TotW: [11.-17.11.13]: PETER GABRIEL - Intruder

  • Jetzt verrate mir mal einer, warum ich eine Musik, die so beschrieben wird, gut finden soll. Mir ist schon klar, dass Kunst nicht durch Schönheit definiert wird. Und dass "Intruder" Kunst ist, daran habe auch ich keinen Zweifel. Es gibt bestimmt künstlerisch wertvolle Splattermovies, morbide darstellende Kunst und unappetitliche Orgien auf der Bühne, die echte Kenner als geniale Kunst erkennen. Für mich, der ich unterhalten werden will, ist das kein Argument dafür, dass ich mich damit eingehender beschäftigen und auch noch Gefallen daran finden muss. Trotzdem habe ich mir jetzt mehrere Male den Eindringling reingezogen. Und ich komme immer wieder zu dem Ergebnis: es gefällt mir nicht. So ist das halt mit dem Geschmack.


    Ich danke zunächst für die komprimierte Zusammenstellung meiner Adjektive. In so bündiger Form sieht das sehr beeindruckend aus, vielleicht sollte ich mich das nächste mal gleich kürzer fassen.
    Naja, jemand anderem zu verraten, warum er Gefallen an etwas finden muß, dürfte in der Tat eine unlösbare Aufgabe sein. Von solchen Projekten ist in jedem Fall abzuraten. Genauso wenig erfolgversprechend wäre es gewiß, wenn der Kollege revelation versuchen würde, mir einzureden, ich müsse die Vorzüge von beispielsweise "Don't Give Up" erkennen. Trotzdem werde ich seine Ausführungen zu diesem Objekt an anderer Stelle sicher interessiert lesen.

    Immerhin hast Du Dich trotz deutlicher Abneigung sogar mehreren Hördurchgängen unterzogen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Mehr kann man nicht erwarten. Ich habe hier auch schon öfter mal den Eindrücken von anderen nachgehört und dabei hin und wieder neue Facetten an den Songs entdeckt. Kann aber nich immer klappen.
    Deine Vergleiche zum Splatter oder Orgien-Theater indes finde ich etwas irreführend. "Intruder" ist so wenig Splatter wie "One More Night" ein Porno ist.
    Wobei mir einfällt, daß Collins ja zwei Jahre später - vielleicht von Gabriels Song inspiriert - in musikalisch etwas gefälligerer Form seine eigene Fassung zu dem Thema geliefert hat.

    Phil Collins – Thru These Walls

    Nicht ganz so bedrückend, aber richtig gesund wirkt das auch nicht.
    Könnte man nächste Woche ja mal daneben stellen, oder war der schon?



    Ein Thread zum Thema "Was ist (große) Kunst" wäre in der Tat ein interessantes Wagnis. Ich fürchte nur, das würde sowas wie "Gretchen reloaded" werden.


    You bet, pal!

  • "jeder kann Musik machen und es kommt dabei weder auf Können noch Talent an".


    Lieber Tom, ich antworte darauf jetzt nur, weil du dich damit unaufgefordert ausgebreitet hast:


    Punk ist tot !
    :huhu:






    ....oder jedenfalls mit dem im Zitat beschriebenen Umstand im Irrtum
    !



    Ansonsten kann ich dir zustimmen, aber an dem,was ich schrieb, ändert das nun auch nichts...:rolleyes:

    Hier steht nichts wichtiges! Trotzdem danke für's Lesen.

  • AAh, eine Diskussion über Kunst.... :huhu:


    Aprilfrost: Dein "ich mags nicht" ist wunderbar, so authentisch Du und so BEI DIR. Dreimal angehört, mehrmals? Ojeh!
    Binsebinse, über Geschmack darf man nicht streiten. [Nur falls man heiraten will, ist man vllt gut beraten, zu gucken, ob die Lieblings-Musikrichtungen zusammenpassen. Wie mutzel mal so schön im 'wie haltet ihr es mit dem Geschmack Euer Liebies' so schön beschrieb, wird immer der weichere oder sozialere Teil des Paares seine geliebten CDs in staubige Ecken verräumen]


    Nicht so ganz klar komme ich mit der Herangehensweise von mutzel. Ich weiß, Du meinst nicht: Kunst messbar an großen Namen und langer bekanntheit (Mozart? ^^), aber in die Richtung gehts schon, hm? Sollte man mal etwas breiter diskutieren. Wie oft wurde denn die am Ende hochgelobte Großmeisterkunst zuvor inspiriert von einer ganzen Kette innovativer Kreativ-Künstler, die sicher oft ihren Anfang nahm auf einer verräucherten, dunklen, schlecht beleuchteten Kleinkunst-Bühne.


    Kam der Basslauf dumdammdummdamm gar vom weißen Hai...^^ - Jedenfalls, danke TM für die tolle Erklärung der Komposition, eine schöne Unterfütterung, hilft mir gut weiter.


