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Interview mit Felix Lehrmann (Steve Hackett Band)
Im Juni hatten wir Gelegenheit mit dem deutschen Schlagzeuger Felix Lehrmann über sein Engagement bei Steve Hackett, eigene Projekte und über Genesis allgemein zu sprechen.
Felix Lehrmann lebt in Berlin und hat im Laufe seiner Karriere schon etliche Jobs als Schlagzeuger übernommen und dabei auch viele Genres bedient. Er hat auch eine eigene Band – Marriage Material. Im Frühjahr 2025 vertrat er Craig Blundell auf der Steve Hackett Tour und wird auch während der Italien-Tour am Schlagzeug sitzen. Wir sprachen mit Felix am 19. Juni 2025 via Zoom über diese Zeit und andere Projekte.
it: Hallo Felix, schön dass das klappt. Dein Name taucht ja in der deutschen Musikszene öfter mal auf und mir war er auch schon mal begegnet. Also lass uns mal so anfangen: Wann und wo hast du mit Helge Schneider gearbeitet?
Felix: Hallo Christian – ja ich freue mich auch, dass das klappt. Helge … das war bei Jan Böhmermann in der Sendung. Da war ich für vier Staffeln und Helge kam zweimal vorbei. Und wenn man die Chance hat, mit Helge Schneider zwei Mal in so einer Sendung zu arbeiten – da musste ich ihn einfach in meine Credit-Liste aufnehmen. Bei Böhmermann haben wir lange geprobt mit Helge und dann beim Auftritt hat er was völlig anderes gemacht. Ich meine, okay – das ist bei Helge zu befürchten, aber das war wirklich unglaublich.
it: Ich habe gesehen, dass du eine eigene Band hast, aber grundsätzlich wohl eher ein Session-Schlagzeuger bist. Kann man das so sagen?
Felix: Ja, durchaus. „Hired Gun“ im Englischen. Ich liebe das sehr.
it: Und wie kommt man dazu? Du hast ja auch sehr früh mit dem Schlagzeugspielen angefangen…
Felix: Mein Vater Michael Lehrmann ist auch Musiker, er spielt Gitarre und war in vielen Ost-Bands unterwegs. Er ist nach wie vor aktiv. Ich hatte früh die Chance, mir ein Instrument auszusuchen. Und was macht man als kleiner Junge? Man nimmt das lauteste und aufdringlichste Instrument. Deswegen hatte ich, seit ich drei war, ein Schlagzeug im Kinderzimmer. So ging der Wahnsinn los. Ich war immer auf Konzerten meines Vaters. Mein erster Lehrer war auch ein Drummer, mit dem mein Vater auch heute immer noch arbeitet – Frank Schirmer. Ich hatte also das große Glück, dass ich sehr früh hineingeworfen wurde. Und es war schon immer mein Traum, mit so vielen unterschiedlichen Bands wie möglich zu spielen. Und so auch verschiedene Genres zu spielen.
it: Du lebst ja in Berlin und hast dort auch dein eigenes Studio?
Felix: Genau, ich lebe in Berlin seit ich drei bin und bin auch gerade in meinem eigenen Studio.
it: Welches Schlagzeug spielst du?
Felix: Aktuell spiele ich Gretsch Drums. Dabei bleibe ich jetzt auch erst mal.
it: Gretsch hatte ja ein schönes Special über Nic Collins gemacht…
Felix: Nic spielt super, ich bin total begeistert von ihm, ein fantastischer Schlagzeuger.
it: Wie läuft das denn bei dir? Suchst du dir die Jobs aus oder spielst du alles, was so kommt?
Felix: Ich spiele auch nicht mehr alles, aber früher war das so, da hab ich alles gemacht, was so zeitlich ging und das habe ich auch nie bereut. Deswegen bin ich vermutlich auch so breit aufgestellt. Heute wähle ich danach aus, was der Kalender hergibt und natürlich wie es bezahlt wird. Und auch wie viel Spaß es macht. Je älter ich werde, desto mehr merke ich, wie wichtig es ist, Freunde im Backstage zu haben. Und das ist aktuell bei allen Bands, mit denen ich unterwegs bin, gegeben.
it: Wie bist du zu den Flower Kings gekommen?
