Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich bislang die Partei A unterstützt habe und mit ihren Zielen nicht mehr einverstanden bin, dann wähle ich halt B oder E, eine Partei, mit deren Zielen ich mich stärker identifizieren kann.


    Bei aller Zustimmung zu deiner Kritik / Meinung muss man aber auch festhalten, dass dies bedingt, dass eine andere "normale" Partei einen andere Position / einen Gegenentwurf zur Politik von Partei A anbietet.
    Leider muss man in den letzten Jahren (eigentlich seit Beginn der Ära Merkel) festhalten, dass sich alle Parteien "der Mitte" programmatisch so einander angenähert haben, dass man als Wähler kaum eine Alternative geboten bekommt. D.h. wenn man mit der Politik von Partei A nicht übereinstimmt, dann kann man kaum Partei B oder C wählen, da diese bis auf marginale Abweichungen das gleiche wollen wie Partei A.
    Noch zu Zeiten Kohls oder Schröders dagegen konnte man klar unterscheiden, was z.B. CDU oder SPD wollten. Das kann man von beiden Parteien (wie auch den kleineren Parteien) mittlerweile nicht mehr behaupten. Heutzutage heißt es nur "ja das wollen wir auch, aber wir würden es nur etwas anders / besser machen" (was nie näher spezifiziert wird). Aber wenn man eben nicht will, dass eine Partei DAS macht, so fehlt es völlig an wählbaren Angeboten für einen davon abgesetzten Gegenentwurf.

  • Egal wen, aber Hauptsache, nicht A wählen? Das scheint mir eine sehr destruktive Haltung, weil zwar eine Haltung abgelehnt, aber keine konstruktive andere Lösung aktiv ausgewählt und unterstützt wird.


    Und ich fände es destruktiv, Parteien meine Stimme zu geben, die keine Antworten auf wichtige Zukunftsfragen haben. Aber das ist ja das Tolle an der Demokratie, da kann jeder für sich selbst entscheiden, welche Ansätze er für destruktiv und welche er für konstruktiv hält.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

    "Von jedem Tag will ich was haben

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    • Offizieller Beitrag

    Da missverstehst du mich.


    Die Haltung "Hauptsache, nicht die Partei A" ist an sich negativ: Du weißt, was du nicht willst. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet das: "Ich wähle irgendeine Partei mit irgendeinem Programm, solange meine Stimme nicht der Partei A nützt und solange deren Ziele nicht mit denen der Partei A übereinstimmen."


    In der Wahlkabine machst du dann ein Kreuz bei irgendeiner Partei, sagen wir Partei G (weil's ja nicht drauf ankommt). Und jetzt passiert etwas Interessantes:


    Deine Stimmabgabe soll deiner Haltung gemäß eigentlich ausdrücken: "Ich bin gegen das, was Partei A will" - und tatsächlich drückt sie aber etwas anderes aus: "Ich bin für das, was Partei G will." Und sagt überhaupt nichts über Partei A aus. Womit die beabsichtigte Botschaft nicht ankommt.


    Dass es nicht gut (im Sinne deiner Überzeugungen) wäre, eine Partei zu wählen, der du keine bzw. nicht die richtigen Antworten zutraust, ist selbstverständlich. Darüber müssen wir nicht diskutieren.


  • Deine Stimmabgabe soll deiner Haltung gemäß eigentlich ausdrücken: "Ich bin gegen das, was Partei A will" - und tatsächlich drückt sie aber etwas anderes aus: "Ich bin für das, was Partei G will." Und sagt überhaupt nichts über Partei A aus. Womit die beabsichtigte Botschaft nicht ankommt.


    Ob die Botschaft nicht ankommt, da bin ich anderer Meinung. Ich denke, dass sowohl die vielen Nichtwähler, als auch die Stimmen für Protestparteien ein klares Signal aussenden.
    Das Signal lautet: Wir haben von euch (den Etablierten) und von eurer Art, Politik zu gestalten, die Nase voll. Und dann gibt es fast immer (mal mehr, mal weniger gelungene) Versuche, durch Korrekturen die Nicht- und Protestwähler zurück zur eigenen Partei zu locken.


    Man sehe sich nur mal das Ergebnis der letzten Parlamentswahl in den Niederlanden an. Wie groß war da auch bei uns die Erleichterung, dass der akzeptierte Demokrat Rutte und nicht der verhasste Populist Wilders als Sieger durchs Ziel ging. Dabei geriet völlig in Vergessenheit, dass Ruttes Sieg auch dadurch zustande kam, dass er inhaltlich und auch vom Tonfall her in mancherlei Hinsicht wie ein "Wilders light" agiert hat.

