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Mike + The Mechanics – Living The Years 2025 – Tourbericht

2025 tourten Mike + The Mechanics im Rahmen ihrer Looking Back: Living The Years Tour durch Großbritannien, Österreich und Deutschland.

Eine Tour von Mike + The Mechanics ist dieser Tage keine Seltenheit und dennoch schafften sie es, das Publikum zu überraschen. In diesem Tourbericht fassen wir die Tour im Frühjahr 2025 zusammen.

Vorgeschichte

Als die Mechanics 2019 auf Tour waren, lag das Thema Genesis-Tour in der Luft. Die Diskussion haben allerdings wenige ernst genommen, bis Mike Rutherford in Berlin auf der Bühne während der Phil Collins Show auftauchte. Kurz zuvor hatten wir ein Interview mit der Band in Dresden geführt, in dem Rutherford bereits die Möglichkeit einer Tour andeutete und Tim Howar vielsagend den großen Geist der großen Band Genesis beschwor. Diese Tour kam schließlich und sorgte für die erste große Unterbrechung für die Mechanics – denn seit 2011 waren sie in jedem Jahr auf Tour.

Nachdem Rutherford das Thema Genesis mit seinen Bandkollegen im März 2022 in London abgeschlossen hatte, ergaben sich auch wieder Möglichkeiten für Mike + The Mechanics. So kam es schnell zur Ankündigung der Refueled-Tour 2023. Die Tour führte die Band einmal mehr vor allem durch Großbritannien und es gab wieder einige Shows in Deutschland. Wieder einmal gingen andere Länder leer aus. Dennoch wurde die Tour zu einem großen Erfolg und mit Nic Collins kam auch frischer Wind in die Band. 2024 gab es dann aber keine Konzerte.

Alte Wortspiele, neue Tour

Roadcase auf der Tour

Schließlich wurden 2024 neue Konzerte für 2025 angekündigt: Die Band sollte erneut in Großbritannien und Deutschland spielen und hierzulande dieses Mal sogar 13 Shows. Seit langer Zeit wurde auch mal wieder eine Show in Wien angekündigt. Außerdem gab es zwei Konzerte in Südafrika, die der eigentlichen Tour aber vorgeschaltet waren und daher auch im Prinzip aus dem Set der 2023er Tour bestanden. Ein Gastpsiel des Sängers Arno Carstens, der ja auf The Road ebenfalls als Sänger beteiligt war und in Südafrika lebt, gab es aber nicht.

Die Tour bekam den Titel Looking Back: Living The Years und viele dachten schon, dass es erneut ein routiniertes Best-Of Programm geben würde. Außerdem wurde auch ein größerer Anteil von Genesis-Songs angekündigt. Etwas überraschend war der Mechanics-Schlagzeuger Gary Wallis (der 2023 noch aus gesundheitlichen Gründen fehlte) erneut nicht dabei und wieder nahm Nic Collins seinen Platz ein.

„… und dann brach ich mir meine verdammte Hüfte“

Zwischen den Shows in Südafrika und dem Tourstart in Glasgow ging Mike Rutherford mit seinen Enkeln in Frankreich Ski fahren. Bei einem Sturz brach er sich die Hüfte und wurde direkt operiert. Es wurde ihm eine neue Hüfte eingesetzt und dennoch wollte Mike die Tour durchziehen. Darüber haben uns Mike und Tim in den Interviews ausführlich berichtet. So kam es zu den denkwürdigen Auftritten von Mike, bei denen er auf Krücken auf die Bühne kam und die Show überwiegend sitzend spielte. Dafür wurde ein Instrumentenständer umgebaut bzw. angepasst, so dass Mike halb angelehnt, halb sitzend eine für seine Hüfte wohl günstige Position einnehmen konnte.

Im Laufe der Tour verbesserte sich seine Physis immer mehr. Zum Zeitpunkt unseres Interviews mit ihm in Leipzig nutzte er zwar noch eine Krücke, konnte aber schon wieder ordentlich gehen. Wenngleich die Rekonvaleszent auf Tour sicher keine optimale Bedingung war, so nötigt einem dieser Einsatz und Wille doch einigen Respekt ab. Mike ist 74, hatte eine Hüftoperation und spielte trotzdem gleich danach 44 Shows.

