SdW [16.-22.08.10]: GENESIS - One Man's Fool

  • hab dem Song 13 Punkte gegeben, der Aufbau gefällt mir sehr gut, war auch einer der ersten Titel welche ich von der CAS "zu greifen" bekam, am Anfang gefiel mir nur "Congo", dann auch noch "Shipwrecked" und "Alien Afternoon" und eben dieser
    chinwildchicken: sehr gute Interpretation, vor allem kann der Song durch die Abstraktheit mehrere Bedeutungen haben, das ist immer sehr gut, auch wenn Tony seine Motivation darstellte (post von Doktorjoe)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Christian

    PS: Hat jemand schon mal kapiert, worüber der gute Ray da singt?


    Kurzfassung (managementtauglich *g*)
    Ray singt über Leute, die glauben, immer recht zu haben, und daraus das Recht ableiten, andere, die ihre Ansicht verbrecherischerweise nicht teilen, mit Bomben und/oder Bombardements entweder von ihrem Standpunkt zu überzeugen oder zu töten.
    Je nach Blickwinkel also: die RAF, die USA, al Quaida, die Israelis, die Palästinenser, Mojique ... die Liste lässt sich leider nahezu beliebig fortführen.



    Langfassung für sehr gelangweilte Managementleute, und besonders fürs chintucky wild chicken :)


    Wer heute bei One Man’s Fool besonders auf den Text achtet, erliegt in der ersten Strophe wenigstens einen Moment lang einer anachronistischen Assoziation. Zu tief haben sich die Bilder zweier brennender und dann einstürzender Hochhäuser ins Gedächtnis eingebrannt als dass man sich ihrer erwehren könnte. Von der zeitlichen Abfolge her kann sich der Text darauf nicht beziehen, denn das Stück wurde 1997 veröffentlicht, vier Jahre bevor jene anderen Bilder entstanden. Hier einen Bezug herzustellen ist also falsch.


    Und auch wieder richtig. Wir werden weiter unten sehen, warum.


    „Während die Gebäude zerbröseln und taumelnd zu Boden stürzen und staubgefüllter Qualm aufsteigt, kann man sicher sein, schaut irgendjemand irgendwo stolz und mit Befriedigung zu.“


    Wer ist der Jemand? Naiv vermutet: Ein Abrissunternehmer, ein Vertreter von Styx Enterprises beispielsweise, der zufrieden sieht, dass sein Geschäft brummt . Aber der wäre doch wohl am Ort – zumal wenn es sich um eine Sprengung handelt, wozu die beschriebene Taumelbewegung („tumbling“) des Gebäudes gut passt. Nein, der befriedigt lächelnde Mensch sitzt „irgendwo“ und ist „irgendwer“: ein Anonymus.


    Von der nüchternen Beschreibung bricht der Text plötzlich in eine Ansprache an Abwesende aus:


    „Ihr alle, die ihr zu wissen glaubt, jeder einzelne, der weiß, dass er im Recht ist – fragt ihr euch nie, warum? Stellt ihr euch niemals diese Frage, nicht einmal mitten in der Nacht?“


    Angesprochen werden Menschen, die felsenfest davon überzeugt sind, „that they’re right“, dass sie recht haben, mehr noch, dass sie moralisch und ethisch und überhaupt in jeder Dimension recht und richtig und gut sind. Menschen, denen diese Überzeugung so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass sie an ihrer Richtigkeit keinerlei Zweifel mehr haben. „Mensch sein heißt zweifeln“ – und ich kann mir beinahe vorstellen, wie der Sprecher diese Leute am Kragen packt und fragt: „Hast du niemals Zweifel? Fragst du dich niemals, warum das so ist? Nicht einmal ganz heimlich, ganz allein, ganz im Stillen für dich?“


    An dieser Stelle möchte ich etwas sehr Wichtiges bemerken: Es gibt im ganzen Stück keine einzige Andeutung darauf, welcher Art die Überzeugungen sind, die die Angesprochenen für so außerordentlich richtig halten.


