Von Peter Gabriel verfasster Artikel in der Süddeutschen

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von mutzelkönig

    Schon der vor einiger Zeit von ihm befürwortete Ansatz, möglichst viele Kameras an die Menschen zu verteilen, damit auf diese Weise Unrecht besser dokumentiert werden kann, führt nicht zu einer besseren und freieren Gesellschaft, sondern in letzter Konsequenz zu völliger Überwachung und Unfreiheit.


    Mir ging es nicht darum, das Witness-Projekt als solches zu kritisieren, aber aufzuzeigen, dass es ein schmaler Grat ist zwischen der einen Kamera, die Unrecht dokumentieren hilft, und den vielen Kameras, die schon heute mit dieser Begründung in unseren Städten montiert werden und schleichend den Weg in eine Überwachungsgesellschaft ebnen.


    Auf diese Aussageabsicht wäre ich angesichts deiner oben stehenden Formulierung (Hervorhebungen von mir) nicht gekommen. Ich fand sie im Gegenteil sehr klar: Kameras an Leute verteilen führt zu Überwachung und Unfreiheit. Und ich sehe keinen schmalen Grat, sondern eine weite Schlucht zwischen Kameras, die Menschen zur Dokumentation von (in der Regel von Mächtigeren verübtem) Unrecht benutzen, und Kameras, die von Machthabern verwendet werden, um die von ihnen beherrschten Menschen zu überwachen und unter Kontrolle zu halten.



    Zitat

    Ansonsten sollte sich Gabriel lieber um sein neues Album kümmern. Denn darauf warten die Fans schon voller Ungeduld. Und um das zu erraten, braucht es wahrlich keinen Gehirnscanner...


    Wenn du das schon heute "weißt", und du damit die gefährlichen Überwachungsstaatmechanismen, die die Gehirnscanner möglicherweise erst zukünftig ermöglichen, heute schon selbst beherrschst, sollten wir uns fragen: Können wir es in Anbetracht des Missbrauchspotentials verantworten, mutzelkönig überhaupt zu nutzen? Oder: Was müssen wir juristisch/politisch etc. tun, damit mutzelkönig nicht missbräuchlich verwendet wird?


    ps. Der letzte Absatz ist durchaus nicht ernst gemeint.
    pps. Ich würde mich als Gabriel-Fan bezeichnen, und doch warte ich nicht auf ein neues Album von ihm, geschweige denn dass sich irgendeine Form von Ungeduld diesbezüglich bei mir zeigt. Wenn er eins macht, werde ich mich sicherlich darauf freuen, es mir anzuhören, und wenn er keins mehr macht, dann freue ich mich an der vielen guten Musik, die er in den letzten mehr als 50 Jahren geschaffen hat, und an der vielen anderen guten Musik, die andere gemacht haben und machen.

  • Danke, martinus ...

    Zitat von martinus

    pps. Ich würde mich als Gabriel-Fan bezeichnen, und doch warte ich nicht auf ein neues Album von ihm, geschweige denn dass sich irgendeine Form von Ungeduld diesbezüglich bei mir zeigt.


    Wenig überraschend habe auch ich als PGist meine Probleme mit der mutzelkönig-typischen, axiomatischen Verallgemeinerung. Die Bevölkerung meint, der PG-Fan wird ungeduldig, die Welt ist schlecht...


    #


    Zur Grundaussage im Artikel: PG läßt hier seinen Gedanken Lauf und breitet ein neues Universum vor denjenigen aus, die sich bisher noch überhaupt gar nicht mit NeuroScience befasst haben. Zur Verdeutlichung überspitzt er einige Aussagen, elegant-provozierend, und stellt gleichzeitig verhältnismäßig neutral die möglichen Entwicklungsrichtungen dar.


    Soweit mir bekannt ist (ich befasse mich bereits längere Zeit damit), setzt im Moment und in naher Zukunft die Neurowissenschaft ihren finanziellen Focus ausdrücklich nicht auf das "Lesen von Gedanken", sondern auf das Steuern von Geräten durch im Gehirn abgeleitete elektrische Impulse, Stichwort >Stephen Hawking und seine Überwindung der ALS<. Aktuell werden Prothesen entwickelt, die der Behinderte mit gezielten (Biofeedback)-Gedanken zu gleitenden Bewegungen stimuliert.


    Wie immer sind diese Erfindungen und Forschungen zunächst einmal gut.

    In welcher Geschwindigkeit und mit welchem Erfolg die üblichen Verdächtigen (Pharmakonzerne, Militärs, Kommunikationsriesen, Supreme Leader Snoke) dann die erwartbare Zweckentfremdung einleiten und solche Instrumente für Folterung, Überwachung, Manipulation und Lenkung zu nutzen in der Lage sind, DAS wird von unserem gesellschaftlichen Dialog abhängen. Die Frage der Ethik wird mit jedem Wissenschafts-Sprung wichtiger. Um das überhaupt diskutieren und von allen Seiten beleuchten zu können, benötigen wir eine saftige Prise Offenheit, dazu Vorstellungsvermögen und freiheitliche Liberalität. Das empfinde ich als Eigenschaften, die uns in den bisherigen 30'000 Jahren nie geschadet haben.


    >Igittiigitt<- Abscheu und Verteufelung tragen nichts Produktives bei. Im Ergebnis mag ein STOP am Ende und als Ergebnis des Ethik-Dialoges herauskommen, aber zunächst einmal wäre neugieriges Interesse nicht schlecht.

  • Offenbar sind die neuen Technologien aber nicht in der Lage, die Geschwindigkeit einer Albumveröffentlichung zu erhöhen....eher wohl im Gegenteil ;)

    • Offizieller Beitrag

    Offenbar sind die neuen Technologien aber nicht in der Lage, die Geschwindigkeit einer Albumveröffentlichung zu erhöhen....eher wohl im Gegenteil ;)

    Klar. Bisher hat noch jeder technische Fortschritt beim Recording in erster Linie dazu geführt, dass die Anzahl der Optionen, die dem Künstler zur Verfügung stehen, exponentiell ansteigt...


    Ich denke, diese Brainscanner findet er insofern faszinierend, als dass sie eine neue und unmittelbarere Schnittstelle Mensch-Computer darstellen. Dass wir heutzutage ja immer noch überwiegend Texte mit Tastaturen eingeben, die im Wesentlichen seit über 100 Jahren unverändert sind, ist ja ein Anachronismus par excellence. Es geht aber nicht nur um Texte, sondern um die ganze mögliche Interaktion. Da könnten sich für Kreative ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Für Schwerbehinderte werden sie mit Sicherheit ein Segen sein - neuronal gesteuerte Prothesen gibt es ja jetzt schon.


    Dank Hollywood sind wir an Dystopien natürlich gewöhnt, daher sind die Abwehrreflexe natürlich verständlich, aber es muss dabei ja nicht unbedingt "The Matrix" dabei rauskommen. ;)