Eine eingespielte Band

Nach dem Soundcheck in Berlin - Nic auf der Bühne

Seit 2011 hat sich die Band kaum verändert. Tatsächlich gab es nur auf der Position des Schlagzeugers diverse Wechsel. Diese Wechsel kamen in der Regel zustande, weil der Zeitplan von Gary Wallis nicht immer mit dem der Band kompatibel war. So spielte mal Ben Stone Schlagzeug (2012), mal Phillipp Groysboeck (2016) und mal Steve Barney (2017). Nic Collins sprang 2023 ein und wurde wie erwähnt auch für 2025 wieder verpflichtet. Die Hintergründe dazu hat uns Mike im itInterview erläutert.

Tim Howar und Andrew Roachford sind die beiden festen Größen am Mikrofon und teilen sich die Arbeit auf der Bühne auch etwa hälftig auf. Luke Juby spielt Keyboards und Bass – und pfeifft auch ganz passabel. Und schließlich ist da noch Anthony Drennan zu nennen, der ja 1998 mit Genesis bereits tourte und Gitarre sowie Bass spielt.

Die Bühnenshow 2025

Für die diesjährige Bühnenshow griff die Band auf kleine, aber effektvolle Showelemente zurück. Drei „Vorhänge“, die eher eine Art Blenden oder vertikal angeordnete Jalousien sind, wurde über den Musikern versetzt an der Decke angebracht. So konnte die Bühne rein optisch stark vergrößert werden und diverse Lichteffekte stilvoll in Szene gesetzt werden. Die Idee dazu kam übrigens von Mike selbst, wie uns Paul Howling (Lichtdesigner der Tour) im Interview verriet.

Die Anordnung der Musiker war klassisch: Im hinteren Teil der Bühne wurde zentral und etwas erhöht das Schlagzeug von Nic Collins aufgebaut. Davor stand leicht links versetzt das Keyboard von Roachford und links daneben das von Luke Juby. Anthony Drennan stand wie gewohnt auf der rechten Seite der Bühne und Mike Rutherford rechts von der Mitte. Tim Howar wechselte von seiner Position links neben den Schlagzeug (Background-Gesang und Percussions) für den Leadgesang ins Zentrum, ebenso wie Roachford, wenn er nicht gleichzeitig Keyboards spielte.

Die Setlist

Während einer Tour haben die Mechanics selten ihren Set verändert und das blieb auch 2025 so. Die Band spielte 44 Mal das gleiche Programm. In Großbritannien gab es eine Pause nach ca. 1 Stunde, während sie in Deutschland und Österreich gut zwei Stunden durchgespielt haben. Hier freuen wir uns über längere Sets, denn eine ganze Weile haben die Mechanics nur 95 oder 100 Minuten gespielt. Folgende Songs wurden jeden Abend gespielt:

Soundcheck-Zeit

A Beggar On A Beach Of Gold
Another Cup Of Coffee
Get Up
Song For You, Song For Me
Land Of Confusion
Let Me Fly
East And West Of The Sun
The Best Is Yet To Come
Silent Running

Nobody Knows *
Invisible Touch *
Everybody Gets A Second Chance *
Out Of The Blue *
Follow You Follow Me *
The Living Years
I Can’t Dance
Cuddly Toy
All I Need Is A Miracle

Zugaben:

Over My Shoulder
Word Of Mouth

Die mit * versehenen Songs wurden in einem Akustik-Block teils stark verkürzt gespielt. In diesem Block versammelte sich die gesamte Band in der Mitte der Bühne und auch Nic nahm an einem sehr reduzierten Schlagzeug Platz.

Neue Songs im Set

Tatsächlich wurde vor der Tour bekannt, dass die Band Ende 2024 drei oder vier neue Songs aufgenommen hatte. Dies nährte die Vermutung, dass es doch ein neues Album geben könnte – vielleicht sogar zur Tour. Doch zur Tour erschien nur ein weiteres Best-Of Album im Tourdesign und mit dem Tourtitel. Somit dürfte ein neues Album erst zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen. Weitere Sessions sind im Laufe des Jahres geplant.

