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Mercy Street & Regatta de Blanc – Schere | Stein | Papier – Konzertbericht
Die deutschen Tribute Bands Regatta de Blanc (Sting) und Mercy Street (Peter Gabriel) bringen unter den Motto Schere | Stein | Papier die Rock Paper Scissors Tour auf deutsche Bühnen.
Doppel-Tribute mit „Gänsehautentzündung“ – 12. September 2025 – Oberhausen, Ebertbad
Die Vorgeschichte
Inzwischen ist es 9 Jahre her, dass Peter Gabriel und Sting gemeinsam mit ihrer Rock Paper Scissors Tour in Nordamerika unterwegs waren. Beide spielten eigene Stücke (und ein paar von The Police) und sie spielten jeweils auch Stücke des anderen. Leider kam diese Tour nie nach Europa. Beide Sänger verfolgten eigene Albumprojekte und so verlief diese so vielversprechend begonnene Kooperation irgendwann im Sand. Mit fortschreitender Wartezeit schwand dann bei den Fans diesseits des Atlantiks mehr und mehr die Hoffnung, diese Tour jemals live zu sehen. So auch bei mir…
Gegenwart
… bis im Herbst 2024 eine Ankündigung aufhorchen ließ. Die Gabriel-Tribute-Band Mercy Street und die Sting/The Police-Tribute-Band Regatta de Blanc hatten sich – fast schon logisch in dieser Konstellation – dem Projekt verschrieben, die vorgenannte Tour der beiden „Originale“ für Fans in Deutschland (und Europa?) auf die Bühne zu bringen.
Erfreulicherweise lag gleich das zweite Konzert der Tour in für mich gut erreichbarer Entfernung. So kaufte ich mir ein Ticket für die Show im Oberhausener Ebertbad. Beide Tribute Bands hatte ich bislang nie live gesehen. Insbesondere aber von Mercy Street hatte ich schon sehr viel gehört und in sozialen Netzwerken als Video gesehen. Die Bewertungen waren dabei durchweg sehr gut. Gleiches gilt auch für Regatta de Blanc. Und um das direkt vorwegzunehmen: ich wurde nicht enttäuscht.
Das Ebertbad ist ein historisches Schwimmbad und mittlerweile eine etablierte Konzert- und Kleinkunstbühne. Es bietet in Reihenbestuhlung Platz für etwas mehr als 400 Zuschauer. Man kann es also getrost als eher intimen Veranstaltungsort bezeichnen. Mit seiner umlaufenden Empore wirkte es auf mich wie eine kleine Version des The Point Depot in Dublin. Das Publikum war altersmäßig durchmischt, wobei die jüngsten Zuschauer doch mindestens Ü40 zu sein schienen. Was die Verteilung der Fanlager Gabriel zu Sting/The Police angeht, war nach Tour- und anderen Fan-T-Shirts zu urteilen der Großteil eher Anhänger des früheren Genesis-Frontmanns. Sting-Fans waren meinem Eindruck nach deutlich in der Unterzahl, wobei die deutliche Mehrheit der Besucher neutral gekleidet war.
Das Konzert startete pünktlich um kurz nach 20.00 Uhr. Den Auftakt machte wie schon bei der „echten“ Tour The Rhythm Of The Heat. Danach folgte Stings If I Ever Lose My Faith In You. Es sollte aber im weiteren Verlauf durchaus individueller werden. Offensichtlich war das Bestreben beider Bands nicht, eine 1:1-Kopie der Originaltour zu reproduzieren. Vielmehr wollten sie sich ohne Zwänge am groben Gerüst der damaligen Konzertabläufe orientieren. Wie erwähnt hatte es vor Oberhausen bereits einige Tage zuvor ein weiteres Konzert in Unna gegeben. Diese beiden Shows hatten insgesamt die gleiche Songauswahl, aber ziemlich abweichende Abläufe. Vermutlich lag das daran, dass in Oberhausen anders als in Unna das Konzert zweigeteilt gespielt wurde mit einer ca. 20-minütigen Pause.