    Nach dem Appell zieht sich der Sprecher wieder auf den Berichtsduktus zurück und stellt dar, was nach der Zerstörung der Gebäude los ist: „Jetzt, da mit dem schwindenden Tageslicht ein weiterer Tag vergeht, wird für allzu viele Menschen das Leben nicht mehr dasselbe sein – und das alles aus dem einen Grund, den sie nie verstehen werden.“


    Das Problem an Menschen, die gewiss sind, immer recht zu haben, liegt darin, dass dieses Bewusstsein intolerant macht. Gegenteilige Ansichten sind falsch, man muss sich mit ihnen nicht auseinandersetzen, weil man ja weiß, dass sie falsch sind; man muss den anderen nur klarmachen, dass sie falsch liegen und ihnen das Licht der Wahrheit zukommen lassen – und wenn man dafür mal ein Haus in die Luft sprengen muss.


    Der Haken an der Sache ist: Die anderen Menschen, die beispielsweise in dem gesprengten Haus gelebt haben, wissen gar nicht, warum das passiert ist und können die Logik dahinter nicht verstehen.


    Nach einem erneuten Appell zerrt der Sprecher den Menschen, der über die Zerstörung des Hauses so befriedigt war, weil es dem Umstand entspringt, dass er ja recht hat, zu der Ruine: „Und merkst du etwas am Morgen danach? Schau dir ihre zerstörten Gesichter und ihr zerstörtes Leben an – hast du niemals Gedanken darüber gemacht , nie einen Moment des Zweifels erlebt?“ Und müssten nicht Zweifel auftauchen: Warum macht vorgeblich moralisch richtiges Handeln andere Menschen unglücklich – ist es dann nicht eigentlich moralisch falsch?


    Nach intensiven Appellen an von der Richtigkeit ihres eigenen Denkens und Handelns durchdrungenen Menschen und nach einer prägnanten Darstellung, wie sich ihre Überzeugungen auswirken können, kommt der Sprecher nun zu seiner Sicht der Dinge:


    Jeder von uns hat seinen Lebensentwurf, seine Wünsche, Vorstellungen und Träume, und sie sind alle gleichberechtigt. Was mir äußerst wichtig ist, mag Dir vollkommen egal sein: „Es gibt immer nur Träume, einer wie der andere. Was dem einen alles bedeutet, bedeutet einem anderen wenig oder nichts.“


    Dieses Credo wird mehr fach wiederholt. Dazwischen werden Beispiele zur Illustration eingeschoben:


    „Eine Grenzlinie in den Sand zu ziehen, über Land, übers Meer, und dann für die Verteidigung dieser Linie zu sterben, scheint mir ziemlich sinnlos. – Was den einen erfreut, stimmt den anderen traurig, und das wird niemals jemand ändern können. Des einen Heiliger ist der Narr des anderen, des einen heiß ist des anderen kalt. – Und wenn der Krieg vorbei ist, siegreich, wird dann für immer Frieden sein?“


    Schließlich erliegt der Song doch der Versuchung, den einen Lebensbereich konkret anzusprechen, in dem intolerante Menschen, die die Wahrheit gepachtet haben, gehäuft auftreten, weil es eben ein Bereich ethischer Lehren ist, der eine ausschließliche Richtigkeit bestimmter Lehren propagiert, nämlich die Religion:


    „Statuen, aus Stein geschnitten, aus Holz geschnitzt, aus Gold gemacht – um deren Gnade zu bitten rettet die Seele nicht.“ Womit wir den großen Bogen geschlagen hätten und wieder beim Anfang wären, bei den Hochhäusern, die aufgrund eines (mindestens vorgeblich) religiösen Fundamentalismus zum Einsturz gebracht wurden. Die Bemerkung in diesem Stück richtet sich allerdings zweifellos nicht gegen eine bestimmte Religion, die heutzutage am häufigsten mit Fundamentalismus in Verbindung gebracht wird: Es wäre nur festzustellen, dass andere Glaubensrichtungen weitaus häufiger Heilsbringerfiguren (im engeren und weiteren Sinne) in Stein oder Holz oder Gold darstellen. Und ganz sicher richtet sich dies nicht gegen Religionen als solche, sondern gegen deren fundamentalistische Auslegung und viel grundsätzlicher: Gegen jedes Verständnis einer Weltanschauung, die intolerantes Verhalten und Gewalt gegen Andersdenkende rechtfertigt. Denn:


    „Es gibt nur Träume, einer wie der andere. Es gibt nur Hoffnungen und Glauben, einen wie den anderen, für die es wert ist zu leben, nicht zu sterben – für die es wert ist zu leben, aber nicht zu töten, nicht zu morden. Es gibt eben nur Träume, und die sind einer wie der andere.“

    • Offizieller Beitrag

    Ah, da war noch was. Die musikalische Seite:


    Genesis können auch ohne Phil Collins bombastische Musik machen. Hier kommt noch einmal der große Klang. Fängt an wie eine Ballade und legt dann richtig los.


    Man kann dem Stück vorhalten, dass es sich wiederholt. Textlich und musikalisch. Das geht in Ordnung, denn hier soll eine Botschaft nachhaltig vorgebracht werden. Das Stück passt auch gut zu Rays Stimmlage und -farbe, finde ich. Die Auflösung in der Mitte zum Keyboardsolo hin erinnert in der Struktur in der Tat an Domino, vielleicht auch noch an Tonight^3.


    Mr Wilson: Well done! 12 Punkte.

    • Offizieller Beitrag

    Hmm, eines der besseren Songs auf CAS. Nebenbei einer der Songs, die ich je nach Stimmungslage mal toll und mal so lala finde. Letztlich ein hochinteressanter Text (und ja auch ich hab ihn nach 2001 immer auf Terrorismus hin gedeutet), leider kommt die Musik nicht ganz mit. Am Ende sinds einfach für die Spielzeit des Songs zu wenig Ideen, es passiert instrumental dann doch zu wenig und das Schlagzeug spielt - wie fast überall auf CAS - zu einfallslos monoton daher.
    Trotz allem ein Highlight auf der Platte, gerade Ray kommt hier u.a. richtig gut. 11 Punkte von mir.

    • Offizieller Beitrag

    ich hab 11 Punkte gegeben.


    Insgesamt fand ich es spannend, dass CAS relativ viele Long-Songs hatte, auf der anderen Seite fehlte hier und da die letzte Konsequenz - angenehme Ausnahme: The Dividing Line, das ich bis heute in der Top 10 der Genesis Songs sehe.


    One Man's Fool kann das nicht toppen, vor allem auch, weil eine zündende Idee am Ende fehlt - und mal wieder grade dann ausgeblendet wird, wenn man noch mal ne Schippe drauflegen könnnte.


    Allerdings zeigt der Song auch, wie gut Rays Stimme damals gepasst hat.

  • 2 Punkte. Ein wirklich schlechter, unispirierter Song,
    mit drums, die an Monotonie nichts zu wünschen übrig
    lassen; vorgetragen von einem phlegmatischen,
    wohl schon im Resignieren befindlichem Sänger.
    Das ganze CAS-Album ist für mich ein katastrophaler
    Fehler; ein Sägen an der eigenen Legende.
    Der junge Schotte kann ja nichts dafür; aber
    Banks und Rutherford hätten es besser wissen
    müssen. Jedoch: Sie suchten nach einem folgsamen
    Sing-Sklaven, statt nach einem Sänger, der
    wirklich frischen Wind in die Band gebracht hätte.
    Die beiden hatten einfach Angst, einen neuen
    Mann als gleichwertiges Mitglied der Band
    akzeptieren zu müssen; die Kontrolle über
    die Band zu teilen. Ray Wilson hätte das aber m.E. auch
    niemals sein können; er passt einfach - weder als
    Sänger, und schon garnicht als Person - zur Band.


