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Nad Sylvan – Monumentata – Rezension

Im Sommer 2025 veröffentlicht der Sänger Nad Sylvan sein fünftes Soloalbum Monumentata, das sein bisher persönlichstes wurde.

Nach einer Solopause von vier Jahren legt Nad Sylvan nun mit seinem fünften Album Monumentata sein neues Werk vor – neben weiterhin andauernder Tour-Aktivitäten mit Steve Hackett. Aufgenommen von Januar 2024 bis Januar 2025 in den Sylvanite Studios (oder zumindest der Teil, den Nad selber eingespielt hat) beschreitet das Album, verglichen mit Spiritus Mundi von 2021, das insgesamt eher akustischer und folkig ausgefallen ist, wieder neue Wege. Es setzt wieder vermehrt auf die Trademarks, die die Vampirate-Trilogie so stark gemacht haben. Denn auch wenn Spiritus Mundi mit seiner konsequenten, ruhigen Art durchaus gelungen ist, haben die drei vorigen Alben gezeigt, dass Nad auch deutlich anders kann.

Monumentata schlägt wieder eine insgesamt härtere Richtung ein, lässt jedoch auch genügend Raum für reduzierte Passagen. Es erweitert den Kosmos um einige Stile, denen Nad noch nicht allzu viel Aufmerksamkeit beigesteuert hat. Logischerweise klingt das Album damit vielschichtig, ohne aber zerfahren zu wirken. Von der Homogenität büßt das Album trotz nicht vielen Stilmischungen im Vergleich zum Vorgänger nichts ein.

Nads persönlichstes Album

Neue Veröffentlichungen werden von Künstlern oft mit Superlativen beworben. Sehr beliebt ist die Aussage, das neue Album sei das bislang „persönlichste“. In diesem Fall darf man diese Charakterisierung aber als zutreffend betrachten. Während Nads erste drei Alben ganz dem Vampirate gewidmet sind und sich das vierte Album auf die Vertonung von Gedichten fokussiert, behandelt Nad in seinem neuen Album ganz persönliche Erfahrungen. Natürlich hat er auch in den Vampirate gewisse Teile seiner Selbst einfließen lassen und die Grenzen, was davon die Story ist und was Nad selbst, schwer auszumachen. In Monumentata singt Nad als er selbst; er hat keine Maske auf, nimmt keine Rolle ein und verstellt sich nicht. Er will zeigen, was ihn beschäftigt und berührt, ohne dafür eine Kunstfigur in den Vordergrund zu rücken – nun, bis auf eine Ausnahme.

Beteiligte Musiker

Personell darf Nad wieder aus den vollen schöpfen. Unterstützung am Schlagzeug gibt es dieses Mal wieder, wie auf dem vorigen Album, von Mirko de Maio. Neu dabei sind Felix Lehrmann und Marco Minnemann. Felix dürfte als Ersatz von Craig Blundell in der Live-Band von Steve Hackett und von den Flower Kings bekannt sein, ist aber auch sonst sehr umtriebig. Mit Marco Minnemann hat Nad dazu eine ganz feste Größe, vor allem bekannt aus dem Prog-Bereich, gewonnen.

Nad Sylvan Monumentata Cover

Bei den Gitarren sind mit David Kollar und Randy McStine zwei weitere Hochkaräter dabei, komplettiert durch Neil Whitford und am Keyboard Lalle Larsson – wobei wie bei Nad üblich die meisten Keyboard-Parts durch ihn selbst beigesteuert werden. Die Bass-Sektion wird durch die alten Bekannten Nick Beggs, Tony Levin und Jonas Reingold vertreten, die alle bereits auf Nads vorigen Alben zu hören sind. Auch Jade Ell und Sheona Urquhart Smangs singen wieder bei einem Track mit und Joe Denizon hat einen Gastauftritt an der Violine.

Der Titel des Albums Monumentata ist ein Kunstwort aus den Worten „monumental“ und „tata“, den ungarischen Begriff für „Vater“. Das mag zunächst etwas abstrakt wirken, die Bedeutung des Titels entfaltet sich jedoch im Laufe des Albums – nicht zuletzt auch wegen des Titeltracks, der ganz am Ende steht.

Secret Lover (7:02)

Das Album wird eröffnet durch dissonant anschwellendes Keyboard und einen unvermittelt hinein kreischender Nad. Ein straighter Rhythmus, für Nads Verhältnisse fast schon aggressive Gitarren und Drums, die markante Breaks setzen, stürzen die Traumlandschaft von Spiritus Mundi ins Nirvana – als wolle Nad gleich am Anfang deutlich machen, dass dieses Album anders wird. Der Härtegrad ist ähnlich wie beim Quartermaster, dem Opener der The Bride Said No, nur insgesamt noch eine Ecke härter. Mit Marco Minnemann und Randy McStine ist hier quasi eine eigene Superband am Start, während Nad selber aus seinem Gesang ohne Rücksicht alles rausholt.

Nach Tempowechseln im Refrain wird Nad im Rampenlicht abgelöst von David Kollar mit einem genial pointierten und dynamischen Gitarrensolo. Zum Ende hin setzt Nad nochmal ein paar Töne weiter oben an, eher der Track etwas unerwartet ausgeblendet wird. Sicher eine Variante, auch wenn ein „richtiger“ Schluss hier sicherlich ebenso gut gepasst hätte. Secret Lover ist in sehr offener Opener mit „explizitem Text“, wie Nad ihn öfter mal unterbringt und am Anfang des Albums gut gesetzt.

That’s Not Me (5:15)

Etwas gemäßigter geht es weiter mit der „Hit Single“ des Albums und dem ersten Song, den Nad daraus veröffentlich hat, in einem farbenfrohen, mit Effekten spielenden Musik-Video. That’s Not Me startet komplex Riff-orientiert, wobei das Intro mit seinen Krummtakten den Refrain vorwegnimmt. Tony Levins Bass tänzelt konträr zu der dichten Instrumentierung mit beachtlicher Leichtigkeit durch die Strophen, während Nad dezent Orgeltöne im Hintergrund mitlaufen lässt. Der Song handelt von fremden Kulturen, denen Nad als Bandmitglied von Steve Hackett auf diversen Touren oft begegnet und denen man sich bis zu einem bestimmten Maß anpassen muss.

Der Song ist zwar nicht allzu kurz, aber insgesamt einer der „Song-orientiertesten“ auf dem Album und für die erste Single passend kompakt. Bis auf die Rhythmus-Sektion spielt Nad hier alleine.

Monte Carlo Priceless (5:38)

Der nächster Track klingt deutlich verträumter, wird dominiert von akustischen Gitarren und ist textlich etwas story-orientierter. Nicht direkt autobiografisch ist er teilweise inspiriert von Nads Vergangenheit, denn sein Vater war Tennis-Profi und hat unter anderem auf Turnieren in Monte Carlo mitgespielt, wozu ihn Nads Mutter begleitet hat. Insgesamt versteckt der Song nicht mehr, als man hinter dem Titel vermutet würde und fügt sich als Ruhepol mit seiner sommerlichen Atmosphäre und leichtem 60er-Jahre-Flair gut ein; besonders die subtile Steigerung, wenn der Song nach dem zweiten Refrain aufgeht, ohne auf eine richtige Klimax abzuzielen, gibt dem ganzen etwas spezielles.

Flowerland (5:06)

Flowerland nimmt die Stimmung von vorigen Track wieder auf, nur deutlich melancholischer, etwas entrückter und leicht jazzig angehaucht – auch hier schafft es Nad, verschiedene Stimmungen unterzubringen, ohne den Song zerfahren wirken zu lassen. Die melodisch straken Strophen klingen fast eher wie ein Refrain, während der Refrain eher wie eine Bridge klingt. Den etwas auffälliger inszenierten Bass spielt Nad hier selber; konträr dazu trägt ein helles Piano den insgesamt elektronisch anmutenden Song. Zusammen mit Monte Carlo Priceless bildet Flowerland eine schöne Suite, die die ruhige Seite des Albums zeigt, bevor es etwas wilder weitergeht.

Wildfire (6:30)

Mit dem ernsten Wildfire kehrt ein Stückweit die Härte vom Anfang des Albums zurück; Nick Beggs prägt den Refrain und wird von solierenden Orgeln begleitet. Die Kontrast zwischen Strophe und Refrain ist stark inszeniert und die ganze Dynamik des Tracks mit ruhigem Mitteilteil, Synthie-Solo von Lalle Larsson und Gitarren-Solo, diesmal von Nad selber, machen ihn zu einem Highlight des Albums und vielleicht zu dessen „progressivstem“ Track. Nad bringt in seinem Gesang viele Emotionen unter und zeigt seine ganze stimmliche Variabilität, bevor der abschließende Instrumentalteil den Song auf hohem Niveau enden lässt.

Make Somebody Proud (6:03)

Der nächste Song baut sich langsam mit den anschwellenden Gesangs-Einlangen von Jade Ell und Sheona Urquhart Smangs auf und mündet in einen vertrackten und Orgel-dominierten Strophenteil, der leichte Spocks Beard Vibes verbreitet und zu den komplexeren Abschnitten des Albums gehört. Der Refrain ist dafür umso eingängiger und setzt Jade und Sheona wiederum gut in Szene. Nach der zweiten Strophe wird ein hektischer, instrumentaler Mittelteil eingeschoben, der auf ein weiteres, großartigen Solo von David Kollar zusteuert. Der „erst“ zweite Refrain bildet dann etwas ausgespielter das Finale des Songs und löst ihn damit passend auf.

