Beiträge von Mirko

    Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass die Rechnung des Managements für die NDY-Tour mit ausverkauften Abenden aufgehen würde. Astronomische Ticketpreise für eine gelassene, relativ kurze Show, mit einem sichtlich maladen Hauptakteur und einem auch nicht besonders spektakulären Bühnenaufbau. Auf der positiven Seite steht für mich eine recht vielköpfige, gereifte Band, die musikalisch sicher ein hervorragendes Klangbild liefern kann und der junge Nic Collins als heimlicher Star der Revue. Und trotzdem kann ich mir die Bilder von Phil kaum ansehen, ohne an die Shows vergangener Jahre zu denken, an die Energie und den grandiosen Live-Gesang zu zivilen Preisen.

    Ich möchte nochmal auf zwei Stichworte von Vorseiten zurückkommen: Mutige Setlist und kleine Clubkonzerte. Beide Gedanken erscheinen uns Fans natürlich überaus reizvoll, weil wir das Standardprogramm schon zur Genüge kennen. Aber von Seiten des Managements macht eigentlich nur das Sinn, was jetzt mit NDY gemacht wird: Große Band, große Hallen, sichere Hit-Setlist.


    Denn es geht hier vielleicht tatsächlich zielgerichtet darum, die große Crew um Phil als Anchor in Lohn und Brot zu halten. Würde Phil nur mit Brad und Daryl eine kleine Clubtour machen, wäre auch nur ein kleiner Begleitstab notwendig. Gut für die paar Musiker auf der Bühne, schöne Abende auf resonanter Tuchfühlung - aber die anderen Kumpels hinter der Bühne hätten nichts davon.


    Also die große Nummer, Einkommen für viele. Und die funktioniert nur in großen Hallen. Die bekommst du bei gesalzenen Ticketpreisen aber nur voll, wenn du den vielen Fans und breitgeschlagenen Begleitpersonen auch eine garantierte Hitshow lieferst, bei der es nichts zu meckern gibt. Bei der auch der Viertelfan bei Sussudio noch begeistert abfeiern kann, wenn die Papierschnipselkanone knallt. Das muss dann so sein, die mutige Raritäten-Setlist oder andere Experimente werden dem Allgemeinanspruch geopfert.


    Der Wurm muss dann gleichzeitig zigtausend Fischen schmecken und nicht nur ein paar Gourmets. Es wird geliefert, was einer großen Masse gefällt. Und wie man hier liest, ist der geneigte Fan auch nicht allzu pikiert darüber, sondern durch die Bank happy. Auch wenn sich mancher noch etwas hier & da gewünscht hätte. Aber es war für Fans und entfernte Freunde im Ergebnis okay, ja größtenteils sogar berauschend. Die Rechnung ist also aufgegangen.


    P.S.: Nach den Liv/London-Gigs hatte ich mich entsetzt über Phils Leistungsfähigkeit geäußert. Heute möchte ich sagen, dass mich ab Köln alle mitgefilmten Schnipsel überzeugt haben. Das müssen großartige Abende gewesen sein. Freu mich für alle, die das miterlebt haben!!

    Dieser Sturz am Beginn einer straff geplanten Tournee ist natürlich ein sehr bitterer Tiefschlag. In seiner Mobilität eingeschränkt zu sein, ist sicher schon zu Hause belastend. Aber dann auch noch eine Tournee durchzuziehen, auf der man sich ständig bewegen muss, könnte für einen 66-Jährigen zu einer regelrechten Tortur werden. 2010 bei den wenigen Going-Back-Auftritten war Eddi "Chank" Willis von den Funk Brothers mit von der Partie und ist mit einer Art Elektrorollstuhl herumgekurvt, wurde vor dem Auftritt der Bank zu seinem Stuhl gebracht. Nur war Eddi offenbar mit der Situation eingeschränkter Mobilität gut vertraut und daran gewöhnt.


