SdW [22.-28.06.09]: GENESIS - Dreaming While You Sleep

  • Dieser Song muss zu den besten überhaupt von Genesis zählen, denn: ich kann mich heute, nach 18(!) Jahren noch daran erinnern, wie ich ihn das erste mal gehört habe.


    Rückblende 1991
    Klar, die neue Genesis hat man sich zugelegt, gemütlich zuhause reingelegt und relaxt angehört. Da kommen dann die schon bekannten Charts-Stücke No Son und Jesus, dann ein überraschend gutes Driving the Last Spike, das aber leider in den Refrains untergeht, nach diesem tollen Gitarren-Riff. Danach die nächste bekannte Single I can't Dance, da hat man dann dieses witzige Video vor Augen, und anschließend die etwas schnulzige Ballade Never a Time.


    Und dann kommt Dreaming While You Sleep. Ich habe bei den ersten Worten direkt eine Gänsehaut bekommen - fantastisch. DAS war mein Track des Albums. Düster, unheilschwanger, mitreißend, leidenschaftlich, dabei eingängig und stimmig, in keiner Weise sperrig oder überladen.


    So sieht für mich ein perfekter Song aus - beim ersten Hören Gänsehaut, beim zweiten noch besser und nach 18 Jahren immer noch fantastisch. Und da können andere noch so sehr unken und rufen, "nur die alten Sachen sind gut, man muss sich nur mal richtig reinhören" - Ha, Pustekuchen! Ein Song, in den ich mich erst reinhören muss, mit dem ich mich befassen muss, den ich mir schönhören und gutargumentieren muss - der wird nie perfekt für mich sein. Er muss mich von Anfang an packen.


    Dreaming While You Sleep hat das geschafft. 15 Punkte

    "Man muss die Messlatte hoch genug legen - sonst kommt man nicht unter durch." 8-)

  • Ein gewichtiges Thema macht noch lange keinen guten Text - ein Umstand, der sich nicht nur bei Genesis auf den letzten Alben wiederholt gezeigt hat. Keine Poesie, nur rühriges Selbstmitleid eines Fahrerflüchtigen mit pseudo-psychologischem Gepräge ("[...]it will live inside of me, / I will never be free all my life") - ohne Tiefe, ohne irgendeine Zeile, die dem Hörer eine ungewöhnliche Perspektive bietet; kaum (und wenn, dann schwache) Bilder oder sprachlich-künstlerische Mittel. Der Text ist absolut banal und naiv umgesetzt.
    Und die Musik? Lebt bei aller rhythmischen und harmonischen Armut von den Dynamikwechseln und dem fetten Sound sowie von Collins mehr oder weniger ergreifenden / sentimentalen hohen Tönen ("All my life"), wobei hier die melodischen Phrasen überwiegend einfache diatonische Abwärtsbewegungen in Sekundschritten sind - damit's schön simpel-traurig klingt.
    Fazit: Eine musikalisch enorm aufgeblähte Belanglosigkeit und ein textlich enorm belanglos umgesetztes Thema.


    Hmm, Du schreibst "ohne irgendeine Zeile, die dem Hörer eine ungewöhnliche Perspektive bietet"...
    Welche ungewöhnliche Perspektive erwartest Du denn?? Vielleicht Jubelsprünge?


    Du schreibst: "überwiegend einfache diatonische Abwärtsbewegungen in Sekundschritten sind - damit's schön simpel-traurig klingt"
    Na klar, soll der Song simpel-traurig wirken. Wie denn sonst??


    Und was meinst Du denn mit naiv umgesetzt??
    Ich bin gerne bereit kritische Zeilen zu lesen, aber der Sinn Deiner Aussagen will sich mir einfach nicht erschließen...


    Hier nun mein Voting: Selten habe ich so wenig gegrübelt über die Vergabe der vollen Punktzahl wie bei DWYS, einem Longplayer, der zu keiner Sekunde langweilig wird. Thematisch finde ich den Song äußerst interessant. Sicherlich ist es nicht schwierig hierbei emotionale Texte zu finden, aber Martinus hat obig die Finessen, teilweise die Doppeldeutigkeit der Lyrics, dargelegt. Bravo...