I’m Stepping Out (5:03)

Nad Sylvan - Foto: Diana Seifert

Den vorletzten Track eröffnet eine Cembalo-getragene, sehr schräge, an Gentle Giant erinnernde Strophe. Mit I’m Stepping Out meldet sich nach fast zwei Alben Abwesenheit dann doch wieder der Vampirate zurück. Und obwohl es lange ruhig um ihn war, wirkt es so, als sei er nie weg gewesen; sofort sind die ganze Elegie und Tragik, die ihn und seine Geschichte umgeben, wieder greifbar und er singt fast vorwurfsvoll, als hätten wir ihn nicht vermisst. Der Vampirate begrüßt immer noch das Drama und Nad vereint in seinem Gesang so viel Schmerz, aber auch Hoffnung, dass man mit dem Vampirate fast Mitleid hat und ihm wirklich glaube, die Last der ganzen Welt läge auf seinen Schultern.

Auf seiner ganz eigene Weise ist auch dieser Song ein Highlight, denn die Emotion des Vampirate, zusammen mit einer schrulligen Verschrobenheit bringen noch eine ganz neue Note ins Album.

Monumentata (5:15)

Der Titeltrack ist ganz am Schluss gesetzt und stellt die einzige richtige Ballade des Albums dar. Eher spärlich instrumentiert mit getragenem Piano, ein paar von Nad beigesteuerten Streichern, Felix Lehrmann am Schlagzeug und Tony Levin am Bass dürfte dies der persönlichste Song von Nad sein. Der Text ist größtenteils direkt gerichtet an Nads verstorbenen Vater, wobei auch das ganze Thema der Vergänglichkeit zu Tragen kommt und Nad sich auch mit seiner eigenen Sterblichkeit befasst. Es ist ein sehr ehrlicher und ungeschönter Track, der Tiefgang entwickelt, ohne übermäßigen Pathos auszustrahlen. Interessant ist, dass Nad sich selber, während er den Text sing, zwischendurch immer mal leise widerspricht, und sich selbst damit fast stört – er nimmt dem Song dadurch keineswegs die Ernsthaftigkeit, fügt ihm aber ein gewissen Augenzwinkern hinzu.

Hier ergibt sich auch der Titel des Albums: Nad beschreibt das Gefühl, dass seine Eltern fort sind und dass es auch ihn selbst irgendwann einmal trifft, als „monumental“. Er verband dieses Wort dann mit dem „Tata“. Dies ist das ungarischen Wort für Vater. Es ist eine Würdigung an seinen eigenen Vater, der ungarische Vorfahren hatte. Der Abschluss des Albums wirkt zwar traurig, doch aber versöhnlich. Musikalisch auffällig ist das Ausblenden, gerade als Nad ein Gitarrensolo beginnt, aber vielleicht ist auch das Teil der Message dahinter: der Song braucht nicht noch ein Extra, er hat das wichtigste gesagt.

Unkillable (Bonus Track / 3:53)

Auf der CD-Ausgabe enthalten ist auch noch ein Bonustrack, der nicht Teil des Songzyklus auf dem Album ist und damit hinter dem eigentlichen Abschluss steht. Unkillable hebt sich etwas ab von der Stimmung des regulären Albums und strahlt einen einen charmanten Country-Flair aus. Der Song ist kurzweilig und gut umgesetzt, wirkt aber noch nicht ganz fertig, wenn auch weit über ein Demo hinaus. Da das Album in sich aber sehr homogen klingt, ist es eine gute Wahl, Unkillable als Bonus-Track außerhalb des eigentlichen Albums zu belassen.

Fazit

Nach etwas über einer dreiviertel Stunde endet das Album in genau der gegenteiligen Stimmung, als es begonnen hat. Vom energischen, aggressiv aufspielenden Secret Lover bis zum bewegenden, zurückhaltenden Titeltrack macht das Album eine Menge Stimmungen durch. Es schafft es dennoch, einen kohärenten Gesamtsound zu halten. Es ist musikalisch deutlich mehr an den drei Album aus Nads Vampirate-Zeit, als an Spiritus Mundi. Dennoch bringt es gute Momente und Stärken aller vier Alben zusammen. So entwickelt das Album eine beachtliche Vielfalt und Dynamik. Man hört Nad an, dass er befreiter klingt. Es war für ihn auf Monumentata der richtige Moment, die Dinge als er selbst und aus einer eigenen Sicht zu zeigen, ohne sich an eine Handlung, ein Konzept oder Story oder an ein größeres ganzes gebunden zu fühlen.

Natürlich klang Nad auch als Vampirate ehrlich, authentisch und auch verletzlich. Aber hier ist es eben ganz er selbst, ohne eine Figur als Sprachrohr dazwischen. Somit steht am Ende ein musikalisch sehr interessantes und starkes Album mit eine schönen Balance aus Komplexität und Eingängigkeit, einigen Spotlight-Auftritten von Gastmusikern und der persönlichsten Note, die Nad je einem Album gegeben hat.

Autor: Ole Uhtenwoldt
Foto: Diana Seifert

Monumentata erscheint am 20. Juni und kann bei JPC und Amazon erworben werden *

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