Beiträge von fang

    Trespass ist einzigartig, hat eine ganz eigene Atmosphäre, die davor und danach nie mehr erzeugt wurde. Einige andere Alben haben für mich eine andere einmalige Atmosphäre. Aber jedes Album mit einer ganz originären Stimmung ist für mich top. Also ganz klar: 10. Übrigens mein Eindruck: von Null auf Hundert! Gegenüber From Genesis to Revelation so ein Album als zweites Bandalbum, das ist unfassbar.
    Im einzelnen:
    Looking for Someone 9
    White Mountain 10 (einzigartige Stimmung, außergewöhnlich schöner Text, mit dieser Fabel beginnt das klassische Geschichtenerzählen der Band, ist eine vertonte Kurzgeschichte von Jack London)
    Vision of Angels 9
    Stagnation 10 (ebenfalls ganz eigene Songstruktur, übrigens ein sehr politischer Anti-Atom-Text, klasse)
    Dusk 10 (überhaupt die zweite Seite ist wahnsinn, auch vom Stimmungswechsel her, und natürlich der Übergang von Dusk zu The Knife, das wird überhaupt nur noch von Entangled/Squonk erreicht)
    The Knife 10 (sowieso, bester härterer Song der Band überhaupt, live von TMB wahnsinnig gut gespielt mit einem beinharten Bass, der einem die Angst um die es hier geht (es soll eine Erschießung lautmalerisch reproduziert werden) so richtig vorstellbar macht, der Text ist übrigens Gabriels Auseinandersetzung mit Gandhi in dem Sinne, dass er ein Gegenbild zur gewaltfreien Revolution entwirft: der Revolutionär, der über Leichen geht und diese dann im Namen der von ihm definierten Freiheit zu Märtyrern erklärt, genial. Gabriel hat sich hier schon früh als Befürworter radikal-gewaltfreier Gesellschaftsveränderung geoutet und das sehr lange durchgehalten, siehe z.B. Intro zum Video von Biko.


    Gehört ganz unzweifelhaft zu meinen Genesis-Lieblingsalben. Hab aber mehrere Lieblingsalben, die ich für einzigartig halte.
    Liebe Grüße, Fang

    Salut!


    Bei mir ist The Lamb vorne, die irre Story und die experimentelle Musik, die bei jedem neuen Hören auch nach Jahren noch Überraschungen in sich birgt, Stellen, die mir trotz allem neu vorkommen oder so noch nicht aufgefallen sind.
    Dann kommt Foxtrot, wegen Supper's Ready, dem besten Song aller Zeiten...
    Und dann Wind & Wuthering, wegen der zugleich melancholischen & literarischen Atmosphäre, ich liebe auch den Roman "Sturmhöhe"...

