Eigentlich wollte ich den Thread zuerst "4 heiße Mädels und ihr wilder Ritt durch die Musiklandschaft" nennen, aber ... nee, das geht ja gar nicht. Sind ja altersmäßig nun doch eher Damen, zwei davon sogar schon stolze Mütter. Und dann immer diese sexistische Herangehensweise. Müssen Frauen, die Musik machen, eigentlich gut aussehen? Nö!
Aber wenn, dann isses doch auch nicht schlimm, oder?:p
Also, beginnen wir doch mal von vorne. Aber wo? Vielleicht so:
Katzenjammer for Beginners
Nun gut, also Katzenjammer sind 4 Frauen aus Norwegen, die nun seit 10 Jahren zusammen Musik machen. Ihre Musik ist in aller Kürze:
- eklektisch und originell
- akustisch und handgemacht
- temperamentvoll und tanzbar
Der Grund für diesen Thread ist eigentlich der, dass ich heute morgen beim Hören des neuen Albums ausgelassen durch die Küche tanzte. Dazu muss man wissen, dass dies nicht so oft vorkommt, weil die Küche ein großes Fenster hat, von dem man von draußen ziemlich gut hineinschauen kann. In diesem Moment war mir das zwar nicht egal, aber ich konnte nicht anders. Und damit kommen wir gleich zu Regel Nummer Eins:
Besser als ein Album von Katzenjammer ist nur ein Konzert von Katzenjammer!
Ehrlich Leute, wenn ihr mal die Chance darauf habt, kann ich euch ein Konzert dieser Band nur wärmstens empfehlen. 90 Minuten Party pur! Fantastische Stimmung! Von der Lautstärke her angenehm. Und vor allem endlich eine "Tanzmusik" für alle, die das Zeug, was normalerweise in der Disco läuft, schrecklich finden.
Aber kommen wir zurück zur Musik und dann vor allem zum aktuellen Album "Rockland". Wer die Musik von Katzenjammer zum ersten Mal hört, wird Probleme haben, sie einem Stil zuzuordnen. Mal klingen sie nach Folk, Country oder Jazz, dann nach Polka, Blues, Seemannsliedern oder Zirkusmusik. Und ne ordentliche Prise Pop ist natürlich auch mit drin. Elektrische Instrumente sind die klare Ausnahme, dafür gibt es eine unglaubliche Vielfalt von akustischen Saiten-, Tasten-, Blas- und Schlaginstrumenten zu hören, z.B. Banjo, Toy Piano, Bass Balalaika, Mandoline, Trompete, Waschbrett, Ukulele, Glockenspiel, Akkordeon, Mundharmonika usw.
Das alles - man höre und staune - spielen die Damen selbst. Dazu gibt es tollen, oft auch mehrstimmigen Gesang, eingängige Melodien und auch textlich die eine oder andere Extravaganz: Oder hat schon jemand vorher mal ein Backrezept vertont?
Wer mal testen will, wie das Ganze klingt / ausschaut, findet bei youtube viele Songs ihrer Live-DVD.
Meine Aufmerksamkeit gilt heute vor allem dem neuen Album. Fast vier Jahre haben sie sich dafür Zeit gelassen. Natürlich klingen Katzenjammer anno 2015 anders als auf ihrem Debut. Und natürlich wird es auch wieder Fans geben, die sagen: Das ist nicht mehr so gut wie früher, da fehlt die Wildheit und Verrücktheit.
Ich würde sagen: Das neue Album ist nicht schlechter, sondern nur anders. Katzenjammer haben ihren Stil behutsam weiter entwickelt. Die größte Neuerung ist die Tatsache, dass sie auf diesem Album erstmals die Hauptverantwortlichen in Sachen Songwriting sind. Und, um es mit den Worten von Wowi zu sagen, das ist auch gut so!
Opener des Albums ist OLD DE SPAIN. Schon das erste Banjo-Motiv weist uns den Weg. Der führt Richtung Westen, irgendwo dahin, wo einst Johnny Cash klampfte und Tarrantino noch immer gerne seine Filme ansiedelt. Der stampfende Beat und der Wechselbass begleiten uns bei unserem Ritt durch die Prärie, und natürlich ist dies ein Song, den man schon nach wenigen Takten mitsingen kann. "Burn, burn, burn, burn, burn". Yeah!
CURRACEOUS NEEDS bleibt im Country-Folk-Genre, zieht das Tempo aber mächtig an. Auch dieser Song ist einfach gestrickt, und die Gitarren- und Banjo-Licks bohren sich sofort ins Ohr. Die Besen bearbeiten die Snare und werden im Refrain durch Handclaps unterstützt. Wer jetzt noch nicht mitwippt, muss wohl taub sein.
