SdW [01.-07.02.10]: GENESIS - Fountain Of Salmacis

  • ohne zu zögern 15 Punkte !


    Einer meiner absoluten Lieblingsstücke aus den frühen Jahren.
    Eigentlich ist alles schon gesagt worden. Mehr gibt es nicht hinzuzufügen außer eben einfach klasse !!

    Only you know and i know...

  • eines der besten stücke der gabriel-epoche. ich gebe 13 punkte, da ich einige stücke von "the lamb.." noch besser finde.

  • 12 Punkte für einen der besten Songs der Gruppe. Meiner Meinung nach ist es eines der aussagefähigsten Referenzstücke, die man jemand vorstellen kann, der die frühen Genesis nicht kennt, wie beispielsweise auch Firth OF Fifth oder Eleventh Earl of Mar. Musical Box oder Supper's Ready mögen vielleicht besser sein, sind aber nicht sooo typisch. Ich mochte Genesis damals auch deshalb, weil die Texte echte Geschichten waren und nicht nur "my baby left me ...", ein bisschen wie Kino im Kopf. Inzwischen mag ich auch Herzschmerz, aber das kam erst mit Phil. Die anderen Bandmitglieder wollten sich nicht in die Seele schauen lassen und schrieben einfach "stellvertretende" Stories. Die interessante Geschichte, die anschwellende Orgel, das Gitarren-Solo, die wirklich bemerkenswerte Bass-Arbeit: Fountain Of Salmacis ist ein toller Song. Der Bass ist im Refrain von "I Know What I Like" übrigens ähnlich lebendig und hat mich zu Bass spielen inspiriert.


    Warum nicht volle 15 Punkte? Ein paar Teile wirken zusammen gestückelt, das Ende ist auskomponiert, gefällt mir aber nicht so und vor allem kenne ich Songs der Gruppe, die mir besser gefallen, also muss ich mir ein paar Punkte aufheben.

    Gedankenrauschen – Da geht noch was!

    Einmal editiert, zuletzt von pealmu () aus folgendem Grund: ergänzt & Rechtschreibung

  • 14 Punkte!


    Fast perfekt und unglaublich was die Jungs damals geschrieben haben. Vorallem wenn man das Alter bedenkt..

    The ice-cold Knife has come to decorate the dead ... somehow

    • Offizieller Beitrag

    Der Wortschwall von Salmacis


    Teil 1: Die Geschichte von Hermaphroditus und Salmacis (Übersetzung aus Ovids Metamorphosen)
    Teil 2: Genesis und die klassische Vorlage
    Teil 3: Ein kleines Glossar


    Der Pauly (die Studentenversion von Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft) deutet bei der Geschichte vom ersten Hermaphroditen sogar über die römische Zeit hinaus zurück. Hermaphroditus, erklärt das Lexikon, sei eigentlich nur der Namensgeber; er ist die mythologische Form einer sehr alten androgynen Gottheit, bei der eine weibliche Große Göttin mit männlichen Attributen oder einer männlichen Ergänzung dargestellt wurde (z.B. die babylonische Ischtar-Semiramis)



    Mount Ida – Ida ist der Name eines Berges im Nordwesten Kleinasiens; er erhebt sich bis auf 1774m. Die umliegende Gegend hieß in der Antike Phrygien und lag nicht weit von Troja entfernt (der trojanische Fürstensohn Paris wird üblicherweise mit phrygischer Mütze dargestellt). Der Berg Ida wird in einer ganzen Reihe klassischer Mythen erwähnt, die meistens mit dem Trojanischen Krieg zu tun haben. Auf dem Berg fällte Paris sein berühmtes Urteil, hier empfing Aphrodite den Aeneas von Anchises, und von hier aus beobachteten die olympischen Götter die Belagerung von Troja.


    nymphs – Nymphen sind mindere weibliche Gottheiten, die in Bäumen oder Gewässern leben. In letzerem Falle heißen sie auch Najaden (Süßwassernymphen) oder Nereiden (Salzwassernymphen). Durch die wechselnden Bezeichnungen im Text wird der Umstand verdeckt, dass Salmacis selbst eine Nymphe ist.


    afraid of their love – Es ist weniger die Liebe, vor der Aphrodite und Hermes Angst haben, als davor, dass der Seitensprung entdeckt wird. Wenn die beiden jedoch darum besorgt sind, ist es wenig sinnvoll, den Knaben ausgerechnet an einem beliebten „Urlaubsort“ der olympischen Götter verbergen zu wollen.


