Aus aktuellem Anlaß (die neue Rolling Stones CD, die in Deutschland wieder "kopiergeschützt" sein wird) möchte ich gerne einen Tip loswerden, der mir schon länger als potentiell interessantes Thema erscheint.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß viele Leute doch eher eingeschränktes Wissen über den (sogenannten) "Kopierschutz" von Audio CDs haben, deshalb gebe ich erstmal einen Überblick.
Kurz gesagt, es *gibt* überhaupt keinen Kopierschutz für Audio-CDs, das was die Industrie eingeführt hat, ist vielmehr ein Abspielschutz, der darin besteht, künstlich defekte CDs zu erzeugen. Aus diesem Grund hat das Technologie Magazin c't (das ich übrigens an der Stelle über den grünen Klee empfehlen kann) den Begriff "Un-CD" geprägt.
Dieser Unterschied ist sehr wichtig, denn bei der DVD (und ihren Audio Ablegern) gibt es tatsächlich einen Kopierschutz, der Teil der Norm ist - d.h. jeder DVD Player ist systemgemäß in der Lage, den Kopierschutz zu verarbeiten, weshalb er für den Verbraucher (soweit) unbedenklich ist.
Bei der Audio-CD wurde aber ein solcher Kopierschutz bei der Entstehung nicht berücksichtigt, und somit kann und wird es auch nie einen geben (außer man sammelt weltweit alle Geräte ein und teilt neue aus).
Was sich "Kopierschutz" nennt, ist also in Wahrheit Folgendes: Sie zerstören die genormte Struktur der Daten auf der CD, in der Hoffnung, daß die resultierende Disk "gerade noch" auf Audio Playern läuft, aber "gerade nicht mehr" auf Computerlaufwerken - wie gesagt, es ist ein Abspielschutz, der das korrekte Abspielen auf bestimmten Laufwerken verhindern soll.
Im Großen und Ganzen gibt es für diese Zerstörung drei Ansätze, die unterschiedlich fatal sind:
1) Die CD enthält eine Computer-Partition, die auf normal konfigurierten PCs die Audio Daten überdeckt.
Diese Methode ist relativ harmlos, da die Normverletzung gering ist. Audio CDs mit Datenpartition sind grundsätzlich Teil der Norm, z.B. alle "Enhanced" CDs, und die zusätzlichen Verletzungen der Norm, um die Audio-Daten zu verdecken, sind eher gering.
Allerdings ist diese Methode (gerade weil sie harmlos ist und kinderleicht zu umgehen) vom Aussterben betroffen.
2) Die CD enthält künstlich zerschossene Boot-Blocks bzw. Partition-Maps.
Diese Methode ist weitaus besser und gefährlicher - durch die kaputten Bootblocks werden die CDs von Computerlaufwerken nicht mehr als lesbare CDs erkannt und deshalb vollständig verweigert.
Die Methode baut darauf, daß reine Audio Player sich gar nicht so sehr im Detail für die Disk-Struktur interessieren, sondern nur wissen wollen, wie viele Titel drauf sind und wo sie anfangen - eine Überprüfung der Disk-Integrität wird in der Regel nicht vorgenommen.
Allerdings gibt es keine Garantie, daß jeder Player dies auch klaglos tut, bzw. daß zukünftige Player es weiterhin schlucken. In diesem Zusammenhang muß man sich auch klar machen, daß zunehmend Computerlaufwerke in Audio-Player verbaut werden (einfach weil sie billiger sind) und DVD Player fast ausschließlich Computerlaufwerke enthalten - also genau die Laufwerke, die die CD ausspucken sollen.
3) Die Audiodaten selbst werden blockweise zerschossen.
Das ist die mit Abstand fatalste Methode, denn man bekommt eine durch und durch defekte CD. Diese Methode setzt ausschließlich auf die automatische Fehlerkorrektur von Audio-Playern.
Wenn ein Block nicht lesbar ist, dann verweigert jedes Computerlaufwerk das Auslesen, d.h. die CD ist insgesamt über ihre ganze Fläche unlesbar.
Ein konventioneller Audio-Player versucht dann, jedes noch irgendwie plausible Bit zu lesen, und ergänzt die fehlenden Stelle mit einem "best guess" Algorithmus. Das muß man sich vorstellen wie ein Gemälde, aus dem jemand ganze Fetzen herausgerissen hat, und dann kommt ein Restaurateur und malt sie "irgendwie" wieder zu.