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    Das Signal lautet: Wir haben von euch (den Etablierten) und von eurer Art, Politik zu gestalten, die Nase voll. Und dann gibt es fast immer (mal mehr, mal weniger gelungene) Versuche, durch Korrekturen die Nicht- und Protestwähler zurück zur eigenen Partei zu locken.


    Ja, aber die Parteien müssen mehr oder weniger raten, was denn die Protestwähler wollen, weil die ja nur sagen, was sie nicht wollen. Was ist das für eine Kommunikation? "Jetzt ratet mal, was wir wollen... und wenn ihr nicht richtig ratet, wählen wir euch halt weiter nicht."


    Wäre es nicht einfacher und produktiver, sich einzubringen und zu sagen: "Ich will, dass die Politik dort und dort hingeht"?




    ... ich gebe mir lieber gleich selbst die Antwort: Nein, einfacher wäre es nicht, denn es erfordert Aktivität und Arbeit und Sich-Einbringen. Ja, produktiver wäre es vermutlich.

  • Heute drückte mir nach dem Einkauf bei REWE ein Wahlkampfhelfer der SPD einen Flyer in die Hand. In diesem stellt sich der Landtagskandidat der SPD für meinen Wahlbezirk, Volkan Baran, vor.


    Auf der rechten Seite des Flyers hat Baran unter der Überschrift "Dafür stehe ich" fünf politische Leitziele formuliert:


    - eine soziale Wirtschaftspolitik!
    - die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen!
    - die Förderung gerechter Bildungschancen!
    - eine ganzheitliche Integrationspolitik!
    - eine moderne Infrastrukturpolitik!


    Klingt alles super, insofern könnte ich Baran ohne Probleme wählen.


    Andererseits werden die Flyer von CDU, FDP, Grüne und Linke vermutlich so ziemlich das Gleiche versprechen, wahrscheinlich sogar mit ähnlichen Platitüden aus dem Sprachbaukasten für Politiker.


    Ehrlich gesagt, Wahlwerbung auf einem derart billigen Niveau ist mir einfach zu doof.
    Das möchte ich nicht (mehr) unterstützen, und das kann ich auch nicht ernst nehmen.
    Wenn es schon Phrasen sein müssen, dann bitte keine, die ernst genommen werden wollen. Bei der satirischen Konkurrenz heißt es nur noch:


    Wählen Sie DIE PARTEI, denn sie ist sehr gut.;)


    Das muss man nicht ernst nehmen, denn das nehmen die selbst nicht ernst.
    Es wird hier auch nichts versprochen, was hinterher gebrochen werden kann.
    Und es bringt mich zum Schmunzeln und sorgt damit bei mir für ein gutes Gefühl.

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    Das muss man nicht ernst nehmen, denn das nehmen die selbst nicht ernst.
    Es wird hier auch nichts versprochen, was hinterher gebrochen werden kann.
    Und es bringt mich zum Schmunzeln und sorgt damit bei mir für ein gutes Gefühl.


    Also irgendwie sorgt das bei mir überhaupt für kein gutes Gefühl, dass man das ganze sowohl bei den Etablierten als auch bei den satirischen Parteien nicht mehr ernst nehmen kann. Das sind hüben wie drüben nur noch inhaltsleere Worthülsen, eine Nicht-Politik, ein "wählt mich, ich stehe faktisch aber für nix".


    Was mir bei dem von dir genannten Flyer exemplarisch stehend für die generellen Wahlprogramme aller Parteien fehlt:
    Es ist nirgendwo mehr erkennbar, WIE diese die genannten Punkte genau umsetzen wollen. Wie du schon richtig sagst: es sind inhaltslose gutklingende Worthülsen. Aber dahinter verbirgt sich nirgendwo mehr ein erkennbares Konzept, wie sie genau konkret diese Punkte in der Praxis umsetzen wollen. Darauf angesprochen nennt auch kein Politiker mehr irgendwelche konkreten Konzepte und Ideen. Weil sie keine mehr haben?

  • Aber dahinter verbirgt sich nirgendwo mehr ein erkennbares Konzept, wie sie genau konkret diese Punkte in der Praxis umsetzen wollen. Darauf angesprochen nennt auch kein Politiker mehr irgendwelche konkreten Konzepte und Ideen. Weil sie keine mehr haben?


    Ich glaube, dass du mit dieser Einschätzung durchaus richtig liegst.
    Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass der Einfluss der Politik überschätzt wird.
    Gewissen Entwicklungen (Digitalisierung, Klima) läuft man nur noch hinterher, ohne sie maßgeblich zu steuern.


