So, ich habe mich nun auch mit dem Album beschäftigt, besitze auch die Blu-ray
Meine Gedankenwelt:
Luminol
Bei den ersten Klängen hab ich das Gefühl, es läuft ein Demo von Darktown. Die Drums klingen schlimm, der Bass klinisch. Es folgt ein flottes musikalisches Umhergerenne, bei dem man nur 2 Chancen hat. Man muss es toll finden oder man wird nicht ansatzweise rausfinden, was daran toll sein soll. Die Instrumentierung wirkt seltsam phasig, als sei alles nur für sich eingespielt und über den Gesamtsound hat sich keiner Gedanken gemacht. Das überwiegend instrumentale Stück versucht mit SPielfreude und verschrobenen Rhythmen zu punkten, aber es ersäuft sprichwörtlich im eigenen Saft. Die Phase ab ca 4 min gibt es tonnenweise auf anderen Prog-Alben. Bei 4:30 ist das Stück eigentlich zu Ende, was danach kommt, hat ja nicht mehr viel damit gemeinsam. Vielleicht hätten es 8 Minuten auch getan. Ohne die ersten 4.
Drive Home
Das könnte ein schönes Stück sein. Aber wenn man absolut nicht singen kann und - anders als vergleichbare Leute wie Knopfler dann auch keinerlei Charisma in der Stimme hat - dann sollte man das andere machen lassen …
Der Song jedenfalls ist schon recht ordentlich mit einem schönen Gitarrensolo ab 5:10
Pin Drop
Das kommt ganz ordentlich rüber. Ist aber auch nur Rock mit klassischen Prog-Elementen.
Holy Drinker
Das Intro ist komplett belanglos und es ist ein komisches Gedudel, besser wird es dann, wenn Gitarren einsetzen. Dann aber gibt es wieder keine zusammenhängende Substanz, eher Stückwerk aus dem Prog-Baukasten. Hier fehlt die melodiöse Genialität eines Steve Hackett, der das bei seinen allermeisten Stücken deutlich besser hinbekommt.
Es wirkt zwar eher jazzig und nicht proggig. Aber das ist nicht Wilsons Welt. Das soll er mal anderen überlassen, die können das deutlich besser. Die Gesangslinie bzw die Melodiestruktur ist bestenfalls Mittelmaß, für einen "Klassiker", wie das Album hier oft genannt wird, ist das viel zu wenig.
Interessante ist die Idee, das Saxofon so schleichend einzusetzen, dass man's kaum merkt. Hier erzielt er mal einen Effekt. Aber das hat mich bei dem anderen Wilson mehr geflasht, als plötzlich ein Saxofon zu hören war. Das Instrument mag ich irgendwie
The Watchmaker.
Das ist also wie Genesis, eine Homage oder sowas? Ich weiß nicht, ob ich irgendwas brauche, was wie Genesis ist. Das gibt es auch nicht. Alle Versuche, das zu kopieren, sind immer kläglich gescheitert. Sagen wir also einfach, das Stück ist eine Art Zeitreise in den tradiotionellen, akustisch geprägten Prog.
Nur viel aufregendes passiert nicht. Es ist größtenteils gefällig, aber nicht stark. Vor allem bei 9.45 - das ist das beste Beispiel für "geht gar nich". Die kopierte Songstruktur von The Musical Box ist schon ziemlich grenzwertig.
Raven
Gefällt mir in seiner Gesamtkonzeption am besten. Es gibt einen roten Faden, das Stück baut sich auf, entwickelt sich und setzt einen gelungenen Schlusspunkt.
Fazit:
Wir haben hier also ein Soloalbum eines Musikers einer einst respektablen Prog-Band. In Absentia dürfte das Highlight dieser Band gewesen sein. The Raven hat wenig Weiterentwicklung und noch weniger Neues. Handwerklich ist es nicht schlecht gemacht, es hab aber wenig nachhaltige Substanz, weil die ganz große Idee fehlt und es verliert sich viel zu oft im Prog-Baukasten seines Erschaffers. Der Sound des Albums ist vergleichsweise kalt und klingt einfach nicht gut. Das wiederum passt zum Gesang, der zur eher klinischen Atmosphäre ungemein negativ beiträgt. Viel hätte er wohl mit dem Gesang rausreißen können - wenn er jemanden hätte singen lassen, der das kann und vor allem Ausdrucksstärke hat.
Man kann sicher froh sein, dass hier mal jemand sich nicht konsequent an das Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Brücke, Refrain, Refrain Schema hält. Aber das Album hält am Ende nur Beweis dafür parat, dass auch die Ideen im progressiven Bereich endlich sind, wenn man es nicht versteht, Instrumente, Struktur und Melodie als eins zu verstehen, die großen Momente im Keim erstickt und es schlicht an der ganz großen Inszenierung fehlt.
5.1
Der Surround Mix ist durchaus interessant. So richtig Freude habe ich daran wegen des eher kühlen Grund-Sounds aber nicht. Die ganze Facetten des Surround kann man kaum in 3-4 Sätzen darlegen. Da wurde auf jeden Fall viel Arbeit reingesteckt.