• Ich liebe PG 1, genauso ich die anderen beiden "Wundertüten" in der Genesis Solo Diskographie, Face Value und Please don`t touch liebe, die eine ähnliche Stilvielfalt bieten, ohne auseinanderzufallen.


    Für Peter war das sicher ein wichtiger Befreiungsschlag, sich sozusagen gleich mit dem ersten Album, vom Sound der Exband emanzipieren zu können, wenn ich auch finde, dass "The lamb" doch hie und da etwas durchschimmert. Einfach alles mal ausprobieren können, ohne sich mit den Bandkollegen und besonders Tony herumstreiten zu können. "Barbershop"? Kein Problem, Blues mit Randy Newmann inspirierten Text? krieg ich hin, Orchestraler Wahnsinn? Auch kein Act, irgendwie hatte ich das ja schon mit Genesis....usw.
    Schade eigentlich, dass ihm das so oft als künstlerische Orientierungslosigkeit ausgelegt wurde.


    Bleibt noch der Texter Gabriel, der sich auf PG 1, mal pointiert, mal doppeldeutig, mal skurril und immer wieder mal haarscharf am Über ambitionierten vorbeisegelnd, präsentiert.


    Etwas, was ich leider am "aktuellen" Gabriel (der ja ohnehin nicht mehr sonderlich kreativ ist) schmerzlich vermisse.

  • Es ist interessant, dass Du das so schreibst. Mein bester Freund kann ebenfalls nicht sooo viel mit PG anfangen, eigentlich aus den von Dir oben genannten Gründen: zu dunkel, zu schwierig.


    Obwohl ich gar kein depressiver Typ bin :) , wenn ich das so schreiben kann, empfinde ich das gar nicht so, also seine Musik, oder bestimmte Alben, wahrscheinlich 1-4, UP, als schwierig und dunkel.
    Es sind meine Lieblingsalben und sie gefallen mir viel besser als die leichteren Alben US und SO. Vielleicht entspricht die Musik meinem Naturell? :gruebel:


    Um zurück zu Car zu kommen: Du hast sicher recht, dass auch Car diese Stimmung hat, die vielleicht weniger im PG-Genesis-Katalog zu tragen kommt, vielleicht mit Ausnahme The Lamb.


    Nun ja, manchmal wende ich mich durchaus auch schwierigeren Stoffen zu.
    Eigentlich tue ich das jeden Tag : In dem ich Nachrichten lese. (Fernsehen tue ich schon gar nicht mehr.)
    In der Mitgliedszeitschrift des IFHS e.V. traf ich auf folgende Formulierung : Nachrichten seien eine "toxische Wissensform", da sie einen emotional runterziehen würden.
    Ich lebe allerdings seit einigen Jahren nach dem Motto : Das Leben ist schon scheiße genug, warum soll ich mir das dann auch noch in der Musik antun ?


    Ich *kann* durchaus auch, wenn ich will, "schwerere" Stioffe schreiben - ich will nur einfach nicht (mehr). Ich habe das ganz früher getan, nun ist mein Ziel eher, in Menschen gute Laune zu verbreiten, damit diese sich eines "guten Lebens" erfreuen mögen. Ist mein Ziel, klappt aber auch nicht immer, da sich diese "schwereren Themen" doch immer wieder durch die Hintertüre hineinschleichen - und sei es auch als Anmerkung.


    So etwas ähnliches hat ja auch Sir Terry Pratchett geschafft : Seine ersten Scheibenwelt-Romane waren ja noch einfach lustig, aber sie wirden dann im Laufe der Zeit immer grimmiger, und das "lustige" daran wurde nur noch zur Fassade, hinter der sich zum Teil extrem ernste Themen versteckten.


    Ich halte Mr. Gabriel zu Gute, daß er die Augen nicht verschließt, und "schwierige Themen" sehr ungefiltert auf die Menschen losläßt - eben nicht nur in Milgrams 37, sondern auch in Big Time, welches eine sehr ausgeprägte Kapitalismuskritik ist, nur eben hübsch und nett verpackt. "Big Time" würde heutzutage Mr. Trump extrem gut beschreiben.


