Die meisten Musiker bleiben eigentlich da stehen, wo sie mit 30-40 Jahren angekommen sind. Ab dann greifen Sie "nur" auf das Potenzial zurück, was sie sich vorher angeeignet haben.
D.h., sie bringen entweder garkeine neue Musik heraus, oder veröffentlichen neue Musik, die sich auf die vorherigen Jahre bezieht.
Genauso auch die Hörer der Musik: die Musik, die sich bis ca. zum 35. Lebensjahr oder so ausbildet, wird man gerne hören, mit 60 werden nur wenige Menschen noch für neue Klänge offen sein.
Man ist zufrieden mit dem, was man vollbracht hat / kennt und ruht sich darauf aus. Phil Collins gedenkt seiner Motown-Vergangenheit, Yes bringen nur wenig neues Material heraus (das aber sich auch entweder am 70erProg oder am 80er Pop orientiert), die Rolling Stones gehen auf Greatest-Hits-Tour.
Dabei kann tolle Musik herauskommen ("Live in Gdansk" von Gilmour zum Beispiel, ein Meisterwerk, finde ich!), aber Fortschritt bringt so etwas nicht wirklich.
Und Fortschritt in der Musik beruht schließlich auf Ungestümheit und Kantigkeit, die eben meistens bei jungen Menschen vorhanden ist und im Laufe des Lebens abklingt.
Genesis ging es, meine ich, genau so. Klar, der "Abacab"-Ansatz widerspricht dem Geist des "klassischen Prog", aber in dieser Musik steckt noch Frische und Fortschritt.
Spätestens aber mit "Shapes" war dann der Rückfall eingeleitet: die typischen Rückberufungen auf die Jugend ("Home By The Sea" als Prog-Epic), gefällige Pop-Musik ohne Ecken und Kanten, ui-man kann mit Musik ja ordentliches Geld verdienen: 1983 ist also praktisch der "Schnitt", nach "Mama".
Das letzte Stück "Klassischer Prog" könnte also sogar "Fading Lights" sein, das letzte fortschrittliche Stück dann aber "Mama" mit seinen spannenden Industrial-Eskapaden.
Alles absolut nachvollziehbar und praktisch "vorprogrammiert", aber auch etwas schade - finde ich. Denn mit dem kreativen Stillstand geht auch die Freiheit verloren, die Alben wie "Trespass" so frisch klingen lässt.
Wie gesagt, es gibt tolle Pop-Songs ("That's All", z.B.) und auch tolle back-to-the-prog-roots-Stücke ("Driving the Last Spike" usw.), aber sie sind sozusagen auf persönlicher Ebene gut: für einen selbst.
Assoziiert man mit einem ätzenden Schlagerstück (nach Pavlovs Konditionierung) einen tollen Sommerurlaub, hat auch dieses Lied eine ganz wichtige persönliche Bedeutung.
Aber für die Entwicklung der Musik ist es meistens das Frühwerk einer Band, das wichtig ist und den höchsten Stellenwert hat - zur Zeit, als die Band noch weitestgehend von Konventionen befreit war.
Natürlich zählt auch der "Selektionsdruck" zu den wichtigen Faktoren von der Genesis-Entwicklung: wer als Berufsmusiker nicht mit dem Strom schwimmt, verliert.
Nett zu beobachten diesbezüglich die "Punkte-Kurve" bei den Babyblaue-Seiten beim "Rock Progressivo Italiano" (italienischer Progressive Rock): 1970 bis 1975 noch bei 11-14 Punkten, dann ganz abrupt ab 1978 der 1/2/3/4-Punkte-Bereich.
...es ist selten, dass eine ganze Musikszene von einem Jahr aufs andere genau dieselbe Kehrtwende gemacht hat und damit den selben kommerziellen (!) Misserfolg eingefahren hat, denn nur die wenigstens konnten - trotz kommerzieller Bemühungen - ironischerweise das vorherige Verkaufsniveau erreichen.
Welche Bands werden im Bezug auf italienischen Schlager als bekannte/typische Lieder genannt?
Eher nicht Banco del Mutuo Soccorso, Le Orme und PFM.