    Und sonst, ihr Becken-und reverbists, kommt es mir nur so vor, oder ruft der Intruder mehr vom Kopf ausgehende und "intellektuelle" Begründungen bei Euch ab als andere Tracks? :)

  • PG 3 war für mich der Einstieg in Peters Soloschaffen und in seine Secret World. Kannte ihn bis dato nur
    als Sänger von Genesis Album TLLDOB.
    "Melt" ist für mich eine immer wieder sehr hörenswerte CD, mit seinen unglaublichen Texten.
    Intruder ist genial aufgebaut und nimmt einen einfach gefangen. Von mir 12 Punkte.

  • Get-in-to-get-Out: Nee, bloß keine Diskussion über Kunst! Musik(oder Kunst-)geschmack intellektuell zu erfassen, führt doch nur zu Glaubenskriegen. Also, auch keine intellektuelle Begründung für den Reiz des Liedes. Nur: Der Kopf will vielleicht erklären, warum das Gefühl so auf dieses oder jenes Lied abfährt. Da machen Betrachtungen über die Instrumentierung, Aufnahmetechnik und historisches Umfeld einfach Spaß. Insbesondere Ersteres, wenn man selbst Musikpraktiker (bin ich nicht) ist.
    Zu den Inspirationsgrundlagen sollte man die Künstler wohl selber fragen. So lange sie noch leben....Steve Hackett erzählt darüber gerne und ausführlich, bei Peter weiß ich das nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Tom, ich antworte darauf jetzt nur, weil du dich damit unaufgefordert ausgebreitet hast:


    Punk ist tot !

    Haha, richtig. Das war aber 1980 schon so, deshalb... ;)


    Trotzdem habe ich mir jetzt mehrere Male den Eindringling reingezogen. Und ich komme immer wieder zu dem Ergebnis: es gefällt mir nicht. So ist das halt mit dem Geschmack.

    Genau. Alles kein Problem. Ich denke allerdings, dass es dem Intruder nicht allzu gut tut, wenn man ihn gleich mehrfach hört, womöglich noch direkt hintereinander. Da würde er mich wohl auch eher nerven oder mindestens langweilen. Habe den Song vielmehr immer als Opener eines grandiosen Albums verstanden und ihn niemals allein gespielt/gehört (würde nie auf die Idee kommen). Und als solcher funktioniert er einfach hervorragend, weil er dem Hörer gleich signalisiert: vergesst alles, was ihr über den Peter Gabriel der 1970er kanntet - der Herr beliebt sich gerade neu zu erfinden!

  • Ich kann es verstehen, wenn gewisse Stücke einem nicht gefallen. Intruder ist sicher so ein Stück.
    Mir gefällt z.B. The Waiting Room nicht - kann mich einfach nicht damit anfreunden. Ist so.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • "Intruder" zeigte Gabriel von seiner abenteuerlichsten Seite. […] "Peter hatte mit mir über diese Idee, die Becken wegzulassen, bereits vor dem ersten Album gesprochen", sagt Larry Fast. Aber ich schätze, dass die ersten beiden Produzenten das zu abwegig fanden. Steve [Lillywhite], der Hugh [Padham] als Toningenieur im Rücken hatte, gefiel das Konzept."[…]

    Gabriel lud seinen alten Freund Phil Collins ein, für das neue Album mit ein paar Drumsounds zu experimentieren. Collins war anfangs skeptisch - vor allem, was die Sache mit den Becken betraf. "Ich erklärte ihm, dass Becken manchmal auch Gutes bewirken können", sagte er später. "Aber er blieb standfest. Kein Blech auf dem Album. Also sagte ich 'Meinetwegen' und arrangierte mich damit." […]


    Mit seinem klaustrophobischen Sound, der auf das Schlagzeug-Muster aufbaute, Morris Perts seltsamer Percussion und seinem schrulligen Xylofon-Solo, Fasts verunsichernden Synthies und Rhodes' Kratzgeräuschen auf dem Griffbrett der Akustikgitarre über den Blockakkorden, die Gabriel am Klavier beisteuerte, zog "Intruder" eine Grenzlinie zwischen Vergangenheit und Gegenwart. […]

    "Darin steckt ein transvestitisches Moment, ein Kleidungsfetisch", erzählte Gabriel 2011 John Doran. "Es steckt ein Teil von mir darin, aber auch eine Vergewaltigungsmetapher. Es ist definitiv sehr düster, aber real. Ich hatte immer Spaß dabei, den Song zu performen."

    ("New Blood"-Version 2011):
    "Intruder" ist so verschroben und klaustrophobisch wie immer, aber Gabriel hört sich nun wie ein erfahrenes kriminelles Mastermind an und nicht mehr wie der junge Ganove von 1980.


    Daryl Easlea, "Das Leben und die Musik von Peter Gabriel" (2013), S. 234 ff.; S. 452

  • Bei diesem Song fühle ich mich noch immer irgendwie hin und her gerissen: Einerseits verstörend wirkend, andererseits fast wie ein Ohrwurm. Unterm Strich mag ich ihn natürlich, kann und will ihn aber im gesamten Gabrielschen Schaffen nicht richtig einordnen. Überzeugend durch seine Schlichheit, etwas abstoßend durch die musikalische Kühle, die er ausstrahlt.

    Ich gebe mal dennoch 8 Punkte.