    Das "Problem" bei Mr. Gabriel ist, daß man seine Texte (und auch seine Musik - siehe "Darkness") auch aushalten können muß - und nicht jeder Mensch hat eben die Kraft dazu. Deswegen sind ja seine ersten Alben auch nie an die Spitze der Charts gewandert.


    Wenn ich über Milgrams Experimente lese, und in Wikipedia von da aus nach MKULTRA springe (die englischsprachigen Artikel sind erheblich ausführlicher dazu), dann ist der Tag für mich erst einmal gegessen. So etwas muß man auch ertst einmal verdauen können. Sonst gibt's Sodbrennen. Und nicht jeder Mensch hat solch einen starken Magen.


    Das Gleiche gilt halt auch für Mr. Gabriels frühere Songs. Im Vergleich dazu sind SO und US ja geradezu "flüssig".


    Es muß halt beides geben : Den Warnrufer, der auch schwierige Themen anschneidet, und den Spaßmacher. Es muß den Ausgleich geben, denke ich, damit Sachen auch ankommen und verdaulich werden. Fast perfekt hat er das mit Big Time geschafft.
    Auf einem Album mit Big Time läßt man sich auch viel eher auf solch hoch künstlerische Experimente wie This Is The Picture ein. Etwas ähnliches versucht ja z.B. auch Night Of The Proms.
    Jedenfalls denke ich das so.

    "There are crawlers under my lambswool feet..."
    (Quelle)

  • Lasst die Gedanken wandern auf den Solsbury Hill und weiter...


    Danke martinus, sehr schön, könnte auch in einer Musikzeitschrift stehen...

    I know a farmer who looks after the farm.
    With water clear, he cares for all his harvest.
    I know a fireman who looks after the fire.

  • Zitat

    wenn ich auch finde, dass "The lamb" doch hie und da etwas durchschimmert.


    Peter meinte einst, er habe für PG1 alle Titel neu geschrieben und nichts verwendet, was für Genesis angedacht war. Diese "Ideenverwertung" soll erst auf dem zweiten Album stattgefunden haben.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Ich gebe es zu. Ich habe PG1 schon sehr lange nicht mehr gehört - so am Stück, so wie wir vor 40 Jahren Musik gehört haben. Platte auflegen, zuhören, wenden, zuhören. Das war schon eine andere Art Musik anzuhören. (dabei fällt mir auf: 'Excuse Me' will ich skippen. So ganz einfach - ein Klick - und man ist beim nächsten Stück. Das ging früher nicht so schnell und wir machten es deswegen wirklich viel seltener. Also halte ich mich zurück und höre es mir an.)


    Doch blicken wir 40 Jahre zurück. Es war still geworden um Peter. Genesis hatte zwei Alben herausgebracht - gute Alben - es schien alles gut zu laufen. Aber von Peter hörte man nicht viel. Dann lief plötzlich 'Solsbury Hill' über den Äther. Ich wusste anfangs nicht einmal, dass es von PG war. Aber dieser lockere, fröhliche Song gefiel mir gut und er machte gute Laune. Umso erstaunter war ich, als dann eines Tages ein Moderator den Autor des Stücks erwähnte. Schon bald darauf wurde vom zusammengekratzten Taschengeld die LP erstanden. Sie wurde gekauft, ohne sie vorher im Plattenladen angehört zu haben. Ich meine, das schuldete man Peter - das war Peter Gabriel, die Stimme von Genesis!


    Die Ernüchterung kam dann beim Anhören. Ich erwartete Genesis oder zumindest etwas Ähnliches. Aber es war etwas anderes. Zum Glück war mir schon damals bewusst, dass es Musik gibt, die mit jedem Durchlauf wächst. Ich weiss noch, wie ich das Album gleich mehrfach durchhörte und nach Genesis Stückwerk suchte - und auch fand. Da war Moribund, das in seiner seltsamen, skurrilen Art an 'Harold the Barrel', 'Get'em out by Friday' oder 'Battle of Epping Forrest' erinnerte, der 2. Teil von Humdrum, der Instrumentalteil von 'Down the dolce Vita' und 'Here comes the Flood' wurde in dieser instrumental fetten Variante meinen Erwartungen am ehesten gerecht. Es war damals mein Favorit des Albums.


