Liebe Insulaner,
das waren mal wieder ein paar sehr unterschiedliche survival kits, zu denen ich mir folgende Anmerkungen erlaube.
@ Synclavier, den großen Melancholiker:
Coldplay schwülsten ja gerne mal ein bißchen rum. Die drei von Dir ausgewählten Stücke finde ich aber alle sehr hörbar. Insbesondere bei "Major Minus" gehen sie für ihre Verhältnisse schon fast angenehm dreckig zur Sache.
Münchener Freiheit: Schätze mal, ein Schlager-Fan werde ich in diesem Leben nicht mehr. Kann allerdings nicht bestreiten, daß einen da manchmal so eine Assoziation an das ein oder andere Tony Banks-Thema anweht. Was immer das jetzt heißt.
Offspring: Hör doch mal bei Social Distortion rein, das sind sozusagen die Väter.
Social D. live 2003
Smetana: Wunderschönes Thema. Außer Konkurrenz.
Silly: Ach ja, Mauerstadt '83 mal von der anderen Seite, NDW-Zeitgeist, Ideal ließ grüßen, (die hatten sich da allerdings, glaube ich, schon aufgelöst). Die LP war durchwachsen, der Sound eher dürftig, eben 80er, aber auf diese Nummer laß ich nix kommen. Die heimliche Berlin-Hymne. Wundert mich schon immer, daß das hier nicht täglich im Radio läuft. "Laß sie ruh'n, die Väter dieser Stadt, die sind so tot seit Deutschlands Himmelfahrt - die Mütter dieser Stadt ham den Berg ZUSAMMGEKARRT!" Großartige Zeile!
Mit dem Klassik-Arrangement kann ich jetzt nicht so viel anfangen, das hat mit dem rotzigen Charme des Originals nichts mehr zu tun, aber Anna Loos singt auch nicht schlechter als die Danz.
@ amarok:
Bei dem nickname keinen Odfield im Gepäck – wie kommt's?
Zappa: Witzigerweise hat King Canute den selben Song ausgewählt. Insofern bemerkenswert, da soo viel Zappa hier bisher nicht vorkam und sein Oevre ja nicht gerade schmal ist.
Van Morrison: Wird immer gerne gehört, aber dieser Song muß wohl stets ein bißchen untergegangen sein. Zu Unrecht. Unauffällig, aber sehr stimmungsvoll.
David Byrne in der Hochkultur, und kurz danach beim Kollegen mit einem frühen Talking Heads–Feger - größer könnte der Kontrast kaum sein. Sehr erhaben. Singt er das selbst? Hätte ich nicht erkannt.
Jeff Buckley: Betörender Song. Ich weiß nicht, welche Version gemeint ist, ein "Original" ist mir gar nicht bekannt, dafür diverse Live-Fassungen. Meine Lieblingsversion ist das Anhängsel der "Live at L'Olympia", ein denkwürdiges Qawwali-Duell des großen Nusrat-Fans gemeinsam mit Alim Qasimov.
Regina Spector: Überzeugt mich als Songwriterin nicht durchgehend, als Sängerin hingegen schon. Zielsicher den Ausnahme-Song des Albums ausgewählt. Nicht von dieser Welt, wie man so schön sagt. Halleluja.
Tori Amos: Habe ich eine Zeit lang sehr verehrt. Auf den Song wär ich allerdings nicht gekommen. Schrille Komposition, kryptischer Text. Eines der Lieder, in denen sie ihre Zuhörer doch mehr fordert als beschenkt. Das Finale hingegen mag ich schon. Was verbindest Du besonderes mit dem Stück?
Helge Schneider im Mangrovenwald - wie immer auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Verblödung. Die Katze im Weidenkörbchen mit Schultüte, in der Dünung des Baches hin und her wippernd - unfaßbar.
@ BRAIN:
Dein Eingangs-Credo finde ich sehr interessant. Mir geht das grundsätzlich anders. Ich kann aus nahezu sämtlichen Platten Teile extrahieren, genieße es aber durchaus, ein Album am Stück zu hören. Kommt etwas aus der Mode.
Zunächst mal würde ich da jeden Song abnicken, teilweise ruckartig. Und was soll man Deinen pointierten Schildchen noch hinzufügen? Du hast die Lieder wirklich sehr schön beschrieben. Deshalb nur ein paar persönliche Bröckchen:
Belle & Sebastian: Geiler Song, geiles Video.
Prefab Sprout: Die hatte ich tatsächlich ein paar Jahre lang vergessen. Schöne Erinnerung.
Neu!: Habe ich witzigerweise erst über die Briten entdeckt, die die ständig erwähnt hatten. Stimmt schon, auch Deutschland hatte mit dieser Nummer seinen Anteil an der Dämmerung des Punk. Etwa zeitgleich kam Peter Hammill mit "Nadir's Big Chance", in Amerika hatten sich die godfathers, MC5 und die Stooges, bereits wieder zerstreut.
Can: Alles was Suzuki zersungen hat, höre ich mit gebremstem Enthusiasmus, ansonsten zwingende Nummer und, glaube ich, ihr größter "Hit". Unfaßbar eigentlich, daß das im Deutschen Fernsehen Anfang der 70er Titelmelodie-tauglich war.
Van Der Graaf: Von diesem Album könnte ich nahezu jeden Song mitnehmen.
Kevin Ayers: Düster und beklemmend. Diesem Brunnen möchte man lieber nicht auf den Grund schauen.
Robert Wyatt: Aus der Enge des Schachts auf die offene See. Das Gegenstück zu Ayers entwickelt gerade zum Ende unglaubliche Kraft. Was der Mann beim Musizieren herummäandert, ist schon erstaunlich.
Danke für inspirierende Stunden mit Eurer Musik.
Was mir noch einfällt: Über die Hälfte meiner Freunde hat sich hier noch gar nicht exponiert. Höfliche Zurückhaltung ist natürlich generell eine dankenswerte Tugend, in diesem Zusammenhang aber völlig unangebracht. Zumal ich weiß, daß Ihr unglaublich viel Zeug kennt. Vielleicht macht es gerade das besonders schwierig…?