    Ein starker, ruhiger Beginn, mit peppigen, plastisch klingenden Keyboards / Drums (?) die nicht verraten wo der Song hinführen wird. Mikes Gitarre wird sparsam aber effektiv eingebaut...
    Phil's ruhig startender Gesangspart und wie sich dieser, genauso wie der ganze Song steigert, ist schon phänomenal. Ich war schon 91 von der Dichte des Sounds überwältig und dann das Finish, das Schlagzeug, das animiert wie wild mitzutrommeln, perfektes Zusammenspiel aller Instrumente und man wünscht sich dieses Lied würde niemals enden...
    Ich finde auch, dass das Fadeout der Studio-Version perfekt zum Song passt. Ich würde überhaupt nix ändern wollen an DWYS...
    Es ist einer der GENESIS-Songs die ich für die Ewigkeit sehe, der egal zu welcher Zeit, immer am Horizont glänzen wird, einfach nur klasse...


    Schade, dass die Band nie so wirklich ein Video dazu herausbrachten... Ich habe fertig :)

    3 Mal editiert, zuletzt von Helge ()

  • Zitat

    Ich muss bei diesem Song nicht lange überlegen - 15 Punkte. Das ist eine Liga mit Supper'S Ready, Mama, Cinema Show, Los Endos, Home By The Sea, Firth Of Fifth, In The Cage, The Dividing Line etc...
    Dreaming While You Sleep ist die Perfektion der Trio-Phase mit all den Erfahrungen, die sie auch aus der Quintett und Quartett-Phase angehäuft haben. Diesen Song hätten sie in der Gabriel-Ära niemals so hinbekommen.
    Deswegen verehre ich Genesis, weil sie sich veränderten, weiterentwickelten, nicht stehenblieben....riskierten, dass sich Fans von ihnen abwenden. Und dass deswegen so etwas wie Dreaming While You Sleep möglich wurde.

    Kann meinem Namesvetter nur Recht geben. Der Song sprüht nur so von Atmosphäre, Gefühlen, von perfekter und synchroner Text/Instrumental - Führung.
    So ein tooler Song, vielleicht Fading Lights ist auf dem Album ist noch besser,Geschmackssache. Aber nach Man on the Corner,Mama,Tonight³ endlich wieder einen ziemlich atmosphärischen Song der Collins Ära.(Uups,fast Ripples vergessen ;) )
    Schaue gerade mit google nach, in irgendwo zu finden als Livefassung.:)
    15Punkte für einer der besten Songs der ganzen Geschichte(Da sind wir uns wohl ALLE Einig,oder?

    <!---

    The rain auditions at my window
    Its symphony echoes in my womb
    My gaze scans the walls of this apartment
    To rectify the confines of my tomb


    -->

  • also bei allem verständnis was fankult angeht aber der song ist in die länge gestreckte aufgeblasene langeweile. wie vieles auf we cant dance. wäre ein tolles album wenn sie die lp länge von 45 min. als maß genommen hätten. so hatten sie wohl den ehrgeiz die cd länge von 75 min. voll zu bekommen und dementsprechend gibt es viel zu viel belangloses zeug. dreaming wäre eine nette b-seite einer single und sonst nix. zu lp-zeiten hätte der song es niemlas auf die platte geschafft.

  • -bitte löschen-

    So, let's drink some wine
    And have a good time.
    But if you really want to come through
    Let the good time, good time have you.
    It's what you've got to do.

    Einmal editiert, zuletzt von Max ()


  • Und die Musik? Lebt bei aller rhythmischen und harmonischen Armut von den Dynamikwechseln und dem fetten Sound sowie von Collins mehr oder weniger ergreifenden / sentimentalen hohen Tönen ("All my life"), wobei hier die melodischen Phrasen überwiegend einfache diatonische Abwärtsbewegungen in Sekundschritten sind - damit's schön simpel-traurig klingt.


    Das Solo in "Firth of Fifth" ist auch ganz einfach auf den Tönen der E-Moll-Tonleiter aufgebaut (E,F#,G,F#,G,F#,H,C,F#,G), also in gewisser Weise auch nur ein Gedudel in großen und kleinen Sekunden zu Beginn und dann zwei Zwischentöne um den Subdominant-Mollakkord a.
    Man kann eigentlich jedes Musikstück aufdröseln und findet heraus, dass die Intervalle voraussehbar sind und auf dem normalen Intervallsystem basieren.


