Beiträge von littlewood

    Genesis hatte enormen Einfluss auf die nächste Generation von Musikern, was in manchen Fällen durchaus überraschte. Lee Thompson, Saxofonist von Madness, war von Gabriels Flugeinlage im Theatre Royal [1974] so beeindruckt gewesen, dass er ihn sechs Jahre später im bahnbrechenden Video seiner Gruppe zum UK-Top 5-Hit "Baggy Trousers" nachahmen würde.

    Daryl Easlea - Das Leben und die Musik von Peter Gabriel (2013), S. 154


    Original:
    https://www.youtube.com/watch?v=a8jBId7gm00


    Cover:
    https://www.youtube.com/watch?v=XJOLwy7un3U

    Für [Bob] Ezrin passierte die erneute Zusammenarbeit mit seinem alten Freund genau zur rechten Zeit. Ezrins ältester Sohn David, ein Musiker, war im Dezember 2008 im Alter von 42 Jahren verstorben. "Ich hatte das Interesse an allem verloren", sagt Ezrin. […] Circa einen Monat nach dem Tod seines Sohnes erwachte Ezrin und er spürte, dass er Musik bräuchte und sie wirklich gut sein müsse. […]
    An diesem Abend wäre vorgesehen gewesen, "Baltimore" von Randy Newman aufzunehmen. "Ich schlug stattdessen 'I Think It's Going To Rain Today' vor", sagt Ezrin. "Keiner kannte es wirklich. Wir fanden es online, Peter hörte es sich an und sagte vom Fleck weg, dass er es großartig fände und wir es machen sollten. Ich dirigierte ein wenig, um Peter ein Gefühl für die Phrasierung zu vermitteln. Der Gesang entstand in dieser ersten Nacht. Bei der Bridge brach seine Stimme kurz. Ich sah ihn an und bei uns beiden flossen die Tränen. Jeder hatte seine eigenen Gründe. Wir haben es nie besser hinbekommen. Es war ein magischer, brillanter, wunderbarer Moment. Das war mein Einstieg in das Projekt."

    Daryl Easlea - Das Leben und die Musik von PG (2013), S. 441

    Gabriel entwickelte "Kiss That Frog", nachdem er Kinder brauchen Märchen aus der Feder des Psychoanalytikers Bruno Bettelheim gelesen hatte. Das Buch, das 1976 erschienen war, beschäftigte sich mit Märchen aus dem Blickwinkel der Freudschen Psychologie. Textlich bot es einen Einblick in die Metapher hinter der Erzählung vom Froschkönig und musikalisch eine weitere Expedition in die Gefilde von "Sledgehammer". Der Song basierte auf einem Rhythmus, den Gabriel ursprünglich während der Sessions zu Music From The Film Birdy ausgearbeitet hatte, und wurde durch Gabriels aufgewecktes Orgelspiel und seine Mundharmonika, die er so selten verwendete, bereichert. Auch dank Marilyn McFarlans föhlichem Gesang beim Refrain sowie Gabriels leidenschaftlicher gesanglicher Darbietung ist es einer der souligsten und direktesten Momente auf dem ganzen Album.

    Daryl Easlea - Das Leben und die Musik von Peter Gabriel (2013), S.375

    Allerdings war der Song ein später Einfall. Als das Album sich seiner Fertigstellung näherte, spielte Gabriel mit einem Groove und wollte ihn für ein späteres Projekt in der Hinterhand behalten. Der Titel hatte laut Lanois seinen Ursprung im Bauarbeiter-Slang, den Gabriel, Rhodes und er verwendeten. Als der Rhythmus stand, holte Gabriel rasch Levin und Katché hinzu, um der Sache etwas Textur zu verleihen. Lanois' Gitarrenspiel war gar nicht hoch genug einzuschätzen. Als die Grundfesten der Aufnahme im Kasten waren, liefen Gabriel und Lanois kreuz und quer durch das Studio. So besonders war das Resultat.