    Oder nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel: Im März wurde im Bundestag ein Gesetz zur Endlagersuche für unseren radioaktiven Müll beschlossen. Bis 2031 will man nun definitiv wissen, wo denn dieses Endlager sein soll. Ich erwischte mich sofort bei dem Gedanken, dass dies niemals klappen wird, weil auch in 14 Jahren nirgendwo in Deutschland ein Endlager mehrheitsfähig sein wird. Vor allem nach den bisherigen Erfahrungen mit Gorleben und der Asse. Wahrscheinlich wird man unseren strahlenden Müll irgendwo nach Afrika schicken oder ins All schießen - natürlich gegen Bares. Denn das ist doch die Grunddevise deutscher Politik: Andere dafür bezahlen, dass die eigenen Probleme gelöst werden.


    Und das ist nur ein Beispiel von ganz vielen, wo die Politik versagt.

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  • Ich glaube, dass du mit dieser Einschätzung durchaus richtig liegst.
    Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass der Einfluss der Politik überschätzt wird.
    Gewissen Entwicklungen (Digitalisierung, Klima) läuft man nur noch hinterher, ohne sie maßgeblich zu steuern.


    Oder nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel: Im März wurde im Bundestag ein Gesetz zur Endlagersuche für unseren radioaktiven Müll beschlossen. Bis 2031 will man nun definitiv wissen, wo denn dieses Endlager sein soll. Ich erwischte mich sofort bei dem Gedanken, dass dies niemals klappen wird, weil auch in 14 Jahren nirgendwo in Deutschland ein Endlager mehrheitsfähig sein wird. Vor allem nach den bisherigen Erfahrungen mit Gorleben und der Asse. Wahrscheinlich wird man unseren strahlenden Müll irgendwo nach Afrika schicken oder ins All schießen - natürlich gegen Bares. Denn das ist doch die Grunddevise deutscher Politik: Andere dafür bezahlen, dass die eigenen Probleme gelöst werden.


    Und das ist nur ein Beispiel von ganz vielen, wo die Politik versagt.


    Ich würde nicht sagen, dass die Politik versagt hat, bin aber bei Dir, dass der Einfluss der Politik überschätzt wird.
    Man darf nicht vergessen, dass die Probleme heute einfach ganz anders gelagert sind - und vor allem viel viel komplexer (Stichwort Flüchtlingskrise). Dieses typische Schwarz/Weiß-Denken, gut / böse etc. gibt es einfach nicht mehr. Gäbe es einfache Lösungen, hätten die Parteien diese...
    Dein Beispiel ist sehr symptomatisch. Natürlich können die Parteien nur sehr grobe Losungen formulieren, denn nur so spricht man eine breite Masse an. Es ist heute auch sehr schwierig klare Ziele zu verfassen, da diese oftmals im Konflikt mit vielen anderen Zielen stehen...
    Dein anderes Beispiel ist ebenso symptomatisch. Keiner will den Atommüll haben - aber weg muss er trotzdem. Hast DU die Lösung? Wie kannst Du da den Parteien Versagen vorwerfen.


    Hier in M/V ist die Windkraft ein heißes Thema, ja sogar Wahlkampf wird hier damit propagiert. Es gibt unzählige Bürgerinitiativen. Keiner möchte gerne solche Windmühlen vor seiner Stadt, geschweige denn vor seinem Grundstück sehen. Keiner möchte aber auch die dreckige Braunkohle, geschweige denn die Atomkraftwerke...
    ABER: Strom wollen alle haben - und zwar immer mehr...
    Wie doppelzüngig :(
    Es muss da ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden... Und meines Erachtens brauchen wir auch keine Parteien mehr, denn wie schon geschrieben, sie sind mittlerweile dem Zeitgeist entsprechend, kaum unterscheidbar sind...

    • Offizieller Beitrag

    Denn das ist doch die Grunddevise deutscher Politik: Andere dafür bezahlen, dass die eigenen Probleme gelöst werden. Und das ist nur ein Beispiel von ganz vielen, wo die Politik versagt.


    Entsorgst, deponierst und verwaltest du eigentlich deinen eigenen Hausmüll? Nein: die Abfallbetriebe der Stadt oder des Kreises kommen und entsorgen deinen Hausmüll (wie und wohin auch immer), und dafür entrichtest du Müllgebühren. Du bezahlst also andere dafür, dass dein eigenes Problem gelöst wird. Und dir würde nicht im Traum einfallen, dieses Verhalten als "dein persönliches Versagen" zu bezeichnen.


    Der größte Teil unserer Gesellschaft ist so organisiert, dass die einen Geld dafür bekommen, dass sie die Probleme der anderen lösen. Der Zahnarzt bekommt Geld dafür, dass er deine Zähne richtet, Der Konditor bekommt Geld dafür, dass er dir einen großen Geburtstagskuchen backt, und so weiter und so fort. Quod licet bovi, et licet Iovi: Was der kleine Mann tut, darf er dem Staat nicht vorwerfen.