Brasilien

  • Falls euch Brasilien interressiert und/oder ihr hier auch mal Urlaub machen wollt- zum Beispiel bei der Fussball-WM 2014 oder den Olympischen Spielen 2016 in Rio-, beantworte ich euch gerne alle Fragen zum Land, Leute, Essen...etc.
    Bin ja schon 19 Jahre hier, kenne mich also aus und werde eure Fragen so gut wie möglich beantworten. Jetzt bin ich mal gespannt.

  • Mich würde prinzipiell das Leben in Südamerika interessieren. Zwar eher Argentinien, aber Brasilien wäre sicherlich auch ein guter Anfang. ;) Also, kannst du uns (oder noch wichtiger, mir) irgendwie einige Einblicke liefern? Klar, das kann man alles auch nachlesen, aber wenn mans auch aus erster Hand haben kann... ;)

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

    • Offizieller Beitrag

    Ich mach mal folgendes - kannst du meine Eindrücke bestätigen (war jetzt schon 4x in Brasilien):


    Brasilien ist ein Land der Kontraste. Da gibt es schön neben hässlich, Natur neben Industrie, Enge neben Weite und natürlich arm neben reich. Im Gegensatz zu Deutschland all das vor allem immer wieder klatsch nebeneinander.


    Die Brasilianer sind zunächst alle erst mal lieb. Freundlich und entgegenkommend bis zur Absurdität. Andererseits gibt es eine extrem hohe Kriminalitätsrate und man muß sich allgegenwärtig dagegen wappnen (zumindest sobald man hier in Deutschland auf dem Weg zum Mittelstand ist und damit für Brasilien schon wohlhabend gilt).


    Einen europäisch Lebensstandard kann man überall haben - vorrausgestzt man hat das Geld, was man auch hier dafür haben muß. Manchmal auch mehr. Andererseits sind gewisse, einfache Dinge, wie z.B. Obst spotbillig.


    Das Land ist riesig und Strecken zu bewältigen normal.

  • Mich würde prinzipiell das Leben in Südamerika interessieren. Zwar eher Argentinien, aber Brasilien wäre sicherlich auch ein guter Anfang. ;) Also, kannst du uns (oder noch wichtiger, mir) irgendwie einige Einblicke liefern? Klar, das kann man alles auch nachlesen, aber wenn mans auch aus erster Hand haben kann... ;)


    Allgemeiner hättest du die Frage kaum formulieren können;). Du beziehst dich wahrscheinlich nicht auf Urlaub, sondern auf den Alltag hier. Also, wie ist der Alltag in Rio? Sehr anders als in deutschen Städten. Wenn man hier deutsche Verhältnisse wie Ordnung, Pünktlichkeit etc anlegen will, wird einem Rio nicht gefallen. Man hat einen Job und muss normalerweise x-km bis zum Arbeitsplatz fahren. Das kostet eine Menge Zeit und Auto kannst du wegen Parkplatzproblemen gleich vergessen. Dann verballert man eine Menge Zeit in Bussen, die nicht alle Klimaanlage haben, im Sommer zum Kotzen.
    Rio ist heiss, chaotisch, dreckig und auch gewalttätig, aber die "normalen" Einwohner sind liebenswert. Richtige Freunde hier zu finden ist schwierig. Man lädt sich gegenseitig kaum in seine Wohnung ein, denn die Cariocas betrachten die Strände als ihr zweites Wohnzimmer und die Kneipen, die es wie Sand am Copacabana-Strand gibt. Aber Achtung, die Kneipen am Copacabana-oder Ipanemastrand vermeidet man, ist eher für Turisten und daher auch etwas gefährlich. Nach der Arbeit ist also meistens Kneipe und/oder Strand mit der turma=(Arbeits)clique angesagt, um über Kollegen und Chefs zu lästern. Am Wochenende dann eher Familie plus Grillen.
    Fussball und Samba oder Karneval sind natürlich immer ein Thema, worüber geredet wird. Freitags geht man normalerweise in seine Stammkneipen im selben Staddtteil, denn seit kurzem gilt hier 0,0 Promille am Steuer.
    Weiterhin zieht man teure Klamotten nicht an, und telefoniert nicht mit dem Handy auf der Strasse, könnte geklaut werden. Die Favelas sind sowieso eigentlich no-go Bereiche, obwohl da Bier oder Essen mindestens weniger als die Hälfte kosten wie sonstwo. Rio, eine schön-schaurige und interressante Stadt mit den schönsten Landschaften, aber auch ziemlichen Elend.


