Ich kann echt nicht nachvollziehen, wie man diesen NDY-Live-Klimbim gut finden kann!
Dazu erst einmal ein paar grundlegende Gedanken:
Ich unterscheide bei allen öffentlich wirksamen Personen (also auch bei Künstlern) strikt zwischen der Figur und dem Menschen. So gibt es für mich eine öffentlich wirksame Collins-Figur und einen privaten Collins-Menschen. Die Figur ist dabei derjenige Collins, der Alben produziert, Mitglied verschiedener Bands ist, Bücher schreibt und auftritt. Der Mensch ist dabei der private Collins über den ich nichts wissen kann. Nur, was der Mensch durch seine Figur hindurch veröffentlicht, kann mir bekannt sein. Daher ist es mir auch nur möglich die Figur Collins zu verehren - nicht den Menschen. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass Mensch und Figur in Verindung zueinander stehen und sich wechselseitig beeinflussen, schließlich "wohnen" beide in der selben Person. Die Verbindung zwischen mir und dem Menschen Collins besteht allerdings ausschließlich über seine Figur. So kaufe ich bspw. Alben der Collins-Figur und gebe damit auch dem Menschen dahinter Geld, damit dieser sein Auskommen hat. Oder ich kann auf ein Konzert der Collins-Figur gehen, um mich unterhalten zu lassen. Dabei gebe ich ebenfalls wieder Geld aus, diesmal für den Auftritt der Collins-Figur, was ebenfalls wieder der ganzen Person zugute kommt. Wenn während eines Konzertes dann gute Stimmung ist und die Interaktion zwischen Publikum und Figur Freude auslöst, kann diese Freude auch wieder über die Figur den Collins-Menschen erreichen. Diese Trennung zu erkennen und zu leben ist sowohl für die öffentlich wirksame Person, als auch für deren Unterstützer (Verehrer, Fans, Follower etc.) wichtig (für den "Star" bspw., um nicht "größenwahnsinnig" zu werden, für den "Fan" bspw., um akzeptieren zu können, wenn sich ein "Star" zur Ruhe setzt - viele andere Gründe sind hier denkbar).
Die Collins-Figur und der Collins-Mensch:
Die Collins-Figur der 70er, 80er, 90er:
Ein hyperaktiver, dynamischer, stimmgewaltiger, gut trommelnder, tadellos produzierender, freundlicher, humorvoller, omnipräsenter Star.
Die aktuelle Collins-Figur:
Ein passiv wirkender, kaum bewegungsfähiger, stimmarmer, nicht mehr trommeln könnender, nicht mehr produzierender, trauriger, nur noch sich selbst verkrampft ironisierender, kaum noch präsenter "Opa".
Der Collins-Mensch der 70er-80er-90er:
Keine Ahnung.
Der aktuelle Collins-Mensch:
Keine Ahnung. Allerdings lässt die aktuelle Collins-Figur darauf schließen, dass der aktuelle Collins-Mensch in mehrfacher Hinsicht krank ist und darunter leidet. Das finde ich persönlich traurig, da ich es generell traurig finde, wenn Menschen leiden.
Zum Anfangsgedanken ("Ich kann echt nicht nachvollziehen, wie man diesen NDY-Live-Klimbim gut finden kann!"):
Ich mag die Collins-Figur der 70er, 80er, 90er sehr. Ich fühle mich stark mit ihr verbunden, bin durch sie quasi zur Musik gekommen (als Hörer und Musizierender) - aber ich mag die aktuelle Collins-Figur nicht. (Ab hier sei mir erlaubt stark essayistisch zu werden.) Da die aktuelle Collins-Figur keine Alben mehr produziert, bleibt nur die Beurteilung über die Live-Konzerte. Und diese sind schlicht und einfach schlecht. Denn selbst, wenn die Band überragend spielt und der Sound fantastisch ist - es sollte doch ein Phil-Collins-Konzert sein und nicht bloß eine Demonstration perfekter Live-Umsetzung populärer Musik. Doch leider gibt es keine Passung zwischen der aktuellen Collins-Figur und dem übrigen Live-Setting. Ich meine, also, nun ja... Da sitzt dieser "Opa" auf nem Stuhl. Um ihn herum ballert der Bombast. Und dann hebt er an und "singt" folgende Zeilen (aus Sussudio): "I'd come running anywhere" und "Now I know that I'm too young - My life has just begun". Also bitte. No way! In diesem Live-Setting ist das allenfalls passable Karaoke, aber sicherlich keine mitreißende Interpretation. Und so verkommen die Shows m. E. zu einer reinen Party-Schlacht à la Ballermann, wo es schon mal ganz gut ist, wenn das Bier fließt, gelle?
Lösungsvorschlag:
Für mich würde die aktuelle Collins-Figur gut in den Rahmen kleiner, dezent instrmentierter Konzerte passen, in denen er mit, an seiner Musik und seinem Wirken interessierten Menschen, sein bisheriges Schaffen feiert - oder eben neue Stücke präsentiert, wenns die gäbe. Wenn das nicht möglich ist (von wegen zu viele Fans), dann sollte er m. M. n. sein musikalisches Wirken auf sein häusliches Umfeld beschränken und die Musik zu 100% an den Menschen Collins übertragen.
Fazit:
Collins war ein ganz Großer. Er ist in einem Atemzug mit den Beatles, Michael Jackson, Madonna etc. zu nennen, was Popularität und Einfluss betrifft. Ich fänd's schön, wenn er nun auch wüsste, wie man so eine tolle musikalische Karriere würdevoll ausklingen lässt, ohne Fokus auf Humptata und Pilsken, sondern mit einem klaren Blick auf die feinen Klänge, denen wir so gerne lauschen.
LG