Brasilien

  • Gerade geheiratet und wir wohnten in einem sehr schönen Haus meiner Schwiemu in Santa Teresa mit grossem Garten und einem Superblick auf die Guanabarabucht. Ich hatte nichts zu tun, denn ich musste noch auf die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung warten.
    Also entschloss sich der blauäugige Charles mal alleine etwas von Rio anzuschauen, und er sprach kein portugiesisch. Deshalb wurde er auch drei mal kurz hintereinander überfallen, und zwar immer mit Waffe.
    Jedenfalls habe ich dann auf Plätzen und Parks einen Baum gesehen, den ich sehr interressant fand, und so sieht er aus:
    [Blockierte Grafik: http://t1.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcROgv2q7AzY65oi1dca-hRv7HOkKzWlS4bQuSGiMMOTdXLth8tYeA]

    Die Frucht sieht aus wie eine Kanonenkugel, und der Baum heisst auf deutsch wirklich Kanonenkugelbaum (Wiki).
    Was macht also der Charles? Er nimmt Bus, eine grosse Tüte und ein Messer-bin nicht erwischt worden-, und schneidet eine Frucht ab.
    Im Haus der Schwiemu machen sich alle über Charles lustig:
    "Was hast du denn da?"
    "Was soll man damit anfangen, so ein Quatsch."
    "Ich fand diese Frucht faszinierend, kann man das essen?"
    Nach durchblättern einiger Wälzer über brasilianische Bäume und Früchte stellte sich heraus, dass diese Frucht nicht giftig ist.
    "Schwiemu, hast du mal eine Säge?"
    Nach dem Durchsägen hatte ich dann zwei Halbkugeln mit einer etwa 6 cm sehr harten Aussenschicht und drinnen hellgrünes Fruchtfleisch mit einer Menge kleiner brauner Samen. Wegen Oxydation wurde das Fruchtfleisch sehr schnell blassblau.
    Charles holte also einen Teelöffel und probierte mal. Das war merkwürdig. Auf einen ersten süss und gleichzeitig eher sauren Eindruck schmeckte das Zeug danach ordentlich scharf. Daraus könnte man ein interessantes Gewürz machen, oder so.

    Einmal editiert, zuletzt von charles bukowski ()

  • Zitat

    Die Favelas nicht nur in Rio sondern in ganz Brasilien sind ein trauriges und komplexes Thema, wenn es einer wissen will, werde ich auch darüber schreiben.


    Na dann erzähl, respektive schreib mal.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Na dann erzähl, respektive schreib mal.


    Favelas, also Elendsviertel, gibt es in ganz Brasilien, normalerweise in der Peripherie grosser Städte. In Rio gibt es wohl mittlerweile knapp über 1000. Es gibt zwar auch viele in der Peripherie von Rio, aber auch in der Stadt selbst-meistens an Hügeln-zwischen guten, schlechteren und noblen Stadtvierteln. Schaue ich aus meinem Wohnzimmerfenster, sehe ich in ca. 1,5 km Entfernung gleich 3 auf dem Morro dos Macacos, dem Affenhügel.
    Seit dem 01.01.2012 beträgt der gesetzliche Mindestlohn (salário mínimo) 622,00 Reais, das sind nach gestrigem Wechselkurs 258,00 Euro pro Monat. Ich schätze, dass etwa 70% der Gesamtbevölkerung zwischen 1 und 2,5 Mindestlöhnen pro Monat verdienen. Zum Vergleich:
    Wenn du dir in der noblen Südzone - Copacabana, Ipanema, Leblon, Lagoa, Botafogo - eine sagen wir 100 Quadratmeter grosse Wohnung kaufen willst, darfst du schon zwischen 250.000 und 400.000 Euro hinblättern. In der nicht so noblen Nordzone, wie zum Beispiel Tijuca, Vila Isabel, Grajaú oder Maracana auch noch so zwischen 150.000 und 250.000 Euro. Willst du diese mieten, teilst du den Kaufpreis einfach durch Hundert. Wer also bis zu 2,5 Mindestlöhnen verdient, ist schon gezwungen in der Favela zu wohnen.
    Die Häuser in den Favelas haben gewöhnlich 1 bis 3 Stockwerke und bestehen meistens aus unverputzten Ziegelsteinen, seltener aus Holzbrettern oder sogar Plastikplanen. Und alles ohne Baugenehmigung. Die Infrastruktur ist mangelhaft, obwohl die Regierung das in den letzten Jahren zu verbessern sucht. Einige Favelas haben keine Strassen, sondern nur enge Gassen, da darfst du dann deine Einkäufe hochschleppen. Bei heftigen Sommerregen stürzten schon oft Häuser durch Erdrutsche ein.
    In fast allen grösseren Favelas herrschen die Drogenhändler, die den anderen Einwohnern dort ihre Gesetze aufzwingen. Wenn du nicht spurst, kannst du bald die Radieschen von unten wachsen sehen. Ausserdem gibt es mindestens 3 unterschiedliche Drogenhändler-Fraktionen, die sich untereinander bekämpfen und versuchen, die Favela der Rivalen mit Waffengewalt zu übernehmen. So kommt es oft zu Schiessereien der Drogenhändler untereinander, aber nätürlich auch mit der Polizei. Keine Ahnung, wieviele Schusswechsel ich von meiner Wohnung schon hören musste.
    Seit letztem Jahr greift die Stadt aber durch und hat in einigen strategischen Favelas Polizei und/oder Militär installiert. Da ist es ruhig, die meisten Drogenhändler konnten aber vorher fliehen. Und so verlagert sich die Gewalt mehr in die Aussenbezirke.
    Bin mir noch nicht im Klaren, ob die Stadt die Besetzung dieser erwähnten Favelas durch Militär/Polizei nur wegen der Fussball-WM und den Olympischen Spielen durchgezogen hat, oder nicht. Wenn die danach abziehen, kostet ja auch einiges, heisst es wieder: business as usual.