    Wäre es besser gewesen, wenn die Komponisten lieber nur Majorseptakkorde oder abwechselnd Sexten und Tritoni (naja, letzteres würde auf Dauer langweilig werden :D) in beide Richtungen gewählt hätten ?


    Dann klänge das Lied zwar ungewöhnlich, aber würde nicht passen. Es hat schon einen Grund, warum es Tonleitern gibt und warum diese genutzt werden: die Frequenzverhältnisse passen da zueinander und ergeben eine "gute Gestalt".


    Dass eine diatonische Abwärtsbewegung schlechte Musik suggeriert, ist Unsinn, ähnlich wie die Begründung "dann spielt der Gitarrist auf den oberen drei Saiten, sodass das Lied komplett abfällt". Die Frage ist, warum Du eine diatonische Abwärtsbewegung als schlecht befindest.



    Ich finde, man sollte beim Musikmachen sehr wohl auf unbekannt-ungewohnte harmonisch-melodische Terrains zugreifen, jedoch im Umkehrschluss nicht den Anspruch für jeden Song erheben, er müsse diese Terrains zwingend beinhalten um Qualität zuzulassen.


    Musik ist letztendlich mehr als die Summe der Töne, und da kommt das "Feeling" ins Spiel, das bei diesem Stück wohl wichtiger als die komplexe harmonische Struktur ist. Letztendlich bleibt Musik doch immer Unterhaltung, und es ist die Frage ob man dabei eher auf spannende oder entspannende Unterhaltung steht.
    Eine Analyse kann zum Verständnis der Musik dienen, aber kann - weil eben die psychologische Komponente fehlt - einen Höreindruck nicht wirklich ersetzen.


    zu lp-zeiten hätte der song es niemlas auf die platte geschafft.


    Kann man nicht sagen, weil dieses Genre zu LP-Zeiten noch nicht erfunden war. So ein Song wäre 1972 mehr als innovativ gewesen und wahrscheinlich sehr wohl veröffentlicht worden, allein schon wegen der modernen Drum- und Gitarrensounds.

    So, let's drink some wine
    And have a good time.
    But if you really want to come through
    Let the good time, good time have you.
    It's what you've got to do.

    3 Mal editiert, zuletzt von Max ()

  • Dreaming while you Sleep...Ich konnte damals noch nicht viel mit Genesis anfangen.


    Wir waren unterwegs auf Klassenfahrt in einem Bus - das Ziel Italien lag noch in weiter Ferne, die Nacht hatte alle in den Schlaf geschaukelt. Außer mich... Ich starrte in die Dunkelheit, der Bus zog sich die Brenner-Autobahn nach oben. Neben mir die We Can't Dance-Hülle von meinem Kumpel, die CD rotierte bereits via Kopfhörer in meine Ohren, drang in meinen Kopf....
    Unten im Tal wurden die Lichter immer kleiner und es schien dass die Dunkelheit noch eine Spur dunkler wurde. Einzelne Regentropfen zogen sich zu langen sich windenden Schlangen am Fenster entlang. Ich starrte noch immer ins weite Dunkel, die vereinzelten Lichtflecken, mittlerweile tief unten schimmernd, erschienen mir wie weit entfernte Sterne. Dann kam Dreaming while you Sleep. Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, bei dem Refrain schossen mir Tränen in die Augen und ich wollte dieses Lied nicht mehr missen. Nicht in dieser Nacht und auch nicht mehr danach.


    Ich werde diese Bilder und dieses Gefühl nicht mehr vergessen und jedesmal wenn ich Dreaming höre versetzt es mich genau dorthin zurück und ich sehe wieder die Sterne ganz tief unten schimmern... und die Trommelschläge vor dem Refrain öffnet die Pforte zu einer anderen Welt - Meine Welt zu Genesis.


    Es war das erste Lied, dessen Text ich übersetzte und ich erschrank beinahe vor der Genialität von Genesis: Der Text löste in mir die gleichen aufwühlenden Gefühle und Gedanken aus, die ich damals nachts auf dem Brenner hatte - damals ohne den lyrischen Sinn hinter den Wörtern!
    Ich habe dem Track/Lied/Song/Gefühl 15 Sterne gegeben und es ist seit 1991 keinen weniger wert.

    • Offizieller Beitrag

    Aus einem anderen Thread hierher umgebettet, weil's besser paßt:


    Zitat:
    Zitat von brecher
    Bei solchen ['Stand-alone'] Songs verfolgt man keinen Handlungsfaden. Das gilt für Text und Musik. Man erhält ein einheitliches Bild.