  • Wo warst du denn hier? Hat es dir gefallen?
    Ja, Brasilien ist ein Land extremer Kontraste. Und das liegt daran, dass der Mindestlohn hier etwa 300 Euro beträgt, und etwa 70% der Gesamtbevölkerung das verdienen oder sogar weniger:mad:, während Politiker und Chefs wichtiger Firmen sich mit Korruption dumm und dämlich verdienen, aber nie einer Rechenschaft ablegen muss. In einer guten Pizzaria kann eine Pizza zwischen 15 und 20 Euro kosten:augenrollen:. Die hohe Kriminalitätsrate hängt natürlich teilweise mit der Lohnpolitik zusammen. Brasilien ist kein Sozialstaat, und wer arbeitslos wird, darf dann auf der Strasse wohnen, falls er keine Hilfe von Familie oder Freunden bekommt.
    Favela und Asphalt, wie man hier so sagt, liegen in Rio wegen der Geographie dicht zusammen. Aus irgendeinem Grunde liegen die Favelas in Rio an den Hügeln, da kann man sich schon mal gegenseitig in den Kochtopf gucken. In Städten ohne Hügel liegen die Favelas in der Peripherie, zum Beispiel in Brasilia.
    Für deutsche Verhältnisse mögen Obst oder Gemüse, Reis und Bohnen spottbillig sein, aber nicht wenn du Mindestlohn verdienst und noch 3 oder mehr Kinder hast.
    Ja, normalerweise sind die Brasilianer warmherzig und aufgeschlossen, für einen reservierten Deutschen kann das schon merkwürdig sein.

    Einmal editiert, zuletzt von charles bukowski ()

  • Danke Charles, so in etwa habe ich mir das (vom Informationsgehalt her) gedacht. Überlege auch schon seit einiger Zeit Deutschland bzw. Europa zu verlassen. Keine Sorge, dein Bericht hat das weder verstärkt noch gebremst, ich wollte es nur mal aus Neugier wissen, da ich mir vorstellen kann, dass es in Brasilien zumindest doch mehr oder weniger überall recht "ähnlich" zugeht". Na ja, vielleicht sollte ich dochmal wieder ins Flugzeug klettern. :D

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

    • Offizieller Beitrag

    Wo warst du denn hier? Hat es dir gefallen?


    Ich war meistens in Sao Paulo, weil ich da Familie hab, aber auch ein wenig in Rio. Da natürlich vor allem an den Touriecken - da ich aber nicht so viel Geld verprassen wollte, auch eher wieder in den einfacheren Gegenden. Busfahen hab ich auch noch in Erinnerung. Und Rio hat auch eine U-Bahn.


    Lohnpolitik, Bildungspolitik - alles ne Spur krasser als in Deutschland.
    Mir wurde schon berichtet von recht eigentümlichen "Partizipierungsmaßnahmen" am Eigentum anderer und kreativer "Eigentumsumstrukturierungen"...




    Aus irgendeinem Grunde liegen die Favelas in Rio an den Hügeln, da kann man sich schon mal gegenseitig in den Kochtopf gucken. In Städten ohne Hügel liegen die Favelas in der Peripherie


    Ich glaube, das mit den Hügeln liegt daran, dass das die Peripherie IST. Fällt einem nur nicht so auf, weil sich Rio über diese ganzen schmalen Täler und Küstenstreifen hinzieht, und man immer das Gefühl hat, "die Favelas sind ja gleich nebenan". Aber dort, wo die in den Hängen liegen, ist es wohl zu steil für normale Bebauung.



    Um gelegentlich mal hinzufahren, mag ich Brasilien. Die Natür ist teilweise schon überwältigend! Dort leben möcht ich nicht, dafür ist mir dass zu "wackeliger Grund" überall.


    Was treibst du da so?

  • Sprichst Du inzwischen ein perfektes brasilianisches Portugiessisch?
    Und wie bist Du eigentlich dorthin gekommen? Durch Deine Frau,
    nehme ich an? Und hat man Petropolis nach dem Erdbeben
    halbwegs originalgetreu wieder aufgebaut?


  • Ich habe mit Turisten zu tun, gebe Deutschunterricht und übesetzte portugiesisch auf deutsch und umgekehrt. Du hast Familie in Sao Paulo und warst nur viermal hier? Na ja, geht mich ja auch nichts an;).
    Die Hügel in Rio sind hier eingebettet und sind nicht Peripherie. Diese fängt erst in der sogenannten Baixada de Fluminense an, also die Tiefebene ausserhalb von Rio-Stadt.
    Die Favelas nicht nur in Rio sondern in ganz Brasilien sind ein trauriges und komplexes Thema, wenn es einer wissen will, werde ich auch darüber schreiben.

  • Sprichst Du inzwischen ein perfektes brasilianisches Portugiessisch?
    Und wie bist Du eigentlich dorthin gekommen? Durch Deine Frau,
    nehme ich an? Und hat man Petropolis nach dem Erdbeben
    halbwegs originalgetreu wieder aufgebaut?


    Natürlich nicht perfekt, aber es reicht für mich um portugiesisch auf deutsch und umgekehrt zu übersetzten, wird auch anständig bezahlt. Meine jetzige Frau studierte Forst und ich Geologie in derselben Stadt. Für uns beide keine Aussicht auf einen Job in Deutschland, also bin ich eben nach Brasilien gegangen.
    Nein, es gab kein Erdbeben in Petropolis. Das waren verheerende Erdrutsche an den Hügeln nach enormen Regenfällen. Es entstand ein beträchtlicher Schaden, und jetzt bringe ich die korrupten und verschissenen Politiker hier ins Spiel. Bis heute wurde die Infrastruktur nach diesen Überschwemmungen nicht besonders verbessert. Es gab eine Menge Spenden und Geld aus Rio. Eine Menge davon wurde veruntreut:mad:
    Der Bürgermeister musste zurücktreten, aber dem wird nichts passieren:eek:.

    Einmal editiert, zuletzt von charles bukowski ()