  • Habe kürzlich mal im WDR, ein Feature zum Thema "Wirtschaftsboom" in Brasilien gehört:
    Dass, seit dort "die Tore" für ausländische Investoren geöffnet wurden, die Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit "explosionsartig" gewachsen sei.
    V.a. ist da wohl (mal wieder) die sog. Erdölproduzierende Industrie vor Ort "dick-im-Geschäft".

    Natürlich wurde dabei auch klargestellt auch, wer davon in erster Linie profitiert und dass Skeptiker glauben, in Brasilien würde sich gerade eine weitere "Finanzblase" ausdehnen (und womöglich bald "platzen"...)?!


    Und noch was anderes: Was ist eigendlich aus den Geschichten von den Strassenkindern geworden, die dort (weiss nicht mehr genau, ob in Rio selber?) all-nächtlich, zuhauf erschossen worden sein sollen?! :eek:
    Da hab ich (hier in den Medien) auch schon länger nichts mehr von gehört... :gruebel:

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  • Schaue ich aus meinem Wohnzimmerfenster, sehe ich in ca. 1,5 km Entfernung gleich 3 auf dem Morro dos Macacos, dem Affenhügel.


    Mit diesen Angaben wisst ihr dann in etwa, wo ich in Rio wohne:cool: Google Earth.

    Willst du diese mieten, teilst du den Kaufpreis einfach durch Hundert


    Da ist mir ein Fehler unterlaufen. War zu schlampig beim Durchlesen. Richtig ist:
    Willst du diese mieten, teist du den Kaufpreis einfach durch Hundert, und hast den Mietpreis in Reais.



  • Der Wirtschaftsboom hat hier schon nachgelassen. Bestimmte Steuern auf Kühlschränke, Elektroherde oder Waschmaschinen wurden ausgesetzt um die Wirtschaft anzukurbeln. Die erdölproduzierende Industrie hier ist ein anderes Kapitel. Die normale Bevölkerung profitiert nicht davon. Im Gegenteil, Benzin an den Tankstellen ist sauteuer, wenn man die Kaufkraft zu Grunde legt. Die grösste Blase hier ist der Immobilienmarkt. Mittlerweile kosten Appartments in Nobelgegenden hier mehr, als vergleichbare in London, New York, Paris oder Tokio. Und da wären wir wieder beim Thema Favelas.
    Du meinst wahrscheinlich den Mord von Polizisten an mehreren Strassenkindern, nahe der Kirche Candelaria in den neunziger Jahren. Kurz hinter der Kreuzung Avenida Presidente Vargas und Avenida Rio Branco. Google Earth.
    Es gab zumindestens einen schwer verletzten Überlebenden, den die Stadt Rio in die Schweiz schickte, um ihn medizinisch behandeln zu lassen und auch weil er in Lebensgefahr war, er konnte einige Bullen erkennen und beschreiben. Leg dich hier mit den Bullen an, und du bist gevögelt, oder du kannst einiges Schmiergeld zahlen.
    Mehrere beteiligte Bullen wurden angeklagt und natürlich freigesprochen.:mad: Dabei wusste jeder, dass die Bullen die ermordet haben. Motiv: Einige Stunden vorher haben die Strassenkinder bei einer Durchsuchung die beteiligten Bullen Arschlöcher (babacas), korrupte Schweine (corruptos imundos) und Hurensöhne (filhos da puta) genannt.
    Die Bullen sind noch immer im Dienst, was aus den überlebenden Strassenkindern geworden ist weiss ich nicht.