    Wobei ich an dem stand-alone-Song Dreaming While You Sleep durchaus eine Bewegung, eine Handlung feststellen kann, und zwar eine innere Handlung. Wir können hier nachverfolgen, wie der Erzähler aus seinem normalen Leben durch ein dramatisches Ereignis herausgerissen wird und über verschiedene Phasen der Distanzierung - zunächst ein simples räumliches "Ich war ja gar nicht da!" (The miles between would somehow put it right) - und Verdrängen/Verschweigen ("Could I take my secret to the grave?") dahin gelangt, dass sein Schuldbewußtsein sein Leben zerstört und er erkennt, dass nur die Auseinandersetzung mit der Tat ihn befreien kann. Was die Situation noch stärker zuspitzt, ist, dass der Sprecher trotz seines dringenden Wunsches nach dieser reinigenden Sühne nicht in der Lage ist, sie selbst herbeizuleiten, sondern auf das Wiedererwachen seines Opfers angewiesen ist ("til the day that you open your eyes ... please, please open your eyes").


    Überhaupt finde ich in dem Text die zahlreichen chiastischen und parallelen Bezüge spannend: Vor dem Unfall driftet der Sprecher "in and out of sleep" - genauso wie er nachher wach ist "while you sleep". Das Unfallereignis "will live inside of me", und der Sprecher wiederum ist "trapped in her memory all my life".
    Darum stimme ich paradoxerweise townman und seinen Widerrednern zu: Der Text ist banal und einfach heruntererzählt, und man verliert nichts von der Substanz der Geschichte, wenn man den Text nicht ins Kleinste auseinanderfieselt. Legt man den Text aber doch unter die Lupe, erscheinen dort ganz filigrane Strukturen, die denen, die sich für so etwas begeistern, einen - ich will nicht sagen: tieferen, aber jedenfalls doch anderen Genuss verschaffen können.


    Daß aber ein Text gleichzeitig total banal wirken und doch in sich raffinierte Bezüge bergen kann, finde ich begeisternd. So etwas ist nicht einfach.



    ps. Der Vollständigkeit halber hier der Einwand, den ich meinen Deutschlehrern immer an den Kopf geworfen habe, wenn wir mal wieder ein Gedicht bis auf den letzten Buchstaben hinunter interpretiert haben: "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der Dichter sich diesen ganzen Schmarrn gedacht hat, als er das Ding geschrieben hat?"
    pps. Und auch die Antwort, die mir kein Lehrer auf diesen Einwand hin jemals gegeben hat: "Nicht unbedingt. Aber zeige mir mal einen anderen Text, in den man so viel hineinlegen kann!" (Das hätte ich zwar damals auch nicht akzeptiert, ist aber wenigstens heute ein Standpunkt, dem ich zustimmen könnte).
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  • Von mir gibts diesmal 8 Punkte. Warum nicht mehr? Ich finde die Musik flächig um nicht zu sagen oberflächig. Das ambitionierteste sind noch die Tomfiguren von Collins und die eingestreuten Gitarrentöne. Der Rest kommt über den Status einer Begleitung nicht heraus. Im Prinzip wirkt hier das Muster welches erstmalig bei In the air tonight verwendet wurde. Collins Gesang ist gut, aber doch sehr routiniert. Warum nicht weniger? Trotz aller fehlenden instrumentalen Performance sind die Effekte und die analoge Drummaschine schön in Szene gesetzt. Ein Paradebeispiel für die Wirkung von Halleffekten. Das gilt für den reversed Hall der Drummaschine ebenso wie das gegatete Schlagzeug. Die Akkorde bieten doch zusammen mit dem Arrangement eine Dramatik, die ich nachvollziehen kann, obgleich sie mich nicht wirklich berühren. Der Text ist stimmig, und geht in Ordnung. Insgesamt wirkt Dwys wie eine enorm aufgepimpte Hollywoodszene eines Popcorn Kino Films. (Der folgende Eingangsbreak von Tell me why ist lebendiger als Dwys....:p)


    martinus: ich sehe dwys nicht als typischen "stand-alone" Song. Aber klasse was Du geschrieben hast. Immer wieder schön wie Du Dein Englisch Know-how hier einbringst. :topp: