For Absent Friends...

  • Der britische Radiomoderator John Peel starb gestern im Alter von 65 Jahren bei einem Urlaub in Peru an einer Herzattacke. Es ist das Ende einer Ära.


    Es gab keinen anderen Menschen, der die Europäische Rockmusik stärker und nachhaltiger beeinflußt hat als John Peel.
    Nachdem er Mitte der '60er zum Underground-Kultmoderator der Piratensender (auf Schiffen vor der britischen Küste) wurde, faßte die konservative BBC einmal in ihrem Leben wirklich Mut und engagierte Peel nach der Schließung seines Senders für ihr Hauptradioprogramm BBC Radio1 - mit weitreichender Freiheit in seiner Gestaltung.


    Er nutzte die Gelegenheit und wurde fast 40 Jahre lang zum Motor der kreativen Entwicklung der gesamten Rockmusik. Mit unglaublicher und fast fanatischer Besessenheit war er sein Leben lang auf der Suche nach Innovation, Kreativität, Originalität und künstlerischer Kraft.


    Dabei war es ihm vollkommen Wurscht, was gerade angesagt war, ob jemand einen Namen hatte oder nicht, ob Platten bei der Industrie herauskamen oder mit dem Waffeleisen im Hinterhof gepreßt wurden - wenn ihn ein Titel faszinierte, dann spielte er ihn, und Basta.


    Zur Legende wurden die "Peel Sessions" - Sets von 3-4 Nummern, die Bands speziell für seine Show innerhalb weniger Stunden in einem BBC Studio runterklopften, meistens unveröffentlichte Songs, die gerade erst im Entstehen waren. Viele Bands machte er über seine Sessions landesweit zu Stars, bevor sie auch nur eine Platte herausgebracht hatten - und eine Peel Session spielen zu dürfen, war mehr wert als ein kompletter Plattenvertrag.


    Genesis Fans ist er von den frühen Sessions auf der Archive #1 bekannt, denn auch die frühen Prog Bands fanden durch ihn als erstes den Weg in das nationale Radio - der Progressive Rock faszinierte ihn bei der Entstehung so sehr wie alle späteren Erdbeben, vom Punk bis zum HipHop.


    Seine stetige Suche nach neuer Kreativität brachte ihm natürlich zwangsläufig auch Kritik ein - speziell die Prog Szene hat ihm nie verziehen, daß er Mitte der '70er zum Radiopionier des Punks und der folgenden Independent Revolution wurde und er die - inzwischen lange etablierten - alten Helden nicht mehr spielte.


    Dabei ist er sich einfach nur selbst treu geblieben, er interessierte sich Zeit seines Lebens für den kreativen Funken im Entstehen, während ihn die blanke Ausführung einer Formel, sobald sie mal fest stand, einfach weniger reizte.


    Seine Suche nach diesem Funken brachte ihm die wahrscheinlich weltweit größte private Plattensammlung mit hunderttausenden LPs, CDs, Singles und Tapes ein - der größte Teil obskur und, Stück für Stück, einmalig und einzigartig.
    Mehrere Generationen wuchsen mit seiner Sammlung auf, die er abendlich mit den BBC Hörern aller Welt teilte - es wird für ihn keinen Ersatz geben.


    Wo immer er jetzt sein mag, er wird die Musik sammeln, die er hört - und falls es kein Radio gibt, dann besorgt er sich irgendwo einen Sender und eine Batterie und geht ON THE AIR...


    Machs gut, John, und danke für die vielen tollen Jahre.

    "If it's worth doing, it's worth overdoing!" (THE DEEP FREEZE MICE)

  • Habe vor kurzem erst in der Reihe Pop/obsession einige Interviewteile mit Robert Moog gesehen und fand ihn - neben dem Respekt vor seiner Pionierarbeit - sehr symphatisch und bodenständig.
    Eigentlich müssten sie alle zu seiner Beerdigung kommen. Allen voran Keith Emerson und Manfred Mann!

    That's all folks!

  • und Wendy Carlos


    ich fand peinlich, dass in der HAZ nen riesen Artikel über Sarah & Marc kam (wenn auch mit fiesem Unterton) und kein Wort von Moog kam. Ok, JErry Goldsmith wurde ja damals auch nicht erwähnt.

    mirror, mirror on the wall - who in this land is
    fairest of all?

  • Machs gut, Erfinder des Instruments, was über Rick Wright einen der niedlichsten und melancholischsten Sounds macht...nämlich der von mir liebevoll "Gespenstertrompete" genannte Sound von dem Schlußsolo aus "Shine on your crazy diamonds"....


    (wäre doch fast ein passendes Abschiedsstück...auch wenn's eigentlich an Syd gerichtet war....)


    grüss all die toten Rockstars von uns Fans...

    GIANT HOGWEED LIVES

  • Sonntag Nacht starb in New York (nach einem Konzert in der Knitting Factory) Nikki Sudden im Alter von 49 Jahren. Es gibt noch keine Einzelheiten über die Todesursache.


    Nikki Sudden, mit bürgerlichen Namen Adrian Nicholas Godfrey, begründete zusammen mit seinem Bruder Epic Soundtracks (Kevin Paul Godfrey, 1997 verstorben) 1972 die legendäre Band Swell Maps, die (wie viele andere Bands der Ära) erst Ende des Jahrzehnts während der Punk Revolution in die Öffentlichkeit traten. Ich selbst war Fan dieser zweiten Stunde, als mir 1977 ihre Debütsingle "Read About Seymour" in die Hände fiel, eine der definitiven Punk-Singles, die in 30 Jahren nichts von ihrer apokalyptischen Wucht verloren hat. Mit den folgenden schwer experimentellen Singles und Alben wurden die Swell Maps (beeinflußt von einer bizarren Mischung von Vorbildern, von T.Rex bis Can) zu einem Prototyp der explodierenden Kreativität, die durch Punk gezündet worden war. Im Prog-Lager dürften sie weder als Band noch später Solo jemals Blumentöpfe gewonnen haben, aber auf sie paßt das berühmte Zitat von Brian Eno über die Velvet Underground: "Die Platten haben nur ein paar Hundert Leute gekauft, aber fast jeder hat danach eine Band gegründet". Oder ein Label, einen Plattenladen oder wenigstens ein Fanzine...


    Nach dem Ende der Swell Maps begann Nikki Sudden eine lange Solo-Karriere, am bekanntesten ist seine Zusammenarbeit mit Dave Kusworth als The Jacobites, ihre ersten beiden Alben "Jacobites" und "Robespierre's Velvet Basement" sind zeitlose Klassiker. Sein Solo-Werk ist massiv von den 60s und frühen 70s beeinflußt, aus denen er eine sehr persönliche Legierung von Marc Bolan über die Stones und Faces bis zu Johnny Thunders verschmolz - und das Publikum mit seinem Stil und seiner brüchig schrägen Stimme polarisierte, man liebte ihn oder man haßte ihn.


    Aus welchen Gründen auch immer hatte er seine größten Erfolge in der deutschen Undergroundszene, und er lebte viele Jahre in Hamburg und Berlin. Ich habe ihn, leider, nicht allzu oft getroffen, aber die wenigen Male war er privat der Mensch wie auf der Bühne - der letzte glorreiche Bandit aus vergangenen Zeiten, der nichts als Musik spielen wollte. Nur ein einziges Beispiel - als ich für eine Charity Compilation (durchaus etwas eigennützig in der Auswahl) Leute zusammensuchte, die mir selbst etwas bedeuten, und zaghaft bei ihm anklopfte, griff er stande pede zur Gitarre und spielte Tags drauf ein Extra-Stück ein, eine Live-Aufnahme hätte völlig genügt, aber ihm war nach einem neuen Lied. Das hat er dann später zwar noch x-mal anders eingespielt, aber die erste Aufnahme blieb exklusiv...


    Es sind jetzt schon eine ganze Reihe meiner Helden gegangen, aber dieses Mal spüre ich den Einschlag ziemlich persönlich. Danke Nikki, für verdammt viele gute Platten und verdammt viele gute Konzerte.


    Ruhe in Frieden.

    "If it's worth doing, it's worth overdoing!" (THE DEEP FREEZE MICE)