Im Set der 2025er Tour waren aber zwei der neuen Songs. Das von Roachford gesungene Song For You, Song For Me hat eher balladesken Charakter, während das von Howar gesungene East And West Of The Sun eher in die Kategorie Pop/Rocksong fällt. Beide Stücke haben ein ordentliches Niveau und kamen jeweils gut beim Publikum an. Mike Rutherford verriet uns, dass er gern noch einen dritten live gespielt hätte, dies aber durch die verkürzte Proben nach seiner Hüftoperation nicht möglich war.

Ablauf der Show

Der Beginn mit A Beggar On A Beach Of Gold, Another Cup Of Coffee und Get Up ist fast schon ein Klassiker. So in der Art haben alle Shows der Mechanics seit 2011 angefangen. Auf dieser Tour gab es aber vor dem ersten Song zunächst die Begrüßung durch Mike und die Erläuterung, warum er nicht richtig stehen und laufen kann.

Showtime (Berlin)

Land Of Confusion, übrigens gespielt in der Original-Tonart, holte dann die Zuschauer erstmals von den Sitzen und hier zeigte sich auch Nic sehr spielfreudig und sein Drumming war schon sehr hart / rockig. Überhaupt hat er ein paar Freiheiten ausgenutzt und seine Weiterentwicklung ist beachtlich. Mit Let My Fly und The Best Is Yet To Come sind zwei Songs des Albums Let Me Fly dabei, die mehr und mehr zu Live-Klassikern der Mechanics werden.

Den Abschluss des ersten Teils bildet dann der Klassiker Silent Running, der – zumindest was den Gesang angeht – eher eigenwillig von Roachford dargeboten wird. Und so raunte ein Zuschauer in Berlin neben mir „was macht er denn da mit dieser tollen Melodie?“ – Geschmacksache eben … und eben live. In Großbritannien kam an dieser Stelle eine 20minütige Unterbrechung.

Der Akustik-Block

Seit einiger Zeit sind kleine Akustik-Blöcke Teil verschiedener Live-Sets, insbesondere auch im Genesis-Umfeld. Auch die Mechanics haben das kultiviert. Vorteil solcher Blöcke ist, dass man Songs in ungewöhnlichem Gewand spielen kann. Und es bietet auch die Chance, den ein oder anderen „Deep Cut“ einzubauen. Dazu gibt es Songs, die von ihrer Machart her prädestiniert sind für eine akustische Version.

Tim Howar und Andrew Roachford in Berlin

Ein solcher Song ist sicherlich Follow You, Follow Me. Dieser war auch schon auf der letzte Genesis-Tour (wie auch auf der Calling All Stations Tour) akustisch dargeboten worden. Eher unerwartet kam dagegen Invisible Touch und diese Version macht in der Tat auch Spaß. Nobody Knows und Everybody Gets A Second Chance sind irgendwo dazwischen. Und schließlich gab es mit Out Of The Blue noch den Titelsong des letzten Mechanics-Albums.

Welthits

Nach dem Akustik-Intermezzo startet Roachford seine Gesangsimprovisation, die das Intro von The Living Years bildet. Seine Interpretation dieses Klassikers ist schlicht Weltkasse. Dazu kommt, dass die Band das Stück dramaturgisch exzellent aufbaut und schließlich mit Einsetzen des Schlagzeug gar eine Power-Ballade daraus wird. Dieser Song lässt keinen kalt und das Publikum dankte es der Band mit tosendem Applaus.

Der war kaum verhallt, da hört man die ersten Takte von I Can’t Dance. Und bei späteren Shows der Tour lief Mike auch tatsächlich ein wenig über die Bühne, während Howar seine gesamten Rampensau-Qualitäten in die Waagschale warf und den berühmten Gang initiierte. Warum man allerdings wieder auf die zweite Strophe verzichtet hat, ist unbekannt.