Bei der Begrüßung durch die beiden Frontmänner Ulf Pohlmeier (Mercy Street) und Michael „Mick“ Griese (Regatta de Blanc) konnten beide ihre leidenschaftliche Begeisterung für das Projekt nicht verbergen und hielten sich auch mit gegenseitiger Wertschätzung nicht zurück. Mick Griese sorgte mit seiner Wortschöpfung der „Gänsehautentzündung“, die das Projekt bei ihm ausgelöst hat, für Lacher im Publikum. Beide Bandleader sind keine Doppelgänger von Gabriel bzw. Sting, aber Kleidung und Bewegungsabläufe lassen keine Zweifel daran, wen sie auf der Bühne verkörpern. Insgesamt standen 13 Musiker auf der Bühne in einer gemischten Anordnung. Allein diese Durchmischung unterstreicht, wie eng beide Bands durch diese Kooperation zusammengerückt sind.
Die Songauswahl umfasste bekannte Gabriel, Sting- und The Police-Hits. Es waren aber auch zumindest für den Gelegenheitshörer eher unbekannte Stücke der betreffenden Musiker dabei. Als Beispiel sei hier eine großartige Version von Sky Blue genannt, das bei der Rock Paper Scissors Tour nie gespielt wurde. Peter Gabriel hatte den Song nur auf der Growing Up Tour 2002/2003 im Programm. Ich selbst bin Sting und The Police nicht abgeneigt, würde mich aber nicht als deren Fan bezeichnen. Dennoch waren mir die meisten der aus diesem Repertoire gespielten Songs mehr oder weniger bekannt. Die Songs beider „Lager“ passen insgesamt sehr gut zusammen, so dass ein unwissender Zuschauer vermutlich ohne weitere Erläuterungen gar nicht merken würde, dass er Stücke zweier völlig unterschiedlicher Künstler hört.
Auf der Originaltour sangen Peter Gabriel und Sting auch einzelne Stücke des anderen (Peter Gabriel sang If You Love Somebody Set Them Free, Sting sang Shock The Monkey). Bei der aktuellen Adaption durch Regatta de Blanc und Mercy Street bleiben die Frontmänner hinsichtlich Leadvocals bei den Songs ihres jeweiligen Originals. Aber bei diversen Songs singen sie gemeinsam, u. a. singt Mick bei Red Rain mit und Ulf bei Englishman in New York. Es gibt aber noch deutlich mehr Stücke, an denen beide gesanglich beteiligt sind. Auch in diesem Punkt ist diese Kopie sehr nah am Vorbild.
Übrigens fanden weder Mercy Street noch Regatta de Blanc (also die Songs, die den Bands ihre Namen gaben) Berücksichtigung in der Setlist. Dafür durfte der Eröffnungsteil von Dancing With The Moonlit Knight, das 2016 bis auf eine Ausnahme von Sting gesungen wurde (in Edmonton sang Peter Gabriel diesen Part), nicht fehlen. Gesungen wurde er von Ulf Pohlmeier.
Untermalt wurde die Show von einer relativ einfachen, aber effektvollen Lichtshow begleitet von liebevoll und aufwendig eigenproduzierten Hintergrundvideos, die auf einer Leinwand an der Bühnenrückseite gezeigt wurden. So ergab sich durch die Mischung von visuellen Effekten, musikalisch hochwertiger Songdarbietung und purer Spielfreude beider Bands ein einzigartiges Konzerterlebnis. Es war eine Show, die sowohl energiegeladen als auch ruhig-besinnlich daherkam und damit insgesamt sehr ausgewogen wirkte. Mit dem Gabriel-Hit Solsbury Hill ging die erste Hälfte zu Ende und genau wie Teil eins wurde auch Teil zwei mit einem Gabriel-Song (Secret World) eröffnet.