    the hunter - Hermaphroditos wird bei Ovid nicht ausdrücklich als Jäger bezeichnet, aber dies erklärt sein Erscheinen an dem See mindestens genauso gut wie Ovids Begründung („Nur mal schnell die Sehenswürdigkeiten abklappern“). Die Beschreibung als Jäger passt allerdings sehr gut zu dem Bild, das Ovid von Hermaphroditos zeichnet: Er beschreibt ihn als schüchternen jungen Mann ohne Erfahrung in Liebesdingen. Das sind die typischen Charakterzüge des Jägers im Mythos, der sein Leben der Jagdgöttin Diana gewidmet hat. Diana selbst ist eine keusche Göttin – so keusch, dass sie den unglücklichen Actaeon, der sie zufällig nackt erblickte, in einen Hirsch verwandelte, der prompt von den eigenen Hunden zerrissen wurde. Ein weiteres Beispiel für den keuschen Jäger ist Hippolytus, das traurige Opfer der sinnlichen Begierde seiner Stiefmutter Phaedra (vgl. Senecas gleichnamige Tragödie).


    desire for conquest – Hermaphroditos’ Jägertum wird hier so weit zugespitzt, dass der Jagderfolg (das Reh) sprachlich einer erotischen Eroberung gleichgestellt wird. Eventuell schwingt hier auch noch eine Nuance eines englischen Wortspiels mit, das (die Frauenbewegten mögen es mir nachsehen) Frauen als edle Jagdbeute wie z.B. Hirsche auffasst. In Shakespeares herrlicher Komödie Twelfth Night versucht ein Höfling, seinen Fürsten, der an unerwiderter Liebe leidet, aufzumuntern: "Will you go hunt, my lord?" - "What, Curio?" - "The hart.[gesprochen genauso wie 'the heart'] " - "Why, so I do, the noblest that I have." ("Wollt ihr auf die Jagd gehen, mein Herr?" - "Wonach, Curio?" - "Nach dem Hirschen/ dem Herzen." - "Nun, das tue ich, nach dem edelsten Herzen, das ich habe (in meinem Volk)".


    give wisdom to your son – Ein obskurer, aber geschickter Scherz. Jemand, der sich verirrt hat, wird wahrscheinlich die Schutzgottheit der Reisenden um Führung anflehen. Da Hermes die fragliche Gottheit ist, muß der Sohn in der Tat den Vater fragen.


    Naiad queen - Die Königin der Najaden ist eigentlich Diana, die selbst keine Najade ist. Salmacis könnte hier als Königin angesprochen werden, um hervorzuheben, dass sie weiblich ist, eventuell auch, damit Salmacis als "von königlicher Schönheit" angenommen wird.


    Salmacis has been stirred – Salmacis und der Erzähler weichen hier voneinander ab. Salmacis erwähnt “ein Geschöpf”, das aufgescheucht sei. Der Erzähler berichtet, dass die Najade selbst aufgewühlt und, in einer anderen Bedeutung des Wortes „stir“, erregt sei.


    the water tasted strangely sweet - Ovid berichtet nicht, dass Hermaphroditos von dem Wasser trinkt. Diese Abweichung von der lateinischen Vorlage ist möglicherweise darin begründet, dass diese sehr explizit ist. Ovid verwendet hier den Wortschatz der Elegien, der erotisch aufgeladen ist (oder sein kann, wenn man den Text so lesen möchte). Ein römisches Publikum hätte keinerlei Zweifel daran, was Salmacis tut, während sie Hermaphroditos beobachtet. Das „seltsam süße Wasser“ könnte auch ein ganz anderes Naß sein, dass zusammenläuft, zumal kurz zuvor eine überhaupt nicht gelassene Salmacis den jungen Mann auffordert, von „ihrer Quelle“ zu trinken. – Dass Hermaphroditos hier etwas trinkt, erlaubt später das Wortspiel „your thirst is not mine“.


    cold-blooded woman – Die Ironie dieser Worte ist vor dem Hintergrund des ovidischen Textes kaum zu überbieten. Wenn in dieser Szene irgendjemand kaltblütig ist, dann Hermaphroditos selbst, Salmacis jedoch mitnichten.


    may share my fate – d.h. sie wurden Hermaphroditen. Dass dieser Mythos keinerlei Scheu hervorrief, mit dem Wasser dieses Sees in Berührung zu kommen, zeigt sich daran, dass sowohl Strabon als auch Vitruv berichten, dass das Wasser des Salmacis-Quells sehr gesund sei und angenehm schmecke.


    a lover’s dream had been fulfilled - Der Traum eines Liebenden ist es, für immer mit dem anderen vereint zu sein. In diesem Falle ist es jedoch der Traum nur einer Liebenden (grammatisch: a lover's dream anstelle von the lovers' dream). Der andere, Hermaphroditos, teilt diesen Wunsch nicht und ist tatsächlich nicht einmal ein Liebender, weshalb er den Quell verwünscht.