All! I! Want!

Zu einer regelrechten Messe transformierten Roachford und Tim Howar die letzten beiden regulären Titel des Sets. Zunächst gibt es mit Cuddly Toy den wohl größten Roachford Solohit, der seit langem einen festen Platz im Set der Mechanics hat. Dieses Mal testete Roachford Nic, in dem er eine absurd hohe (und jeden Abend andere) Anzahl von Beats abfordete (immer nach „I told you once, I told you twice, I told you three times“. Zuweilen waren das weit über 20 „times“ und naürlich lag Nic jedes Mal richtig. Cuddly Toy ist einer dieser Band-Zuschauer-Momente, in der maximale Freiheiten gewährt werden.

Howar macht es dann ähnlich. Die treibenden, wuchtigen Drums von All I Need Is A Miracle nehmen das Publikum sofort mit und Howar fackelt nicht lange und zieht die Zuschauer in seinen Bann. Gleich mehrfach fordert er das Publikum zum Mitsingen auf und lässt dann auch die Zuschauer gern ein Echo singen. „All I Want“ singt er und „All I Need“ singen die Zuschauer. Nicht fehlen darf die Tanzeinlange mit einer Zuschauerin am Bühnenrand. Der Song bleibt ein großer Mechanics-Klassiker und ein würdiger Abschluss des regulären Sets.

Nicht enden wollende Zugabe

Mike und Andrew

Zwei Songs gibt’s dann noch oben drauf und das dauert meist etwa 20 Minuten. Over My Shoulder zeigt (neben einer kleinen einstudierten Gitarrenchoreographie von Mike und Anthony) dann auch Luke Jubys Fähigkeiten beim Pfeiffen, ohne das der Song nicht auskommen kann. Die Krönung der Show ist dann aber Word Of Mouth, die nicht enden wollende letzte Zugabe des Sets.

Howar sucht wieder das Echo des Publikums und wird in der Regel nicht enttäuscht. Die Band wird vorgestellt und jeder Musiker spielt ein Solo. Eindrucksvoll ist natürlich Nics Schlagzeugsolo. Manchmal erinnert er in seiner Spielweise tatsächlich an seinen Vater, aber er hat schon seinen eigenen Stil. Die anderen Musiker spielen etwa Private Dancer und Superstition (Roachford) oder Purple Haze (Rutherford). Luke Juby gibt ein ausgedehntes Keyboardsolo zum besten und Anthony Drennan spielt ein gediegenes Gitarrensolo.

Was bleibt

Mike + The Mechanics waren 2025 in der Form ihres Lebens. Sie spielten eine erstklassige Show und lieferten richtig ab. Neben dem Hit-Festival und einigen Genesis-Hits gab es auch zwei neue Songs, die dankbar vom Publikum aufgenommen wurde. Unterm Strich war es Entertainment auf Spitzenniveau. Natürlich hätten sie andere Songs spielen können, einen mutigeren Set, mehr Deep Cuts. Am Ende sollte man sich aber bewusst machen, dass die Mechanics für ein anderes Publikum spielen, als den hardcore-Fan. Der Set funktionierte wunderbar und auch langjährige Fans erlebten zwei kurzweilige Stunden.

Es gab Gerüchte, dass Mike nach 40 Jahren das Thema Mike + The Mechanics zu den Akten legen will. Sollte das so sein, dann wäre die Show in Berlin das letzte Konzert der Mechanics überhaupt gewesen. Allerdings sprechen einige Faktoren dagegen: Es gibt neue Songs, Mike will auch weitere schreiben und aufnehmen und niemand im Umfeld der Band, auch Mike nicht, haben den Eindruck vermittelt, dass es das war. The Best Is Yet To Come.

Autor: Christian Gerhardts
Fotos: Peter Schütz / Christian Gerhardts

Links

Tourdaten der Tour
Interview mit Mike Rutherford (Leipzig)
Interview mit Tim Howar (Leipzig)
Interview mit Steve Carr und Paul Howling (Berlin)

Weitere Fotos (Leipzig):