Im zweiten Showteil bekamen auch die beiden Backgroundsängerinnen Gelegenheit, ihr Können nicht nur im Hintergrund zu beweisen. Zunächst sang Katja Symannek mit Ulf Pohlmeier ein umjubeltes Duett bei Don’t Give Up. Vor diesem Song überraschte Ulf das Publikum mit ein bisschen Trivia, als er anhand eines Schwarz-Weiß-Fotos wissen wollte, welche Gesangspartnerin Gabriel statt Kate Bush ursprünglich für diesen Song vorgesehen hatte (na, wer kommt drauf?). Diesem Duett folgte mit Desert Rose ein weiteres mit Mick Griese und seiner Tochter Maja. Und spätestens mit diesem Stück nahm die Show Schwung auf mit einer Zielgeraden, die mit Englishman In New York, Every Breath You Take, Sledgehammer und Roxanne einen Hit nach dem anderen bot. Zwischenzeitig mischten sich die beiden Sänger sogar unter das Publikum und sangen inmitten ihrer Fans.
Die erste Zugabe umfasste mit In Your Eyes und So Lonely zwei weitere Live-Dauerbrenner. Und tatsächlich gab es nach diesem schwungvollen Zugabenteil einen zweiten, der überraschenderweise einen ruhigen, fast schon nachdenklichen Abschluss bildete. Nach Here Comes The Flood endete die Show mit einer wunderschönen und ruhigen Version von Fragile. Fragile war 2016 fester Bestandteil der Rock Paper Scissors Tour, wurde aber eher in der Mitte der Show gespielt. Interessanterweise beendet Sting seine aktuelle Sting 3.0-Tour mit eben diesem Stück.
Fazit
Für ein Fazit habe ich mein Pulver an Superlativen fast schon verschossen. Es dürfte aber auch so klar geworden sein, dass mich diese Show und die Umsetzung dieser an sich schon fantastischen Projektidee komplett begeistert hat. Ich habe schon viele Tribute-Bands aus dem Genesis-Kosmos gesehen (The Musical Box, The Watch, Carpet Crawlers, Face Value, Phil, Geneses, Still Collins, The Music Of Genesis), aber diesen Konzertdoppelpack würde ich ohne zu zögern als denkwürdigsten und unterhaltsamsten bezeichnen, den ich in diesem Genre bislang erlebt habe.
Mercy Street und Regatta de Blanc haben sich ein ohnehin einzigartiges Projekt herausgepickt, dieses frei reproduziert und mit eigenen Ideen aufgefrischt. Diese Show ist für alle, die die Musik von Gabriel lieben und auch Sting/The Police nicht abgeneigt sind, ein absolutes Muss. Ich werde mich noch lange sehr gerne an diesen Abend erinnern!
Autor: Ulrich Klemt
Fotos: Kay Schilling (Vielen Dank an Mercy Street für die Erlaubnis, offizielle Bilder zu nutzen!)
Setlist
The Rhythm Of The Heat
If I Ever Lose My Faith In You
King Of Pain
Digging In The Dirt
Dancing With The Moonlit Knight (Intro)
Message In A Bottle
Sky Blue
Red Rain
Bring On The Night / When The World Is Running Down, You Make The Best Of What’s Still Around
Solsbury Hill
*** Pause ***
Secret World
Every Little Thing She Does Is Magic
Don’t Give Up
Desert Rose
Shaking The Tree
Fields Of Gold
Englishman In New York
Every Breath You Take
Sledgehammer
Roxanne
*** Zugaben ***
In Your Eyes
So Lonely
Here Comes The Flood
Fragile
Line-Up Mercy Street
Ulf Pohlmeier – Gesang
Patrik Winckler – Gitarre
Roman Fuchß – Bass
Thomas Elsenbruch – Keyboards
Sven Hansen – Schlagzeug, Percussion
Katja Symannek – Backing Vocals
Line-Up Regatta de Blanc
Michael Griese – Gesang, Bass
Tom Quast – Gitarre
Jonas Wilms – Drums
Markus Wentz – Keyboards
Dimitri Telmanov – Trompete
Wim Wollner – Saxophon
Maja Griese – Backing Vocals
Links:
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