Felix: Genauso wie ich zu Steve Hackett gekommen bin – Jonas Reingold hatte mir eine Email geschrieben. Davor wurde ich auf einer Party in Schweden den Flower Kings empfohlen. Jemand der auf der Party war, hatte mich zuvor spielen sehen und dann bekam er mit, dass die Flower Kings einen neuen Schlagzeuger suchten und empfahl mich. Dann schrieb mir Jonas die Email „We are The Flower Kings, looking for a drummer“ und ich dachte erst, was ist denn das für eine Cover-Band? Was für ein komischer Band-Name. Und so hab ich zunächst auch gar nicht reagiert. Eine Woche später schrieb er nochmal. Ich kannte die Band gar nicht und hab dann mal die YouTube-Links aufgemacht. und dann sind daraus fünf Jahre großes Entertainment und Realsatire geworden.
it: Jonas ist auch ein cooler Typ …
Felix: Absolut, und gerade Bassisten und Drummer müssen gut harmonieren. Jonas ist Schuld, dass ich überhaupt in dieses Progressive-Rock-Universum reingezogen wurde.
it: Okay, dann war also auch Jonas der Türöffner für die Hackett Band und das lief nicht über Craig?
Felix: Genau.
it: Und wie ist das gelaufen? Hat Steve dich dann angerufen? Hast du vorgespielt?
Felix: Nein, Steve vertraut Jonas, wenn er jemanden empfiehlt. Jonas schrieb mir eine SMS „are you up for some Prog?“. Dann haben wir die Zeiträume gecheckt, ich musste ein paar Dinge umorganisieren, auch privates aber hey – das war das geringste Übel. Danach hatte ich vor allem Kontakt mit Steves Management. Steve kannte ich auch, er ist vor ein paar Jahren mal bei einem Flower Kings Gig aufgetaucht. Aber richtig in Kontakt mit Steve kam ich dann erst am ersten Probetag in London, da haben wir drei Tage geprobt. Es hat Steve wohl gefallen, ich denke er hat vom ersten Moment an gespürt, dass ich keinen Bullshit mache. Das war eine große Ehre. Wenn einer wie er das abnickt, dann weiß man, dass man sich gut vorbereitet hat.
it: Mal als Laie gefragt. Wenn man so einen Job bekommt, dann wirst du ja vermutlich eine Liste mit Songs bekommen. Wie lange brauchst du denn da für die Vorbereitung?
Felix: Richtig, ich bekomme eine Liste mit Songs, dazu die Studioaufnahmen und die Liveaufnahmen. Die aktuellsten Liveaufnahmen sind da natürlich die Referenz. Daran muss man sich orientieren. Das ist natürlich wirklich kompliziertes Zeug. Das ist nicht das Arrangement alleine, man muss die Songs wirklich kennen. Und ich hab lange nicht mehr so viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt wie für diese Band.
it: Und dann reichen drei Probetage mit der Band?
Felix: Naja, wenn ich bei den Proben auftauche, muss ich so vorbereitet sein, dass ich den Gig direkt spielen könnte. Da dürfen keine Fragen mehr offen sein. Am ersten Probetag haben wir alles durchgespielt. Nach dem zweiten Tag hat mich Steve dann beseite genommen und meinte „erzähl das den anderen nicht, aber brauchst du wirklich noch einen dritten Tag?“ und das war für mich eigentlich das allergrößte Kompliment. Ich hab dann aber gesagt ich würd den dritten Tag gern noch spielen. Steve ist ein feiner Kerl und der wusste ja, dass wenn er mich das vor allen anderen fragt, dann würden die mich sicher ausbuhen, wenn ich noch mehr proben will. Aber am Ende ist es auch viel Material und ich hab’s zum ersten mal gespielt. Also …

it: Wie viel Freiraum hast denn denn, die Sachen zu spielen? Es gibt ja gerade bei den Genesis-Tracks typische Phil Collins Fills … Gary O’Toole hat das schon etwas freier interpretiert und auch Craig hat da seinen eigenen Stil. Du bist da ja auch noch mal anders – also wie sieht das aus?