    Heute würde man diese Ereignisse ohne zu zögern als Vergewaltigung ansehen, und antike Leser könnten ihnen zugestimmt haben. Man darf jedoch nicht außer Acht lassen, dass es sich hier um eine Erzählung von Ovid handelt, dem klassischen Dichter, der das elegische System vollendet hat. In seiner Ars Amatoria, einer poetisch-elegischen Anleitung zum Finden (und Behalten) von Geliebten, erläutert er, dass der (männliche) Liebhaber die Geliebte drängen darf, mit ihm ins Bett zu gehen, und dass es auch akzeptabel ist, sie gegen ihren Willen dorthin zu befördern. In der Geschichte von Salmacis liegt die Pointe darin, dass Ovid die Geschlechterrollen umkehrt: Die weibliche Geliebte erzwingt die (geschlechtliche) Vereinigung mit einem Knaben oder jungen Mann, der ihre Liebe nicht erwidert.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn mich jemand fragt, was mir so besonders gut an Genesis gefällt, dann nenne ich immer wieder zwei Dinge. Das erste ist - unstreitig - die Musik. Gefiele mir die Musik nicht, würde ich mich gar nicht erst mit dem Rest auseinandersetzen.


    Das zweite, was ich an Genesis - und da muss ich präzisieren: an den frühen Genesis bis einschließlich The Lamb - unglaublich schön finde, sind die Texte. Man kann, glaube ich, den allermeisten Songs von den Vier Großen Alben der Gabrielära (Nursery Cryme, Foxtrot, Selling England und The Lamb) keine größere Ungerechtigkeit antun als ihre Texte als platt zu bezeichnen. Ich habe eine ungeheure Freude daran, immer wieder an die Texte heranzugehen, sie wieder zu lesen, wieder zu hören, und immer wieder einen neuen Aspekt zu entdecken, noch eine Anspielung irgendwohin, ein anderes verblüffend neu gebrauchtes Zitat...


    The Fountain Of Salmacis ist in dieser Hinsicht ein doppelter Genuss für mich, denn hier kommen meine Begeisterung für die Musik und die wortspielerischen Lyrics von Genesis mit meiner Freude an der antiken Dichtkunst zusammen.


    Zusammenfassend setze ich unter diese Mini-Abhandlung über drei Beiträge hinweg (ich hoffe, Christian verzeiht mir, dass ich mit diesem nunmehr vierten Kommentar die Regeln für den Song der Woche zum zweiten Mal breche) meine Bewertung für The Fountain Of Salmacis in der freudigen Gewißheit, dass keiner meiner ehemaligen Dozenten freiwillig diese Bewertung unter meiner Übersetzung der Ovidpassage gesetzt hätte:

    15 Punkte. Danke - für einen vielschichtigen musikalischen Hochgenuss!

  • Fountain of Salmacis war nie eines meiner Lieblingsstücke von Genesis, auch wenn Hermaphroditus die Unverschämtheit hatte, sich nach meinem Nick hier zu benennen. Ich kann mir nicht helfen, das Stück ist natürlich kraftvoll und war sogar mein Einstieg in die "Genesis-Welt" (Natur, wie ich diese Fansprache hasse) aber es bewegt mich einfach nicht (mehr). Ich habe es jetzt seit gut 3 Jahren nicht mehr komplett gehört und dennoch ist da absolut kein Verlangen. Das liegt wohl hauptsächlich an den sehr dominanten Keyboards (ich schreib das hier als Zusammenfassung für alle Tastaninstrumente, vom Klavier bis zum Synthi), sowie an dem arg "Stückwerkhaften" des Liedes. Es ist das einzige Genesisstück, welches mir irgendwie zusammengeschustert vorkommt. Ok, Suppers Ready ist auch so ein Kandidat, aber das ist so lang, das man am Ende vergisst, wie der Anfang war.


