noch, dass Genesis den berühmten Schrei von Supertramps "School" eigentlich hier schon vorweggenommen haben


    Und mit "Musical Box" haben sie noch einiges mehr von "School" vorweggenommen, behaupte ich mal. ;)

  • Zitat:
    Zitat von Aprilfrost
    Mal ne Frage an die aktiven Musiker und Musiktheoretiker: Wie nennt man eigentlich diesen Rhythmus, der bei The Knife gleich von Beginn an gespielt wird?

    Streng genommen handelt es sich um einen Marschrhythmus.


    Oder um einen galoppierenden Stakkato-Foxtrot:D

  • "The Knife" - schlechthin DER Titel, der das Album "TRESPASS"
    (mein liebstes) - und damit natürlich die Band Genesis - für die damalige
    Prog-Rock-Gemeinde akzeptabel und bekannnt machte; der die Band aus
    einer verträumten, liebenswerten english-folk-Ecke auf eine Stufe mit
    King Crimson, Yes, Pink Floyd u.a. katapultierte. The Knife bereitete den Weg
    von Genesis bis hin zu "THE LAMB" , akquirierte eine enge, verschworene
    Fangemeinde und sorgte bei den frühen Konzerten für plötzliches
    Publikumserwachen. Es war die Genesis-Sinfonie mit dem Paukenschlag.
    Ohne "The Knife" hätten Genesis es vielleicht nicht bis zu NURSERY CRYME
    geschafft. Ich sehe den Song auf dem Album nicht so isoliert, wie andere
    hier posten; "Looking For Someone" hat ebenfalls einige aggressive
    und zukunftsträchtige Stellen. Ich liebe jedoch den einmaligen, in dieser
    Form nur auf TRESPASS zu findenden lyrischen, 12-saitigen, flötenschwebenden
    Ansatz von Titeln wie "Dusk", "Stagnation" und "White Mountain", also
    hätte auch ich "The Knife" vielleicht lieber auf NURSERY CRYME gesehen
    (aber dann bitte nicht mit Steve und Phil, die packen den Song nicht so wirklich),
    und vielleicht andere Titel wie "Little Leaf", "Let Us Now Make Love" und "Pacidy"
    auf TRESPASS, stattdessen. Genau; und "The Knife" dann als Single
    (war es ja sowieso). "The Knife" ist beides: Ein intensiver, oft sehr anstrengend
    zu hörender Abschluß einer genialen, zeitlosen, epochalen LP, - und der wirkliche
    Beginn der großen Karriere einer großen Band.


    15 points for "The Knife" !

  • Von mir gibt es 15 Punkte. The Knife halte ich vor allem live für stärker als vergleichbare Live-Klassiker wie z.B. Watcher Of The Skies.