Felix: Ein bisschen muss man das wie klassiche Musik angehen. Es gibt nicht wirklich viel Freiraum. Da sind auch viele Kleinigkeiten, die drin sein müssen. Aber am Ende des Tages kann ich mich trotzdem ausleben. Natürlich gibt es ein paar Fills, die müssen kommen. Ich habe aber Interpretationsspielraum. Steve ist da auch empfänglich für. Er freut sich auch, wenn bei jedem Gig ein bisschen was anderes passiert. Also einerseits ist es sehr festgelegt, aber andererseits kann ich auch alles geben.
it: Mir ist aufgefallen, dass du anders als Craig, das Drumsolo vor Los Endos sehr kurz hältst. Warum?
Felix: Naja die Jungs haben mich gefragt und ich dachte – okay, nach zweieinhalb Stunden – brauchen wir das dann noch? Also mein Ego hat sich da nicht drum gerissen. Ich spiele gerne mal ein Solo, keine Frage, aber an dem Punkt in der Show, wenn ich da jetzt noch mal 5-10 Minuten so ein Fass aufmache, das langweilt doch. Es hat dann keiner vermisst.
it: Jetzt die Supper’s Ready-Frage. Also ich bin kein Musiker, aber ich hatte das Gefühl, dass du den 9/8 Takt bei der Apocalypse sehr anders gespielt hast. War das überhaupt noch 9/8 oder hast du da was anderes gespielt?
Felix: Nein, das war schon 9/8 – also die 9 läuft durch, aber ich probiere das manchmal einfach drüber zu spielen. Um dann nach 4 oder 5 Takten wieder auf der eins zu landen. Ich versuche mich nicht die ganze Zeit in dem 9/8 Korsett aufzuhalten, sondern das ein bisschen aufzubrechen. Ich halte mich da nicht streng an das Original. Phil hat das auch improvisiert und es ist dann Teil der Komposition geworden. Chester hat das auch oft in Anlehnung an Phils Original gespielt. Aber das war genau so ein Part wo ich gesagt habe – das spiele ich jetzt nicht 1:1 nach, hier mach ich mein eigenes Ding.
it: Ich fand das erfrischend anders, aber mich hat es sehr interessiert, was du da technisch anders gemacht hast. Aber bist du überaupt ein Genesis-Fan?
Felix: Ja, schon. Aber meine Genesis-Ausbildung, wenn man so will, die beginnt 1976, als Phil gesungen hat. Ab da kenne ich die Tracks in- und auswendig. Die Sachen davor – da kannte ich schon viel von, aber trotzdem war da noch eine größere Bildungslücke. Da musste ich einiges aufholen. Aber ja, ich bin totaler Genesis-Fan, das ist eben eine der größten Bands aller Zeiten.
it: ok, dann ist es ja leichter. Andere machen das dann nur als Job, vermutlich
Felix: Es ist auch eine Riesen-Ehre, das mit Steve zu spielen. Das ist auch der letzte Atemzug einer Generation von Musikern .. auch die Art, wie getourt wird und wie miteinander Musik gemacht wird. Sehr sehr speziell da ganze.
it: Wie ist denn das, wenn man in so ein gewachsenes Gefüge kommt? Die Band ist ja schon lange in fast immer identischer Besetzung zusammen und haben einen ganz eigenen Umgang miteinander. Wie ist das, wenn man da als neuer hinzukommt? Die necken sich ja ständig.
Felix: Die Briten sind schon hart [lacht]. Das ist einn anderes Kaliber. Da muss man einfach offen sein und guten Wind versprühen … man kann ja nicht erwarten, dass man mit jedem super klar kommt. Aber in dem Fall sind das alles sehr sehr nette Zeitgenossen. Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Und dann läuft es auch.
it: Wenn du als überwiegend Session-Musiker eine Tour machst, dann ist das ja auch ein völlig anderer Tagesablauf usw. Ist das anstrengender? Oder gibt es viel stressigere Session-Tage?
Felix: Naja ich bin eigentlich ständig auf Tour. Touren ist immer anstrengend durch die Reiserei. Eigentlich wird man für das Reisen bezahlt. Der Auftritt spielt sich von alleine. Meist kommt man ja in die Stadt, Soundcheck, Essen, Konzert und am nächsten Morgen ist man wieder weg. Und jetzt bei Steve hatte man auch mal die Chance, etwas von den Städten zu sehen. Aber ich bin das Touren gewohnt. Etwa 150 Tage im Jahr bin ich auf Tour.
it: Mit wem gehst du denn auf Tour, abseits von Steve?