    Hi Banjogirl und alle!
    Ist mein erster Beitrag in diesem Forum. Ich musste schreiben, nachdem ich die Lamb-Show von TMB in Mailand am 16.1. und in Torino am 17.1. gesehen habe und du, Banjo, bereits nach dem ersten Tag in Mailand wieder abgerauscht bist. Das hättest du nicht machen sollen, denn die beiden Abende Mailand II & Torino waren schlicht traumhaft. So was wunderbares, dabei Anspruchsvolles habe ich noch nie gesehen. Ich bin hin und weg, und dabei schon genau 28 Jahre Genesis-Fan. Nach Foxtrott und Selling kann ich nun dank TMB und den Lamb-Shows sagen, ich bin dabeigewesen, obwohl ich damals, während der Gabriel-Zeit, noch nicht dabei sein konnte.
    Tja, ich muss sagen, ich habe mir in Italien einen wunderschönen Kurzurlaub geleistet. Hatte es aber auch nicht so weit wie ihr, weil ich seit Jahren in Marseille wohne und nur kurz mal rübergefahren bin, mit Zug, alles lief prima. Ganz entspannt konnte ich mir am 16. nachmittags in Mailand noch den Dom und die Skala angucken, auch nicht schlecht, hättet ihr zur Entspannung machen sollen.
    Aber dann: meine Spekulation, erst zum zweiten TMB-Gig in Mailand aufzutauchen, hat sich also als richtig erwiesen. Ich habe geglaubt, also die kriegen das technisch wirklich hin, aber erst ab dem zweiten Gig. Scheinbar, nach dem was du schreibst, war es auch so. Die Lamb-Show das erste Mal zu sehen, war für mich die Verwirklichung eines Traums, den ich schon immer hegte. Aber dass es so schön werden sollte, hätte ich nicht gedacht. Vor allem die Dias haben mir beim ersten Mal viele Eindrücke vermittelt, man müsste die Show 100mal sehen, um alles mitzukriegen, aber durch die Dias wird deutlich, was für ein revolutionäres Stück The Lamb ist. Szenen des Straßenkampfs, ein ganz anderer Realitätsbezug als bei den mysteriösen Geschichtchen davor (mit Ausnahmen natürlich schon bei Foxtrotts Get 'em out by Friday oder auch bei Sellings Battle of Epping Forest). Jetzt erst wird mir klar, warum es die oberitalienischen Städte waren, die Anfang der siebziger jahre Genesis entdeckten. Das waren die revoltierenden StudentInnen und vielleicht sogar ein paar Arbeiter, die nach den Straßenkämpfen diese Musik hörten! Dieser Umstand darf nicht vergessen werden und er spiegelt sich in Lamb, vor allem in der Verwendung dieser Dias und dem großen Anteil von surrealistischen Symboliken darin. Auch das muss auf die StudentInnen gewirkt haben (ich weiss, nur Turin fand damals statt, aber das Ambiente der frühen Siebziger und warum Genesis bei den StudentInnen dieser Städte so populär wurde, das wurde mir an beiden Abenden so richtig klar. In Turin sass neben mir ein Italiener, der damals vor 30 Jahren in Turin dabei war...
    Zurück zu Mailand und zum Musikalischen: viele Stücke waren live einfach unglaublich gut, wie du, banjogirl, muss ich The Waiting Room hervorheben, und zwar besonders den "eingängigeren" zweiten Teil, nach dem Knall, der ist wirklich einer der vielen, vielen Höhepunkte. In Mailand waren am Anfang für meinen Geschmack die Stimme des Gabriel und die Keybords etwas zu leise ausgesteuert, im Verlauf des Konzerts wurde das besser. In Turin waren beide von Anfang an deutlicher und dominanter, so dass der geniale Sound der Stücke beim Turiner Konzert besser rüber kam. Es gibt musikalisch für mich viele Überraschungen, wie gut viele Stücke live klingen, ganz oft liefen mir Schauer über den Rücken, sowas hab ich schon lange nicht mehr erlebt, das ganze Konzert hindurch, das fängt schon bei Lamb an; dann Fly on a Windshield besonders die Stelle des Wechsels, kurz bevor Gabriel wieder mit dem Gesang einsetzt, einzigartig; In The Cage haben sie klasse gespielt, besonders in Turin; total skurril und surrealistisch dann The Grand Parade..., die Stimme verzerrt, die Musik halbkaputt, und diese surreale Atmosphäre, man atmet den Einfluss des Surrealismus, der bei Gabriels Texten schon stark war, vor allem mit der Unterstützung der Dias und des Bühnenbildes. Dann Gabriels Wurf eines Molotow-Cocktails bei Back in NYC, grandios auch die Szenen bei Counting Out Time, der Einfluss der sexuellen Revolution war hautnah zu spüren, gleichzeitig ist der Spaß und die Ironie Gabriels in die Gruppe übergegangen; Carpet Crawlers ist fast schon etwas zum Aufatmen und sich Erholen von dieser Intensität, grandios auch Chamber of 32 Rooms, hätte ich nie gedacht, dass das live so gut kommt. Und es hört nicht auf: The Waiting Room ist genial, durch das gleissende Licht ins Publikum noch besonders betont, vor allem der zweite Teil, hatte ich schon gesagt...; schließlich die eher unscheinbaren Songs, Anyway mit super Gitarren-Solo und Anaesthitist mit dem Co-Gesang des grandiosen Schlagzeugers. Schließlich die blaue Hülle bei Lamia, die sich beim Refrain dreht, wodurch der Körper Gabriels erkennbar wird - so sensibel. Prima auch die Instrumentalgemälde wie Silent Sorrow in Empty Boats. Dann wieder mit Slippermen ein höhepunkt, den ich in Turin auch besser gespielt als in Mailand empfand. Grandios auch die Keybords bei Riding the Scree und schließlich It mit dem Grande Finale. Bei soviel Verkleidung kamen dann als Zugaben noch The Musical Box und Watcher. Alles in allem fast drei Stunden. In Turin habe ich ganze Familien gesehen, eine Familie hatte mehrere Blätter mit Songtexten untereinander verteilt, bevor es losging. Die Italiener verstehen kaum englisch, aber der Inhalt von the Lamb hat ihre Zeit getroffen und dabei trotzdem eine Botschaft vermittelt, nicht einfach nur die Revolte von Rael, sondern auch eine ethische Botschaft, die in den Interpretationen von The Lamb meines Erachtens oft zu kurz kommt. Bruder John verrät Rael im Verlauf des Horrortrips nach dem Untergang der Welt gleich zu Beginn zweimal, und am Ende rettet Rael seinen Bruder trotzdem aus den Wasserfällen. Das erst führt zur Erlangung von It (was m.E. dasselbe ist wie bei suppers Ready das New Jerusalem: It is real, it is rael, zusammengeschrieben: it isreael = Israel als Utopie, als Erlösung aus der Diaspora der leidgeprüften menschheit, und zwar durch ethischen Altruismus, durch die Bereitschaft, sich seinem Bruder gegenüber solidarisch zu verhalten, auch das ist The Lamb!).
    Das alles im Kopf habe ich mich durch den Zugstreik nicht aufhalten lassen, ein wunderbarer Urlaub. Am Streiktag bin ich einfach mit dem Bus von Mailand nach Turin gefahren. Hättet ihr auch machen sollen... Ich kann allen im Forum nur empfehlen, sich diese Show nie und nimmer entgehen zu lassen.
    fang