Beiträge von tommy3012

    MARILLION lernte ich so ca. im Sommer 1984 kennen, als mir zu Beginn meiner Ausbildung ein Kollege eine LP mit dem seltsamen Titel Script For A Jester's Tear unter die Nase hielt und mir das als das wahrscheinlich Größte seit Erfindung des Rades anpreisen wollte. "Wird dir als Genesis-Fan sicherlich gefallen!", rief er mir noch hinterher. In der Tat klang es streckenweise nach den Altmeistern aus Surrey, aber irgendwie verkrampfter und gewollter, was nicht nur an dem Drummer lag, der es in Sachen Lockerheit und Lässigkeit keinesfalls mit einem Phil Collins aufnehmen konnte. Auch wenn mir die Songs an sich stellenweise gefielen, trotzdem hatte ich einen kratzenden Gedanken im Hinterkopf, ob man das als Genesis-Fan wirklich braucht.
    Wie dieses Album und auch der damals aktuelle Nachfolger Fugazi trotzdem den Weg in mein Plattenregal fanden, kann ich mir heute nicht mehr erklären. Wahrscheinlich hatte ich im Laden nach anderen Alben gesucht, die sie gerade nicht vorrätig hatten. Auch bei Fugazi hatte ich zwar nicht mehr so wie beim Vorgänger, aber trotzdem stellenweise das gefühl "naja, doch ein wenig bei Genesis abgekupfert". Beim Titelsong stand wohl sehr offensichtlich der Titelsong von Abacab Pate und der schottische Sänger mit dem Namen Derek Dick und dem noch seltsameren Pseudonym "Fish" hatte sich inzwischen gesanglich noch mehr von Peter Gabriel's typischen wütender-Giftzwerg-Ausbrüchen inspirieren lassen. Immerhin: Zugute war ihnen zu halten, dass sie nun einen deutlich fähigeren Drummer hatten.
    Nicht sehr viel Zeit verging dann bis zum Frühsommer 1985, als MARILLION mit dem Megahit Kayleigh nun auch in den Hitparaden ankamen, was natürlich für sehr viel Präsenz der Band in Radio und TV (Auftritte bei Rock am Ring, Formel 1, Peter's Pop Show, RockPop in Concert, etc.) sorgte. Irgendwas muss wohl doch an dieser Band sein, dachte ich mir und kaufte mir, diesmal aus freien Stücken, die neue LP Misplaced Childhood. Diesmal war ich sogar positiv überrascht, dass sie nun doch wieder ein bisschen eigenständiger geworden waren und es war zu dem auch ein Album, das man am Stück durchhören konnte (auf den beiden davor waren zwar gute Stücke drauf, aber eben auch zumindest von mir empfundene Lückenfüller), allerdings ist das wohl das Album von MARILLION, das ich am schwersten überbewertet finde (bitte nicht hauen). Nichtsdestotrotz entschied ich mich kurze Zeit später für einen Konzertbesuch der Band, als bekannt wurde, dass sie quasi direkt vor meiner Haustüre (Bremer Stadthalle, 19. November 1985) spielen würden. Insgesamt hat mir das Konzert gefallen, auch wenn ich heutzutage noch kaum Erinnerungen dran habe. Ich weiß auf jeden Fall noch, dass es Misplaced Childhood komplett am Stück gab, plus ein paar Zugaben (ich glaube, es waren Fugazi, Garden Party und Market Square Hero).Und ich sah Fish erstmalig auf der Bühne und merkte, dass es ihm wohl auch noch ein paar andere Elemente der Genesis-Gabriel-Ära (Schwarzlichteffekt, Verkleidungen, Masken, fluoreszierende Gesischtsschminke) sehr angetan haben müssen, und damit die ständigen Vergleiche mit Genesis wohl nicht von ungefähr kamen.
    Obwohl es ein sehr gutes Konzert (nicht mehr, nicht weniger) war, fand meine Bekanntschaft mit MARILLION hinterher ein schnelles Ende. Das letzte, was ich noch so am Rande mitbekam, waren im Radio die Singleauskopplungen des nächsten Albums Sugar Mice und Warm Wet Circles, die ich nun so gar nicht überragend fand, so dass ich mir das dazugehörige Album gar nicht erst gekauft habe. Auch Incommunicado hat mich kolossal genervt. Daher war mir die Trennung von Fish kurze Zeit später auch ziemlich egal. Seitdem hatte ich mich nun fast 30 Jahre lang nicht mehr mit der Band beschäftigt, sie waren auch eh nicht mehr so präsent, wobei ich für die frühen 90er keine Gewähr geben möchte.


    Bis vor einigen Monaten mal jemand bei einem Besuch nebenher das Album Afraid Of Sunlight im Hintergrund laufen ließ, welches mich aufhorchen ließ. Als ich hinterher fragte, wer das denn sei und mir ein Bekannter sagte, es seien MARILLION, traute ich meinen Ohren nicht: "MARILLION? Das waren doch diese Genesis-Imitate mit dem Gabriel-stimmgeklonten Hünen aus den schottischen Highlands!" "Ganz recht, Thomas! Das WAREN sie, sie sind es aber inzwischen nicht mehr. Unter Steve Hogarth, dem Fish-Nachfolger, haben sie sich völlig gewandelt und sorgen seither immer wieder für musikalische Überraschungen. Egal ob Pop, Indie oder Konzeptalbum, man weiß nie, was man bekommen wird." Durch diese Antwort doch sehr überrascht, legte ich mir besagtes Afraid Of Sunlight direkt hinterher zu, außerdem noch die Alben Season's End und Brave, die mir bei besagtem Besuch ebenfalls empfohlen wurden. Und siehe da. Peng! Zumindest diese Alben an sich gesehen haben es mir sehr sehr angetan. Mit Prog oder Genesis hat das sicherlich nur bedingt was zu tun, aber ich finde (oder vielleicht gerade deswegen), dass das alles wunderwunderschöne melancholische Songs sind. Von wem sie jetzt gesungen werden, ist mir eigentlich egal. Mr. Hogarth ist es auf jeden Fall zugute zu halten, dass er ein deutlich eigenständigerer Sänger ist als Fish. Zu diesen Songs auf diesen Alben passt er jedenfalls ausgezeichnet. Außerdem ist mir inzwischen auch bekannt, dass er Vollblutmusiker ist, wohingegen Fish doch eher Texter und Schauspieler war. Erstaunlich jedenfalls, dass es nicht MARILLION-Alben sind, auf denen der "große" Fish zu hören ist, die mich so begeistern. Ich empfinde auch Fish als gar nicht soooo großartig, in erster Linie eben wohl doch wegen seiner zu offensichtlichen Anlehung an Peter Gabriel.


    Bzgl. Afraid Of Sunlight las ich in einer Rezi der Babyblauen Seiten, man hätte hier viel von U2 "geklaut". Kann ich so nicht bestätigen, denn hätten Bono und Co. in den letzten 15 Jahren auch nur ansatzweise mal solche Musik gemacht, erschiene mir auch deren Schaffen in dieser Zeit deutlich interessanter...

    Bis zu seinen gesundheitlichen Einschnitten Ende des vergangenen Jahrzehnts spielte der gute Phil auf jeden Fall in der Top-Drummer-Liga mit Leuten wie Simon Phillips, Stewart Copeland oder Bill Bruford, also Drummern, die man nicht nur auf einen Musikstil reduzieren kann.
    Egal, ob Rock [Genesis, Robert Plant, Eric Clapton], Jazzrock [Brand X], Pop [Phil solo, Frida], RnB/Soul [Philip Bailey], Big Band [Live at Montreux, Hot Night In Paris], verspielt-folkiges [John Martyn] oder sogar Metal [Paranoid mit Ozzy Osbourne und Tommy Iommi 2002 beim Konzert am Buckingham Palace zum 50. Thronjubiläum der Queen] - Phil beherrscht diese Stile offenbar einfach so aus dem Effeff. Und mit alldem hat er auf jeden Fall ein beeindruckendes Lebenswerk hinterlassen. Muss man nicht mögen, aber man kann es durchaus anerkennen.


    EDIT: Hatte eigentlich gedacht, in einem Forum, in dem sich wohl, soweit mein Eindruck in all den Jahren, überwiegend erwachsene Menschen aufhalten, solcherlei Sätze


    Phil hat ja auch keinen Bock zum Üben, denn er glaubt, er kann heute noch alles so spielen wie vor 30 Jahren. Da hat er sich aber schwer geirrt und sich selbst gevögelt.


    nicht mehr lesen zu müssen. Aber sowas macht mich dann doch etwas betrübt.
    Aber madig machen ist ja auch immer sooo einfach. Wer kann es selbst schreiben, komponieren, spielen,...???