Felix: Ich spiele seit 17 Jahren bei Sarah Connor. Ich spiel mit Dendemann, das ist HipHop, dann lange mit den Flower Kings, bei Till Brönner … Torsten Goods, ein super Jazz-Gitarrist. Ich bin zehn Jahre mit Dieter Maschine Birr (dem Sänger der Puhdys) getourt. Da kommt was zusammen.
it: Die Liste mit deinen Referenzen ist schon sehr umfangreich und der Weg von Deichkind zu Curtis Stigers ist jetzt auch eher weit. Wie gehst du denn damit um? Du spielst ja von Schlager, über Jazz bis Prog alles. Ich frag mal provokativ: ist das genauso geil, für Bernhard Brink oder Matthias Reim zu spielen wie für die Flower Kings oder Steve Hackett?
Felix: Ja. Wenn die Band gut ist, ist alles gut. Du kannst dir als Schlagzeuger auch oft Freiräume schaffen.
it: Ok, das war natürlich nicht dispektierlich gemeint, dass die große Bandbreite der Genres bei deinen Jobs ist einfach auffällig.
Felix: ich muss sagen, dass ich so sehr nicht mehr in Genres denke. Bei Steve im Proberaum verhalte ich mich nicht anders als bei Till Brönner im Proberaum. Ich probiere gar nicht so in Schubladen zu denken. Entweder hat man etwas beizutragen zur Musik oder nicht.
it: Erzähl mal was über deine eigene Band…
Felix: Gern. Die Band heißt Marriage Material. Das ist eigentlich eine Fusion Band. Auch World Music und Prog ist mit drin. Wir sind ein Quartett mit Vibraphon/Marimba, Schlagzeug, Gitarre und Bass. Wir machen Instrumentalmusik und haben grad unser drittes Album fertig, aber das kommt erst Anfang 2026. Im Herbst spielen wir dann eine kleine Tour. Aber wir spielen viel zu wenig, was aber daran liegt, dass alle auch in anderen Projekten unterwegs sind. Wir haben mit der Band einen Google-Kalender, wo jeder seine geblockten Termine reinschreiben kann. Es ist die Hölle [lacht].
it: Wenn du selbst mal Konzerte besucht – was guckst du dir an?
Felix: Ich war gestern bei Alanis Morissette. Ich gehe gerne zu solchen größeren Konzerte. Am liebsten hänge ich aber im Jazzclub ab, um meine Jazz/Fusion Helden zu sehen, also hautnah dabei sein und zu spüren wie viel Luft aus der Bassdrum kommt. Ich bin viel auf Konzerten.
it: Wie geht es denn bei Steve für dich weiter?
Felix: Ich bin noch bei den Italien-Shows dabei. Danach ist erst mal nichts geplant. Aber ich stehe bereit, wenn er das möchte. Sowohl live als auch im Studio.
it: Gibt’s denn jemandem , mit dem du mal spielen möchtest?
Felix: Ja, ich würd gern mal mit Sting spielen. Und auch mit Eros Ramazzotti. Und mit John Scofield, John McLaughlin. Da gibt es einige… mit Herbie Hancock wäre auch ein Traum. Aber ich denke, von den Popgigs ist Sting für jeden Drummer der Traumgig. Vinnie war ja 20 Jahre dabei, jetzt hat Sting etwas rotiert. Aber er hat mich nicht angerufen, vielleicht hat er meine Nummer verloren [lacht].
it: Wie ist denn das, wenn Bands suchen. Ist das wie bei Steve oder wird das auch anders gemacht?
Felix: Nee das ist schon tendenziell eher auf Empfehlung, Word of mouth. Man muss jemanden kennen und etwas Glück haben. Ich mach das ja alles selbst und bin mein eigener Manager.
it: Du hast ja auch auf dem neuen Album von Nad Sylvan gespielt, Monumentata?
Felix: Ja bei einigen Tracks, aber ich kenne das gesamte Album noch nicht. Nur die Tracks auf denen ich spiele. Nad ist ein Guter.
it: Hast du denn Genesis schon mal live gesehen?
Felix: Ja, ein mal hier im Stadion in Berlin. 2007 war das.
it: Dann sind wir durch – vielen Dank für deine Zeit
Felix: Danke auch, hat Spaß gemacht.
Interview und Transkript: Christian Gerhardts
Fotos von Felix: Offizielle Website
Die beiden Alben von Marriage Material gibt es derzeit bei JPC im Agebot.