    So klingt die gesamte Platte fad und substanzlos,
    wie viele der späteren CD's von Sting oder
    Mike & The Mechanics. Überhaupt werde
    ich den Verdacht nicht los, dass man lange
    Zeit wirklich mit dem Gedanken an Sting als
    neuen Mann nicht nur gespielt, sondern auch
    auf ihn hin komponiert hatte. (Man höre einmal
    "Papa He Said", aber auch "One Man's Touch"
    unter diesem Aspekt; erstaunlich). Es würde mich nicht
    wundern, wenn auf der Farm Versionen mit Sting
    im Giftschrank lägen.


    Fish hätte mich interessiert, von mir aus auch Sting
    selbst, Trevor Horn oder John Wetton; selbst
    Trevor Rabin oder Steve's ehemaliger Sänger
    Pete Hicks ... aber Ray Wilson? Nein danke.
    Schon die Pressekonferenz im Funkturm, Berlin,
    fand ich grauenvoll. Ein linkischer Typ, der
    unbeholfen auf einem Platz agiert, den er
    einfach nicht ausfüllen kann.


    Allerdings: im - ich denke, Mai - 1997 stellte mir Ralf,
    der Virgin-Vertreter, eine Vorab-Kopie von CAS
    auf einer gebrannten CD vor, ich glaube, mit
    4 Songs, die vielleicht nicht einmal ausgespielt
    waren. Wir hatten nur ganz kurz Zeit, reinzuhören,
    er gab diese Promo nicht aus der Hand; sie diente
    nur als Orientierung für die outlet - Chefeinkäufer.
    Das Gitarrenriff von "Calling All Stations" begeisterte
    mich; den Sänger fand ich erträglich; aber insgesamt
    hielt auch dieser Song später, nach dem VÖ,
    nicht, was das Riff versprach. "Shipwrecked" schon eher ...


    Ich weiß, darum geht es hier nicht, sorry ...
    Und auch sorry für die harten Worte; aber ab und zu
    muß ich sie einfach loswerden ...


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    die we really count to one hundred?

    Einmal editiert, zuletzt von Der Teemeister ()

  • @ Teemeister


    hmm, in der Tat sehr harte Worte, die ich in jeder Hinsicht respektiere, auch wenn ich sie nicht in dieser Härte teile.
    Für mich hat CAS viele sehr gute Elemente, was weiß ich, CAS itself, Dividing Line, Must be some other way (da insbes Keyboard-Part mittendrin), Congo (spez. Live-Version), an denen man mE sieht, daß die Jungs durchaus komponieren und selbst (schlagt mich) an ihre Höchstformzeiten deutlich heranreichen. Auch der rockigere Einschlag und die "finstere" Stimmung sagen mir sehr zu.
    Aber Musikempfinden ist nunmal subjektiv und so sei jedem seine Meinung gerne gegönnt :)

    Tony Banks - der virtuoseste und beste Komponist und Keyboarder!


    Tour 1987: Mannheim / Tour 1992: Hockenheim / Tour 1998: Mannheim / Tour 2007: Frankfurt - Düsseldorf

  • Jeder weiß es: ich bin Ray-Fan. Und CAS finde ich sehr gut. Über dieses Album bin ich auch zu Ray und... ja, eigentlich auch zu Genesis gekommen.


    Dieses Lied hier finde ich allerdings schwach. Gut, ich kenne mich jetzt in Musik vielleicht nicht so gut aus wie ihr; kann also den Song nicht so "zerpflücken" und analysieren wie ihr; ich höre ihn einfach "nur" als unbedarfter Hörer. Und da muß ich sagen, dass andere Songs auf diesem Album um Längen besser sind!


    Dieses Lied wird von mir auf der CD übersprungen.


    Wieviele Punkte gebe ich jetzt? 4 werden es von mir.

  • Dieser ist mir als letzter Track etwas zu schwer verdaulich, die traurige Stimmlage macht die lockere Instrumentalisierung wieder zu nichte. Wer da ran kommt, da empfehle ich das Violette CAS-Bonus-Album mit den B-Seiten, die sind um klassen besser als das ganze CAS-Album. (nur 8 Punkte)


    :huhu: Michael


  • ...du meinst sicher "One Man´s Fool"...ich hab auch direkt beim ersten Hören eine Sting-Version des Stücks im Ohr gehabt...