Hallo zusammen,
auch wenn ich wohl einer der ersten unter den usern dieses Forums war, der nach dem Konzert wieder zu Hause war, nämlich gegen 0h30 (perfekt: Brüsseler Metro mit Sonderzügen, wir kamen ohne jedes Gedränge in den ersten bereitstehenden Zug), so komme ich trotzdem erst jetzt dazu, meine Eindrücke loszuwerden.
Vieles was Guido geschrieben hat, hatte ich mir auch schon zurechtgelegt. Wobei ich mich als "Schattenparker" oute. Ich hatte meine Frau und meinen 15-j Sohn dabei, und da wir zudem alle drei nicht zu den Grössten gehören, wären wir im Premium-Stehbereich vor der Bühne stundenlang hoffnungslos eingekeilt und ohne Sicht gewesen - mit Ausnahme des Feuerwerks;-). So sassen wir im Trockenen, recht nah, wenn auch seitlich der Bühne, und konnten beobachten, wie sich nur langsam bis zum Konzertbeginn um 20h10 der Innenbereich und die Ränge füllten. Übrigens hat die security im Innenraum eine Zeitlang regelrecht Jagd auf Regenschirme gemacht, selbst Rentnerpärchen wurden trotz heftiger Proteste die Schirme aus den Händen gerungen und bei einem Ordner gestapelt. Mit solchen Beobachtungen hat man sich auf den Rängen die Zeit vertrieben.
Am Ende waren es laut heutiger Presse mit Wohlwollen ca 25.000 Zuhörer, das Stadion war kaum mehr als halb gefüllt. Im vorderen Bereich standen sogar weniger Fans als auf den günstigeren Stehplätzen im hintern Teil des Stadions, da gab es einigen Leerraum. Ich hatte das schon vorher befürchtet, da die Ticketpreise auf ebay-Belgien in der letzten Woche deutlich unter Druck gerieten. Ich selbst wurde meine vier 85-Euro-Tickets für die vorderen Stehplätze (Bekannte aus Deutschland hatten kurzfristig abgesagt) nur für etwas mehr als 50 euro los, andere gingen noch deutlich günstiger weg (zt 2 Tickets für 39 euro). Schattenparker subventionieren Regenfreaks!
Warum so wenige? Ich vermute, schuld waren die Ticketpreise (vordere Sitzplätze im Trockenen 100 Euro, Stehplätze 85) und vor allem die Konkurrenz hier im Grossraum Brüssel und Flandern (an diesem Wochenende Graspop-Festival mit 100.000 Metallfans, ua Aerosmith, Iron Maiden...; kürzlich Stones, Roger Waters, nächstes Wochenende 3 Tage Werchter, ua mit Peter Gabriel, die Woche drauf Werchter TW Classic mit u.a. Pink, OMD, Fogerty und Elton John) - da kommt auf engem Raum einiges zusammen, was ins Geld geht.
Zurück zu Genesis: Stimmung kam in der Tat nur langsam auf, eigentlich erst bei Phil's Animateurspielchen zur Demonstration des Dominoeffekts ging etwas Bewegung durch die Menge. Und bei keinem Stück habe ich festgestellt, dass es die Fans von den Sitzen gerissen hätte. Pintjes und Braadworst wurden ständig geholt, selbst im Innenraum waren Stände aufgebaut, die gut frequentiert wurden.
Bei den ersten Stücken hatte ich den Eindruck, dass Phil mit seinem Ohr Probleme hatte, jedenfalls war deutlich zu sehen (auch auf der Leinwand) , wie er sich wiederholt ans rechte Ohr griff und sich mit etwas (schmerz-?)verzerrtem Gesicht von dem hinter ihm stehenden Schlagzeug wegdrehte. Auf die Entfernung konnte ich aber nicht genau beurteilen, ob es jetzt Probleme waren, oder er sich nur vor seinem Einsatz intensiv auf die Harmonien konzentrierte.
Für das lahme Publikum waren Genesis aber erstaunlich gut drauf, eben professionell. Die alten Stücke kamen sehr gut an, keine Langeweile, sondern aufmerksames Zuhören. Trotzdem, und so sehr ich auch auf den frühen Genesis einschliesslich der ersten Jahre mit Phil Collins stehe: im Stadion kommt das lange nicht so gut rüber (von einigen Bässen und der lightshow abgesehen) wie in einem kleineren setting. Ich weiss jetzt The Musical Box um so mehr zu schätzen, und werde deren Black Selling am 3.11. in Brüssel keinesfalls versäumen.
Textschwächen oder falsche Töne habe ich nicht feststellen können, es lief alles präzise und einstudiert ab. Schön die Geste zu Beginn: Phil wünschte (politisch korrekt) auf französisch und auf flämisch einen guten Abend, zerknüllte dann den Zettel und warf ihn mit den Worten weg "soviel zu Sprachen" (sinngemäss). Später redete er meist englisch, aber mehrmals auch französisch. Leider hat niemand Phil gesteckt, dass Deutsch die dritte offizielle Amtssprache in Belgien ist (weswegen der König sich an Neujahr immer in allen drei Sprachen ans Volk wendet).
Musikalisch hätte ich mir natürlich gerne noch den einen oder anderen Progrock-Leckerbissen gewünscht, aber die Jungs müssen sich ja noch einiges aufheben für eine Folgetournee mit PG, nicht wahr? Höhepunkte für mich, klar, In the cage und später dann das Schlagzeugsolo und Los Endos plus Carpet Crawlers. Die Stimmung der Genesis-Konzerte in den 70ern und frühen 80ern wollte sich aber nicht so recht einstellen, damals wurde man richtiggehend in den sound reingesogen, jetzt war es mehr ein ob der Lichteffekte staunendes Zuhören und -sehen.
Fazit: Meine Frau war glücklich über ein openair ohne Randale (unser letztes open air mit Genesis in Mannheim Mitte der 80er Jahre ging im Ansturm besoffener GIs unter, so das wir uns 150m nach hinten verziehen mussten), mein Sohn hat sich weitere Genesis-Alben auf seinen mp3 geladen und ich - hoffe immer noch auf eine reunion mit Gabriel. Und zusammen fiebern wir bereits heute The Musical Box entgegen.
PS Fotos habe ich jede Menge, muss aber erst mal sehen, was daraus geworden ist.
Trotzdem heisst es warm anziehen, 18 Grad und regnerisch klingen nicht gerade einladend:cool: