Ich möchte noch ein paar allgemeine Worte zur Setlist von Gabriel schreiben - hätte natürlich auch in den Kölnthread gepasst … und zur Erwartungshaltung des Publikums im Allgemeinen.
Ja, zum Zeitpunkt des Vorverkaufstarts war nicht klar, dass „I/O“ nicht in physischer Form vorliegt und Gabriel seine Songs dem Vollmondzyklus anpasst. Dennoch kann man sich heute problemlos im Internet ausführlich informieren, was einen erwartet. Ich habe schon Konzerte erlebt (zugegeben in kleinerem Rahmen und mit sehr komplex-disharmonischen Klängen), da war das Publikum nach der Pause zu zwei Drittel verschwunden und ward nicht mehr gesehen. Und auch da war vorher ganz klar gewesen, was zu erwarten war. PINK FLOYD haben in den 70ern regelmässig ihre Songs live gespielt, bevor die Alben rauskamen, „Dark Side of the Moon“ seit Januar 1972 (Veröffentlichung März 1973), Teile von „Wish you were here“ und sogar „Animals“ bereits 1974. Was Peter Gabriel da macht, habe ich so oder ähnlich erst drei Mal in über 40 Jahren erlebt - bei Marillion 1984, die Ausschnitte von „Misplacedd Childhood“ bereits 1984 gebracht haben, bei Porcupine Tree, die schon 2006 „Fear of a blank Planet“ komplett aufführten und bei den experimentellen Post-Punkern Swans, die 2013 beinahe ausschließlich Material ihres noch unveröffentlichten Albums „To be kind“ gespielt haben. Aber Gabriel bedient halt ein größeres Publikum; da sind auch Gelegenheitshörer und Eventfans dabei. Ich finde es konsequent und mutig, seinem Publikum auch mal eine intellektuelle Leistung abzufordern und nicht eine Greatest Hits Show zu liefern. Das machen genug andere Künstler.
Ja, es mag sein, dass „I/O“, sollte es einmal komplett erscheinen, tatsächlich sein schwächstes Werk ist (bisher stufe ich es so ein, trotz einiger wunderbarer Stücke und „schwach“ heisst bei Peter Gabriel immer noch durchgehend anhörbar). Man kann auch über die Anordnung der Songs diskutieren; z.B. hätte er auch nach den beiden akustischen Stücken „I/O“ komplett spielen können und nach der Pause das ältere, bekannte Material. Und ich hätte auch weder „Sledgehammer“ noch „Big Time“ gebraucht, aber ich finde die grundsätzliche Entscheidung, so viel unbekanntes Material zu spielen nicht nur mutig, sondern richtig klasse. An die anderen oben genannten Auftritte erinnere ich mich immer noch sehr gut, während ich viele andere Konzerte weitgehend vergessen habe.