Ich war auch da am Samstag in Berlin, mein erstes Konzert bei einem der Floyds, und hatte großen Spaß mit der Show, die Waters da abgeliefert hat. Bei dem Konzert gibt es meiner Ansicht nach wirklich nichts zu bemängeln. Großartige Musiker, mit denen er da unterwegs ist, eine rundum gelungene Setlist (mit großem Moon und Animal-Anteil, aber auch was von seinem letzten Solo-Album) und natürlich eine wahnsinns Show. Ich saß seitlich im Innenraum und konnte das ganze Spektakel gut überblicken.
Was mich aber dann doch etwas störte: Klar, es handelt sich um ein Sitz-Konzert, aber dass ich bei "Another Brick in the wall" gefühlt als Einziger im Innenraum stand und dann von hinten eifrig darum gebeten wurde, ich solle mich doch hinsetzen, da man sonst nichts sehe, hat mich dann doch sehr gewundert. Und auf meine Bemerkung hin, man sei hier doch auf einem Konzert und könne ja auch mal aufstehen, wurde ich so bestürzt angesehen, dass mir klar war, dass hier niemand hinter mir ebenfalls aufstehen würde und ich mich also wieder hinsetzte, um niemanden die Sicht zu nehmen. Es hat dann bis zum letzten Song gedauert, bis plötzlich alle standen und man seinen Stuhl mal verlassen durfte. Ich gehöre mit meinen 22 Jahren zugegebenermaßen zu einer Minderheit der jüngeren Konzertbesucher, aber dennoch kann ich das Verhalten nicht ganz nachvollziehen. Da rockt ein über 70jähriger die Bühne, motiviert das Publikum immer wieder zum Mitmachen und die breite Masse im Innenraum vor der Bühne sitzt dann da wie im Kinosaal oder in einer Schlagershow zum Mitklatschen. Klar, bei Pink Floyd gibt es viele lange Sachen, bei denen man gerne sitzen bleibt, aber bei "the wall"? Nee, diese Sitzplätze sind nichts für mich, auch wenn ich bei anderen Konzerten ebenfalls ohne Stehplätze schon bessere Stimmung erlebt habe. Das sollte mir den Abend aber nicht vermiesen
Und ja, ich finde es gut, dass Waters nach wie vor so politisch ist. Es sollten sich viel mehr Musiker offen politisch positionieren, in der heutigen Zeit kann man gar nicht politisch genug sein. Aber es war mir schon klar, dass die Zeitungen im Nachhinein von "einem Eklat" schreiben würden, wenn Waters am Ende des Konzertes wieder mit seiner Israel-Kritik kommt. Das ist nunmal sein politisches Thema und etwas, für das er sich seit Jahren engagiert. Klar, die BDS sollte man sicherlich kritisch sehen und vieles hier ist auch in meinen Augen höchstproblematisch. Aber eine Mitgliedschaft bei dieser Vereinigung heißt nicht, dass man Antisemit ist. Und einen Staat und seine Politik zu kritisieren, fällt nunmal unter die freie Meinungsäußerung und darf kein Tabu sein, auch wenn man sich wünschen würde, dass die Kritik differenzierter stattfinden würde (und Waters hat es nicht so sehr mit Subtilität, das merkt man auch seiner Musik immer wieder an). Was aber die Medien in ihren Berichten in den letzten Monaten daraus gemacht haben (wohlgemerkt in der Regel ohne darüber zu berichten, worum es Waters eigentlich dabei geht), sehe ich als absolut diskreditierend und falsch an, wobei das Verhalten des WDR hier als öffentlich-rechtliches Medium weit heraussticht. Wenn sich Waters nämlich in Folge dessen dazu verpflichtet fühlen muss, sich auf die Bühne zu stellen und nochmals zu wiederholen, dass er sich gegen einen Staat und seine (in seinen Augen) menschenrechtsverletzenden Handlungen richtet und nicht gegen Juden ("Ich bin kein Antisemit"), dann läuft hier definitiv irgendetwas falsch.