  • Musste mir gerade einen neuen Kühlschrank und eine neue Waschmaschine kaufen.
    Kühlschrank etwa 430 Liter, frost free und nicht zuviel elektronischen Schicki-Micki, etwa 1050 Euro.
    Waschmaschine 9kg, aber ohne Heisswaschprogramme, benutzt man hier normalerweise nicht: 390 Euro.
    Was kostet der Spass in Germanien?

  • Auf ARTE lief gerade nochmal eine Doku über die Bahia und deren Hauptstadt.
    Sehr informativ, da mich diese Region schon in früheren Zeiten besonders fasziniert hat.
    Ursprünglich eine Bucht in die Sklaven- v.a. aus der angolanischen Region- von den portugiesischen "Eroberern" entführt wurden.
    Insbesondere den- aufgrund der afrikanische Einflüsse entstandenen- religiösen Synkretismus fand ich interessant. Die afrikanischen Wurzeln des Grossteils der heutigen Bevölkerung scheinen hier nachwievor zu dominieren und drücken sich u.a. in der regionalen Küche, sowie z.B. einem speziellen "Kampf-Tanz"- dem Capoeira- aus:

    Küche


    Bahias Küche zeigt deutlich kreolische bzw. afrikanische Einflüsse. Zu ihren Grundzutaten gehören das Öl der Dendê-Palme, Kokosmilch, Garnelen und Muscheln, Gewürze der Region wie Pfeffer und grüner Koriander. Zu den typischen Gerichten gehören:

    • Vatapá: eine Art Püree, aus getrockneten und frischen Krabben und kleinen Fischstücken gekocht. Weitere Zutaten sind Cashewnüsse, Erdnüsse, Zwiebeln, frischer Koriander, frische Ingwerwurzel, Palmöl, Bohnen und Kokosmilch. Das Gericht wird mit einem Brei aus Reismehl und Kokosmilch serviert und mit Pfeffer nach Geschmack abgerundet.
    • Moqueca: ein Eintopf aus Fisch (de peixe), Tintenfisch (de lula) oder Trockenfisch (de bacalhau) und Kokosmilch, Palmöl, Koriander, Petersilie, Tomaten, rotem Paprika, Knoblauch und Zwiebeln. Dazu werden Reis und Pimenta, eine scharfe Würzsauce, gereicht.
    • Acarajé: ein Bällchen aus Bohnenmus der Augenbohne und Krabben, wird in heißem Palmöl fritiert. In Salvador an fast jeder Straßenecke zu bekommen.
    • Sarapatel: Zu frischem Blut werden Leber und Herz vom Schwein oder Hammel gegart. Weiterhin gehören in das Sarapatel Tomaten, Paprika und Zwiebeln.
    • Carurú: Krabben werden kombiniert mit einer scharfen Soße aus rotem Pfeffer und Okra.
    • Churrasco: neben der Feijoada das Lieblingsgericht der Brasilianer, nicht nur in Bahia. Rind- und andere Fleischstücke oder sogar ein ganzer Ochse werden am Spieß über einem offenen Kohlefeuer gegrillt. Dazu wird ein Art Vinaigrette mit vielen kleingeschnittenen Tomaten und Zwiebeln sowie Reis und Bohnen gereicht.


    Capoeira- Auch die Capoeira ist ein Erbe der Sklavenzeit, und Salvador gilt als das Zentrum dieses Kampf(tanz)sports.

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    5 Mal editiert, zuletzt von RiverOfChange65 ()


  • Ich lese, du hast deine Hausaufgaben gemacht:topp: Wenn gewünscht poste ich mal Originalrezepte davon im Kochthread und ihr könnt das dann nachkochen....:topp:

    Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel

    Charles Bukowski

  • Charlie zu Ehren möchte hier auf einen kleinen Ort vor den Toren Berlins, im Kreis Potsdam hinweisen - Sacrow. Wunderschön gelegen mit dem Sacrower See im Osten und der Havel im Westen. In diesem Dörfchen gibt es ein Schloss, dass durch neue Eigentümer aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist. Es gibt nun einen Kulturverein, der Ausstellungen, Lesungen und Konzerte organisiert. Diesem Verein ist es gelungen, ein Stück Brasilien ins Brandenburgische zu holen: In der Ausstellung "Interaktion" werden Werke brasilianischer Künstler gezeigt, leider keine von Kim Poor (seufz).
    Hier zum gucken: Startseite - Ars Sacrow.
    Wer Lust hat die Ausstellung zu besuchen, kann das gerne mit einem Aufenthalt bei chandelier zu verbinden.
    Zeit ist bis Anfang Oktober, immer Sbd u. So.