Diese Methode ist indiskutabel, weil man in jedem Fall verminderte Klangqualität bekommt. Das schlimmste an dieser Methode ist es aber, daß vor allem hochwertige Audio-Player die größten Probleme bekommen. Billige Player lesen schlampig und korrigieren alles (d.h. hier "funktioniert" die Methode), aber gerade audiophile Player versuchen möglichst präzise zu lesen und dann die gelesenen Daten möglichst nicht zu verfälschen. Das Resultat ist dann digitales Knattern, Knistern, Rauschen und komplette Drop-Outs. Technisch gesehen, sind diese CDs in einem Zustand, als hätten sie millimeterbreite Löcher und keilförmige Kratzer, nur daß man diese optisch nicht sehen kann.
Lange Rede kurzer Sinn - wer eine "kopiergeschützte" CD kauft, sollte wissen, daß es *keine* Garantie gibt, daß sie auf allen Playern im Haus (inklusive Auto-Radios und DVD-Playern) läuft, daß die Chance mit jedem in der Zukunft gekauften Player geringer wird, daß alle CDs noch laufen, und daß es (rechtlich) noch nicht einmal ein garantiertes Rückgaberecht gibt, wenn die neu gekaufte CD auf einem Player nicht läuft.
In der Praxis bei den geizigen Medien-Supermärkten genügt es, darauf zu bestehen und ggf. den Abteilungsleiter zu holen und/oder LAUT zu werden, aber z.B. amazon.de tauscht nicht um, wenn eine als "kopiergeschützt" markierte CD im eigenen Player nicht läuft (sie tauschen nur versiegelte Ware um).
Das waren die schlechten Nachrichten, jetzt kommt die Gute: Man kann etwas dagegen tun!!!
Die überwältigende Mehrzahl aller in Deutschland "kopiergeschützten" CDs erscheint in England *ohne* Kopierschutz - die Engländer haben sich diesen Dreck einfach nicht bieten lassen und schon im Ansatz den Kauf der defekten CDs so massiv boykottiert, daß die Industrie den Schwanz eingezogen hat.
Bei amazon.co.uk wird der "Kopierschutz" genauso vermerkt wie bei amazon.de, also einfach dort mal nachsehen - die Mike & The Mechanics CD (bzw. CD/DVD) gab es z.B. schon mal problemlos ohne Zerschuß.
Der Nachteil ist der Preis - durch den hohen Pfundkurs liegt der Preis etwas teurer als hierzulande, außerdem gibt es für das Porto keine Befreiungsgrenze. Dafür bekommt man aber vier massive Vorteile:
1) Man bekommt eine 100% intakte CD, die auf jedem jemals gebauten und noch zu bauenden Audio-Player sicher läuft.
2) Man bekommt ein sauberes CD-Cover, weil weder auf der Rückseite noch auf der Front ein riesiger Kasten und/oder "Kopierschutz" Logo eingedruckt ist.
3) Man kann sich ohne jede rechtliche Bedenken eine Sicherheitskopie zum Abnudeln im Auto, am Strand oder eine eigene Compilation brennen.
4) Man richtet bei dem Teil der Industrie, der diesen "Kopierschutz" betreibt, auf legale Weise finanziellen Schaden an - die einzige Sprache, die diese Leute verstehen. Denn daß die englischen Labels plötzlich viel mehr Stückzahlen exportieren, bleibt ihnen nicht verborgen.
Aber eine Warnung hab ich noch: Gerade wegen dem hohen Pfundkurs gibt es britische Händler und Shops, die (für sie) billige Ware vom Kontinent holen, so daß man bei nicht gekennzeichneter Ware womöglich wieder den deutschen Schrott bekommt. hmv.co.uk nimmt zum Beispiel keine Klassifizierung vor.
Aber amazon.co.uk hat sich verpflichtet, jede "kopiergeschützte" CD klar auf ihrer Seite zu markieren (schaut z.B. mal bei "Testify" nach, das ist eine der ganz wenigen CDs, die es in Europa nur "kopiergeschützt" gibt). Bekommt man eine "kopiergeschützte" CD, die bei amazon.co.uk nicht markiert war, dann bekommt man sein Geld zurück, das bestätigte amazon.co.uk auf Anfrage.