    Aus den öffentlichen Informationen und Videos der ersten NDY-Konzerte hat sich bei mir der Eindruck ergeben, dass man hier nicht auf eine Genesungspause setzt, bis der Künstler wieder fit ist, sondern mir scheint es eher ein "Jetzt oder nie mehr" zu sein, dass den Tourzirkus antreibt. Genesung oder eine Verbesserung der Gesundheit scheint vielleicht kaum mehr die Prognose zu sein. Selbst vom US-Open-Auftritt bis heute sehe ich einen weiteren deutlichen gesundheitlichen Abbau und fürchte, dass diese Tournee Phils letztes Aufbäumen gegen seinen gesundheitlichen Verfall darstellt. Das macht mich sehr sehr traurig.

    Ich habe mir gerade die auf YouTube verfügbaren Videos zu den Auftritten in Liverpool und London angesehen. Das Gute vorab: Phil hat sich rasiert. Ansonsten bin ich entsetzt. Es erscheint mir als eine von Musikern und Publikum begleitete Therapiesitzung, in der ein Drummer nicht mehr trommeln und ein Sänger in einer ansprechenden Qualität auch nicht mehr singen kann. Ein älterer Entertainer unterhält gequält und im Sitzen ein Publikum, das je Karte mehrere Hundert Euro dafür hingeblättert hat, um ihn not dead yet einfach noch einmal zu sehen. Um Abschied zu nehmen. Ich hatte das 2010 in Montreux schon erledigt und bin ganz froh darüber.


    Bei Can´t Turn Back The Years z.B. spielt die Band schon so langsam, dass der Song fast zum stehen kommt, aber Phil hängt mit dem Gesang immer noch hinterher. Und das auch bei anderen "Stucken". Nun hatte ich erwartet, dass für diese Hochpreisnummer wenigstens in puncto Bühnengestaltung und Spezialeffekte etwas geboten wird. Pustekuchen. Sämtliche Uptempo-Nummern wirken auf mich sitzend gesungen skurril, weil sich einfach diese Partystimmung nicht einstellt.


    Aber um diese Publikumsmeinung scheint sich die Produktion auch nicht zu drehen. Phil ist dem Tod im letzten Moment von der Schippe gesprungen, hat sein Leben aufgeschrieben und sitzt jetzt wieder auf einer Bühne. Wenn ihm das guttut, dann soll es so sein. Wenn es ein Publikum gibt, was daran Spaß hat, dann ist es ebenfalls die Mühen wert.


    "I´m only a drummer who sings a little bit." Wenn beides nicht mehr vorzeigbar geht, dann ist vielleicht der Komponist, Texter, Arrangeur und Produzent noch in ihm wach? Das kann man auch sitzend. Insgesamt überwiegt bei mir ein Gefühl des Mitleids, gut kaschiert bei Band und Publikum, die artig mitspielen, als wenn nichts wäre. Und das wäre dann wirklich bitter.

    Zur Frage, wie eine Show mit einem nicht mehr ganz so frischen Protagonisten auf über zwei Stunden gestreckt werden könnte, fallen mir folgende Varianten ein:


    - nach einer Stunde Spielzeit wird eine 20-minütige Pause eingelegt (wie 1994 bei der BS-Tour),
    - einige Songs werden mit Soli, Jams und längeren Instrumental-Sequenzen verlängert,
    - es treten Gäste auf, die beim Singen der Duets helfen,
    - Phil moderiert zwischendurch etwas mehr und stellt ellenlang die Band vor (wie früher),
    - Phil holt wie Bruce Sp. bei "Dancing in the Dark" Leute zum Tanzen und Abfeiern auf die Bühne.

    Das Phil-Collins-Management hat wirklich ganze Arbeit geleistet, um mir unmissverständlich zu signalisieren: Geh dort nicht hin! Allein die Preise hätten schon gereicht. Oder die Lanxess-Arena. Die Bestuhlung, den unerfahrenen Drummer. Hätte ich gleich verstanden. Da hätte es die "Remaster"-Frechheiten, den symbolischen Krückstock und den ganzen Rest gar nicht gebraucht. Ich habe es begriffen, danke, ihr könnt aufhören mit der Folter!