Dann kommt der erste Song, der Katzenjammer von einer radikal neuen Seite zeigt. Bei OH MY GOD flirtet die Band mit HipHop und schwarzem R'n'B. Der Gesang greift die hier typischen Betonungen und Phrasierungen auf. Trotzdem stellen Katzenjammer dieses Genre auf den Kopf, denn alle Beats/Sounds stammen weiter aus der handgemachten Schublade. Eine weitere Neuerung fällt auf: Die Band setzt verstärkt auf einen E-Bass (vielleicht das einzige elektrische Instrument). Das verleiht dem Groove mehr Wumms als die Bass Balaleika.
Es folgt mit LADY GREY die erste Single. Eine Art folkiger Popsong und ein brillanter Ohrwurm. Bleibt nur zu hoffen, dass man ihn mal häufiger im Radio hört. Als Single mit Abstand auf jeden Fall die beste Wahl. Der Song hat übrigens einen schönen Text, aber leider fehlen die kompletten Texte im Booklet. Diese Rüge richten wir aber an die Plattenfirma.
MY OWN TUNE ist - wie sollte es auch anders sein - wieder ein äußerst tanzbarer und eingängiger Stampfer. Zweistimmer Gesang, und dann gibt es wieder eine Premiere, genauer gesagt zwei: Katzenjammer rappen!! Und zwar auf Norwegisch!!! Mehr kann ich dazu nicht schreiben, man muss das gehört haben. Klingt lustig, aber vor allem auch selbstbewusst und authentisch.
Es folgt mein Lieblingssong. Der, zu dem ich durch die Küche tanzte. SHINE LIKE NEON RAYS ist auch eine Erweiterung der Katzenjammerschen Stilpalette. Das ist bester Indie-Pop, irgendwo zwischen The Cure und Coldplay (als diese noch gut waren). Richtig, richtig, geil! Hier sticht auch das Schlagzeug hervor, und ich muss sagen, dass die Band gerade mit Blick auf die Rhythmusgruppe im Vergleich zu den früheren Alben enorm zugelegt hat. Das groovt einfach herrlich. Singen tun ja alle vier hervorragend, aber der Gesang von Solveig hier, diese Mischung aus melodiösem Gefühl und energetischem "Geschrei" ist für mich eine stimmliche Glanzleistung. Wer jetzt Katzenjammer noch vorwirft, sie wären geglättet, muss mal dringend zum Ohrenarzt.
Zeit, dass das Tempo mal ein wenig zurückgefahren wird. Es folgt mit DRIVING AFTER YOU eine Art Blues. Hier hört man zum ersten Mal das Klavier in einer tragenden Rolle.
Schöner Kontrast, bei dem die Prog-Fans übrigens ein paar Taktwechsel verfolgen können. Hier gibt's auch ein paar schöne dynamische Kontraste.
FLASH IN THE DARK könnte die nächste Single werden. Sagte ich schon, dass es sich hierbei spätestens im Refrain um einen Ohrwurm handelt. Stilistisch ist das schon fast reinrassiger Pop, aber im Katzenjammer-Arrangement.
Wer so viel eingängigen Pop fabriziert, läuft natürlich Gefahr, vielleicht mal unabsichtlich einen Klassiker zu zitieren. Und so finden wir in der Strophe von MY DEAR vier Takte, die melodisch und harmonisch doch stark einen auf Elvis machen ("Always on my mind"). Aber ich möchte hier niemandem bewussten Diebstahl vorwerfen. Das musikalische Inventar der Popmusik ist nun einmal begrenzt. Außerdem hätte dem King dieser Song sicherlich gefallen. Ach ja, MY DEAR könnte natürlich auch ne Single werden. Weil Ohrwurm und so...
Um die Gefälligkeit nicht überzustrapazieren kommt mit BAD GIRL als vorletztes Stück wieder etwas mit ein bisschen mehr Schmutz und Kanten. Ganz toller mehrstimmiger Gesang und sogar eine Prise Rock zum Mitbangen. Solveig Heilo bietet wieder alles auf, was ihre Stimme zu leisten vermag. Sollten Katzenjammer irgendwann Geschichte sein, freue ich mich auf ein Soloalbum dieser Dame.
Das Finale gehört dem Titelsong ROCKLAND. Und da haben wir dann auch die offensichtlichste Ballade. Ganz starke Komposition (nein, ich nehme das Wort "Ohrwurm" jetzt nicht noch einmal in den Mund...) und ein wunderbares Ende dieses tollen Albums.
Ob das jetzt das beste Katzenjammer-Album ist, muss jeder für sich beurteilen.
Es ist in jedem Fall ein sehr gutes, äußerst abwechslungsreiches, und man darf schon gespannt sein, wie die neuen Songs live präsentiert werden.
Last but not least: Prog-Fans finden hier zwar keinen Prog, aber eine schöne Entspannung für die Ohren. Das Album strahlt ganz viel positive Energie aus, und davon können wir alle in dieser Zeit doch gar nicht genug haben, oder?