    Von daher bekommt das Stück von mir 11 Punkte, da ich trotz alledem noch die ein oder andere schöne Erinnerung damit vebrinde. Oh ja, bei 25° C mit Walkman (ja, damals gabs sowas noch) aufm Fahrrad dem Sonnenuntergang entgegen strampeln und dabei Fountain of Salmacis lauschen.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Ganz sicher eines der grossen Stücke der Gabriel Ära. Für mich nicht die absolute Spitze aber unmittelbar dahinter. Ganz genial die instrumentalen Parts in der Mitte und am Schluss, wo Hackett wunderbar aufspielt, dass es einem so richtig warm ums Herz kalt den Rücken runterläuft.
    Der erste Gesangsteil hat eine leichte Überlänge, ansonsten sitzt alles. Michaels Bass, Tonys Keyboards, Phils geniales Drumming, Peters Gesang und Flöte und Steves Gitarre.
    Mir gefällt persönlich auch, dass es nicht derart keyboardlastig ist, sondern einen recht starken Gitarrenpart hat.
    14 Punkte.


    Die Hackett-Version gefällt mir auch sehr gut (Gesang mal ausgeklammert). Steves Spiel ist reifer und ausgeprägter.
    Danke an Martinus - ich wusste ja schon einiges über den Hintergrund des Liedes, aber so tief habe ich mich natürlich nie vorgearbeitet. Es ist immer interessant zu lesen und der 'Hintergrund' wirkt nachher klarer und ausgeprägter.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Hier wird wunderbar deutlich, warum Genessis damals der Erfolg verwehrt blieb.
    Selbst ich als Hardcore fan dieser Zeit möchte hier "Kritik" an Peter anbringen.
    Es ist das gefühlte "Ich-bin-gebildet-und-zeig-euch-das-schonungslos" Unwohlsein bei diesem Song.
    Nur wenige Promille der Bevölkerung haben mittlerweile den Background von Martinus.
    Und auf dieser Basis einen Song zu bewerten ist abstrus oder besser nicht sehjr populär:-)


    Ohne Steves "romantische" Gitarre hätte ich nie Zugang zu diesem Song gefunden.
    Darum war dieser Song bei der Tour 1978 Sch...e. Kein Song für Phil und schon gar nicht für den Techniker Daryl.


    Damals in den 70igern hätte ich 10 points gegeben, heute als nostlahgischen Gründen 12-13.


    CM

    "Ich glaube, dass sich mein Standpunkt, nachdem ich die Band verlassen habe, nicht dramatisch geändert hat.(...).

    Aber ich bin immer stolz darauf, was ich tat und was sie taten"

    Peter Gabriel

    • Offizieller Beitrag

    Es ist das gefühlte "Ich-bin-gebildet-und-zeig-euch-das-schonungslos" Unwohlsein bei diesem Song.Nur wenige Promille der Bevölkerung haben mittlerweile den Background von Martinus.
    Und auf dieser Basis einen Song zu bewerten ist abstrus oder besser nicht sehjr populär



    Bei der Bewertung eines Stückes, der Frage, ob ich persönlich ein Lied gut finde oder nicht, orientiere ich mich ganz ausschließlich an dem, was mir daran zusagt und was mir daran nicht so gefällt. Das ist meiner Erfahrung nach auch die Frage, nach der die allermeisten Menschen entscheiden, ob sie etwas gut finden oder nicht. Bewerte Du nach Deinen Kriterien. Ich bewerte nach meinen - und maße mir nicht an, Deine Kriterien abstrus zu finden. Dass mein Bewertungsansatz in deinen Augen "nicht sehr populär" ist, nehme ich zur Kenntnis, es ist mir aber auch egal.
    EDIT: "Es gibt nicht viele Leute mit der Interessenkombination Genesis-Fan + Faible für lateinische Lyrik + antike Mythen, und darum ist der Zugang, den martinus beschreibt, einfach nicht besonders weit verbreitet." Wenn es das war, was Du ausdrücken wolltest, sind wir einer Meinung. Ansonsten: siehe oben.


    Man kann - davon bin ich fest überzeugt - dieses Stück auch dann genießen, wenn man nichts von augusteischer Dichtung weiß, nichts von Ovid, nichts davon ahnt, dass Genesis sich hier einen antiken Stoff (oder überhaupt irgendeine bereits existierende Geschichte) vorgenommen haben. Man kann die Musik genießen, beispielsweise Steves romantische Gitarre, den überlagerten Gesang, die Melodie, und dazu die kuriose Geschichte von einem Typen, der von einer Seenixe vernascht wird belächeln, und die witzige Idee, dass daraus der erste Zwitter entstanden ist. Warum denn nicht? Ich habe The Fountain of Salmacis schon zu einer Zeit gekannt und gemocht, als ich all das auch noch nicht wußte und nicht kannte und nicht ahnte. Meine grundlegende hohe Wertschätzung dieses Stückes beruht nicht auf dem, was ich mir inzwischen darüber angelesen habe - aber sie hat sich dadurch noch einmal gesteigert.