    WDR 2 ist von der Musikauswahl her in den 80ern steckengeblieben. (...)
    Das große Mysterium ist, dass dort manchmal irgendwelche Songs aus den 80ern laufen, die kaum einer kennt und die auch nichts Besonderes sind. Und die Hörer sind dann wahrscheinlich Ewiggestrige, die sich die alte Zeit zurückwünschen und mit der neuen Musik nicht klarkommen (wollen) - getreu dem Motto "Früher war alles besser". Das sind auch die Typen, die nach einem Konzert von Eros Ramazotti oder Rosenstolz sagen, die hätten "voll hart abgerockt". :augenrollen:


    Ähm, hallo? Immerhin befinden uns hier in einem Genesisforum. Somit charakterisiert obiges Zitat -AOR ersetzt durch Genesis, Prog oder was auch immer- auch uns. Denn wer hält denn bitteschön anno 2015 noch Trespass, Nursery Chryme oder Lamb aus (außer ein paar alten, unverbesserlichen Kiffern, die sich die letzten grauen Zellen schon 1975 totgeraucht haben?) ;)


    Alles Geschmackssache also... wie immer... :rolleyes:

    Bitte keine Rapper, keinen Pharall WIlliams, oder irgendwelche Sirenen wie Lara Fabien.


    Zu Pharrell Williams in seiner jetzigen Phase würde ich persönlich jetzt nicht nein sagen, zumal Happy ja durchaus in die Richtungen geht, die Phil ebenfalls schätzt (Soul mit ein bisschen Motown-Einschlag).


    Mit Lara Fabian hat Phil übrigens auch schon duettiert, es blieb aber bei diesem einen Song. Ist gar nicht mal so schlecht, immerhin ist Lara, obwohl sie ja eine ähnliche Stimme hat, nicht so penetrant aufgesetzt nervig wie etwa Celine oder Mariah, aber mehr davon brauche ich jetzt auch nicht unbedingt.


    https://www.youtube.com/watch?v=G36XNr870x8

    Auf Seconds Out klingt die gleiche Stelle irgendwie "verwurschtelt", als hätte Bill Bruford vergessen, was an der Stelle gespielt werden sollen. Er behauptet ja immer, er spielt nicht gerne jeden Tag das gleiche und variiert und improvisiert gerne. Ich vermute eher, dass das eine Ausrede dafür ist, dass er sich die Arrangements nicht merken konnte:teufelgrins:


    Nein, dies ist in der Tat keine Ausrede. Man muss sich nur diverse Interviews mit Jon Anderson oder Chris Squire von Yes durchlesen/anschauen, die ihrem Ärger (insbesondere Squire) dort öfters Luft machten, dass sich Bruford eben nie an die gängigen Arrangements hielt und wirklich jeden Abend anders spielte, was ihm öfters böse Blicke der anderen Yesser einbrachte. Nicht umsonst ist er dann ja nach Close To The Edge dort ausgestiegen und zu King Crimson gegangen. Und auch dort variierte und improvisierte Bill jeden Abend, als gäbe es kein Morgen mehr. Von den Crimso-Mitgliedern hingegen wurde dies anders als von Yes äußerst positiv aufgenommen, insbesondere Fripp, aber auch John Wetton und später Tony Levin betrachteten dies stets als große Herausforderung.


    Ich denke, Vergleiche zwischen Bill und Chester sind auch eher müßig, da sie beide aus völlig unterschiedlichen musikalischen Richtungen kamen und auch entsprechend unterschiedliche Einflüsse mit einbrachten (Bill sogar noch etwas mehr als Chester). Freuen wir uns doch darüber, dass sie Phil auch auf der Bühne seine Arbeit als Frontmann ermöglicht haben.

    Als Gabriel und Collins noch gemeinsam bei Genesis waren, hat Phil ja noch anders gesungen - siehe "More Fool Me"; als Collins dann Leadsänger wurde hat er sicher absichtlich etwas "rauher" und tiefer gesungen und versucht, ähnlich wie Gabriel zu klingen.


    Nu ja, ich denke nicht, dass Phil ABSICHTLICH wie Peter klingen WOLLTE. Dass seine Stimme ab ca. Duke etwas rauher klang, lag in erster Linie wohl eher daran, dass er zwischen And Then... und Duke das eine oder andere Alkoholproblem aufgrund seiner damaligen Ehekrise hatte. Ähnlich war es in den 80ern auch bei Elton John.
    Phil sagte auch mal Ende der 80er sinngemäß in einem Interview:


    "Pete und ich sangen die selben Songs. Die [stimmliche] Ähnlichkeit war aber reiner Zufall. Es war sicher nicht so, dass ich klingen wollte wie er, oder er wie ich."