    Daryl Easlea, "Das Leben und die Musik von Peter Gabriel" (2013), S. 313

    "Wir waren irgendwo im mittleren Westen auf Tour", erinnerte sich Gabriel 2011. "Wir fuhren selbst und waren nach einem Gig in einem Motel abgestiegen. Ich plauderte mit dem Portier, der Apache war. Er sagte: 'Entschuldigen Sie, aber ich bin heute nicht wirklich mit dem Kopf bei der Arbeit, weil man mir am Telefon gesagt hat, dass meine Wohnung abbrennt. Es ist mir eigentlich egal, aber meine Katze ist noch dort.' Ich fragte ihn, warum er dann noch hier wäre. Er meinte, dass er eben arbeite und auch keine Möglichkeit habe, dorthin zu gelangen. Also fuhr ich ihn hin. Als er zuhause ankam, interessierte er sich tatsächlich nur für die Katze, was mich sehr beeindruckte. Sie war bei seinem Nachbarn, also war alles in Ordnung. Danach saßen wir fast die ganze Nacht zusammen, und er erzählte mir, welche Riten man durchmachen müsse, um ein Apachen-Krieger zu werden."


    […]


    Tony Banks schließt sich [Anthony] Phillips an: "Das dritte Album war brillant, das vierte fand ich sogar noch besser. In puncto Komposition war es wunderbar. 'San Jacinto' ist vermutlich mein Lieblingssong von Peter. Ich wäre auch ein großer Fan von ihm, wenn ich ihn nicht persönlich kennen würde."


    Daryl Easlea, "Das Leben und die Musik von Peter Gabriel" (2013), S. 271 f. ; S. 287

    Mittlerweile vollführte Gabriel beinahe immer etwas Besonderes. Am 6.Oktober [1970] in der British Legion Hall in Princes Risborough versagte ihre [Genesis‘] Ausrüstung. "Es war einer der ersten Gigs mit Collins", sagt [David] Stopps. "Pete begann diesen Gesang anzustimmen, nur er und sein Tamburin am Mikro. Später sollte daraus "Biko" werden. Das ging wahrscheinlich zehn Minuten so dahin." Bei Gabriel wurde nie etwas verschwendet. […]


    (Ca. 1980):
    Eines Morgens wollte Gabriel sein geliebtes Radio 4 hören, aber der Sender hatte zur Langwelle gewechselt, weswegen er quer durch die anderen Radiostationen surfte. Er stolperte über einen niederländischen Sender, der den Soundtrack zum Film “Dingaka" spielte. Gabriel war geplättet vom Rhythmus, den er hörte. Schnell nahm er einen Teil aus dem Radio auf, bevor er schließlich das Soundtrack-Album bei einem Londoner Händler erstehen konnte. Es war das Gefühl, das der Rhythmus transportierte, das ihn faszinierte. […]


    Gabriel war sich seiner mangelnden Authentizität bewusst, wenn es darum ging, als Aufdecker von Missständen in weit entfernten Ländern aufzutreten. […] Auch war er sich zuerst nicht sicher, ob er den Song überhaupt veröffentlichen sollte. Schlussendlich war es sein Freund Tom Robinson, der ihn dazu drängte, es zu tun. Zum Glück, denn es war eine seiner besten Entscheidungen, und sie eröffnete ihm eine vollkommen neue Richtung.
    Gegenüber Sounds erklärte er 1980: "Da ist dieser weiße, der Mittelschicht entstammende, gezähmte Engländer, der früher die Privatschule besucht hat und seine eigene Reaktion aus der Ferne beobachtet." […]


    Gabriel wusste genau, was er tat, als er den Song veröffentlichte: "Ich möchte auch nicht, dass mir Musiker die ganze Zeit etwas vorpredigen, aber ich denke, dies ist die erste universelle Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird. Junge Leute hören Rockmusik. Wenn man also von ihnen die Aufmerksamkeit bekommt und sie nur dazu nützt, ihnen mitzuteilen, wen man gestern flachgelegt hat, ist das in meinen Augen eine Verschwendung." […]


    "Biko" stellte die Weichen, um aus Gabriel einen der passioniertesten Menschenrechtsaktivisten der Popmusik zu machen. […] Via Sounds verkündete Phil Sutcliffe, dass Gabriel sich von nun an Gehör verschaffen würde. "Die Aufrichtigkeit von 'Biko' lässt einen riskieren, es Wahrheit zu nennen. Wahrscheinlich ist es Gabriels bestes Werk - und spiegelt den Mann dahinter genau wieder. Es ist ein Balance-Akt zwischen seiner Zurückhaltung und seiner Offenheit - die Vereinigung zweier entgegengesetzter Kräfte. Durch 'Biko' sagt Gabriel: 'Hier bin ich.'"


    Daryl Easlea - Das Leben und die Musik von Peter Gabriel (2013), S. 84; 243 ff.

    Der Text basiert auf dem Buch An Assassin’s Diary des Beinahe-Attentäters Arthur Bremer, der 1972 den Gouverneur von Alabama George C. Wallace (Demokraten) in einem Einkaufszentrum niedergeschossen hatte, ohne Wallace allerdings zu töten. Im Songtext finden sich dann aber auch Elemente, die man als Parallelen zum Mordanschlag auf John F. Kennedy deuten könnte.


    Bremers Motiv war nicht politischer Natur, obwohl Wallace eine umstrittene Persönlichkeit der konservativen Rechten war, sondern weil, wie es Gabriel formulierte, "Bremer von der Idee, berühmt zu sein, besessen war. Er versuchte den Anschlag so zu timen, dass über ihn in Amerika in den Nachrichtensendungen des frühen Abends und in Europa in den Late Night-News berichtet werden würde, um maximale mediale Präsenz zu erlangen".
    Das Buch inspirierte außerdem auch Paul Schrader dazu, das Drehbuch zu "Taxi Driver" zu schreiben, das Martin Scorsese 1976 verfilmte.


    Daryl Easlea, "Das Leben und die Musik von Peter Gabriel" (2013), S. 240

    "Intruder" zeigte Gabriel von seiner abenteuerlichsten Seite. […] "Peter hatte mit mir über diese Idee, die Becken wegzulassen, bereits vor dem ersten Album gesprochen", sagt Larry Fast. Aber ich schätze, dass die ersten beiden Produzenten das zu abwegig fanden. Steve [Lillywhite], der Hugh [Padham] als Toningenieur im Rücken hatte, gefiel das Konzept."[…]

    Gabriel lud seinen alten Freund Phil Collins ein, für das neue Album mit ein paar Drumsounds zu experimentieren. Collins war anfangs skeptisch - vor allem, was die Sache mit den Becken betraf. "Ich erklärte ihm, dass Becken manchmal auch Gutes bewirken können", sagte er später. "Aber er blieb standfest. Kein Blech auf dem Album. Also sagte ich 'Meinetwegen' und arrangierte mich damit." […]


    Mit seinem klaustrophobischen Sound, der auf das Schlagzeug-Muster aufbaute, Morris Perts seltsamer Percussion und seinem schrulligen Xylofon-Solo, Fasts verunsichernden Synthies und Rhodes' Kratzgeräuschen auf dem Griffbrett der Akustikgitarre über den Blockakkorden, die Gabriel am Klavier beisteuerte, zog "Intruder" eine Grenzlinie zwischen Vergangenheit und Gegenwart. […]

    "Darin steckt ein transvestitisches Moment, ein Kleidungsfetisch", erzählte Gabriel 2011 John Doran. "Es steckt ein Teil von mir darin, aber auch eine Vergewaltigungsmetapher. Es ist definitiv sehr düster, aber real. Ich hatte immer Spaß dabei, den Song zu performen."

    ("New Blood"-Version 2011):
    "Intruder" ist so verschroben und klaustrophobisch wie immer, aber Gabriel hört sich nun wie ein erfahrenes kriminelles Mastermind an und nicht mehr wie der junge Ganove von 1980.


    Daryl Easlea, "Das Leben und die Musik von Peter Gabriel" (2013), S. 234 ff.; S. 452

    Gabriel gab 1977 Einblick in die Entstehung, inspiriert von den Texten Castanedas und der Lektüre von Schriften über die amerikanischen Ureinwohner, er erinnerte sich: "Es war ein warmer Sommerabend, und ich war auf einem Hügel in der Nähe meiner Hütte. Ich rannte mit geschlossenen Augen, um daraufhin die Umgebung nach interessanten Pflanzen und Tieren abzusuchen. Ich spürte, dass ich einen Energiepunkt auf dem Hügel gefunden hatte, und nachdem ich kurz meditiert hatte, rannte ich den Hügel hinunter, um den Song zu schreiben. Es fühlte sich dann aber eher so an, als würde der Song mich schreiben und nicht umgekehrt."


    Daryl Easlea, "Das Leben und die Musik von Peter Gabriel" (2013), S. 206