    Car erfüllte mich damals mit ambivalenten Gefühlen, denn es hatte meine hochgeschraubten Erwartungen nicht erfüllt, aber es hatte trotzdem starke Stücke darauf. Ich mochte 'Modern Love' und 'Slowburn'. Es war nicht homogen wie Genesis-Alben sondern glitzerte mit vielfältigen Facetten. Ich las dann später noch ein Interview mit Peter (das könnte aber auch bereits nach PG2 gewesen sein). Dort erklärte er dann auch, dass er bewusst bemüht war, sich nicht so anzuhören wie Genesis und sein altes Ich (Wie konnte er nur! ;-)). Das musste ich erst verdauen. Insgeheim hoffte ich noch einige Jahre, dass er dann doch einmal zu seinen alten Wurzeln zurückkehren würde. Aber er machte es nicht. Peter ist schon immer seinen eigenen Weg gegangen.


    Heute mag ich persönlich 'Waiting for the Big One' am liebsten. Seltsamerweise ein Stück das meilenweit entfernt ist vom Stil der alten Genesis oder auch von Peter Gabriel.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Zitat von THOM

    Und das veröffentlicht Peter zum Album: It was 40 years ago


    :p Soso... Peter veröffentlicht ^^
    Lustig, schräg, merkwürdig oder peteresk: Es ist ja NICHT wirklich Peter, der sowas veröffentlicht. Hab noch nicht herausgefunden, wie das mit der Bestückung seiner webseite ...com und seines fb-Auftritts funktioniert. Das Thema hatten wir schon öfter, neulich mit "seiner" aktuellen 20-seiner-Songs-Playlist (die tatsächlich von 2004 abgeschrieben war).


    Im von THOM verlinkten Beitrag wird Peter wieder in der dritten Person besprochen, was irgendwie nach Hofbericht klingt (spitzer Mund, kehlige Aussprache: The Royal Court announces...). Tjaja, Jammern auf hohem Niveau, ich weiß, ALLE Großen und Vielbeschäftigten lassen Ihre Websites von Admins bestücken (Grüße an die Hackett-Admins), selbst Ant wußte auf dem EvAnt nichts von "seinen eigenen" Veröffentlichungen und Fakten auf seiner Seite :rolleyes:.
    Die wirklich echt kommunizierenden Einzelkünstler finden sich wohl nur eine Liga tiefer.



    Klasse, Hotte, dass Du diesen Faden aufgemacht hast!


    Die damaligen Tour-Begleiter haben sich gestern auch auch gemeldet, Larry Fast zum Beispiel bezeichnet die Erfahrungen der Tour als einen der wichtigsten Meilensteine seines Lebens.


    Für mich ist Car immer noch eine Fundgrube an Nebenstängen, musikalisch, aber auch visuell (Storm Thorgerson, Hipgnosis), historisch (Rockpalast), (wie martinus auch verdeutlicht:) biografisch und (ähnlich wie sunrise und andere erinnern:) mit "vor und nach der ersten PG" auch eine strukturierende Markierung meiner eigenen Erwachsenwerdung


    Heute nun "veröffentlicht >Peter<" einen kleinen Notenzettel zu I will find out, na das passt doch :-P.



    http://petergabriel.com/news/pg1-40th-anniversary/

  • ... Diese "Ideenverwertung" soll erst auf dem zweiten Album stattgefunden haben.


    Ach deshalb liebst du Scratch...;)

    I know a farmer who looks after the farm.
    With water clear, he cares for all his harvest.
    I know a fireman who looks after the fire.

  • Nein, meine "Liebe" zur Scratch hat ihren Ursprung im Rockpalastkonzert. Ich habe On the air weder davor noch danach so intensiv erlebt wie bei diesem Konzert auf VHS. Dadurch neugierig geworden, kaufte ich mir ein paar Tage später das Album und war aufs Artigste erfreut.


    Die Parallelen zum Lamm erkennt man gerade bei On the air, welches im Aufbau sehr stark dem Opener und Titelstück von TLLDOB erinnert.


    Dass da bewusst alte Elemente aufgegriffen wurden, habe ich jedoch erst viele Monde später erfahren.


    Ach ja, zur Geschmackskorrektur, die richtige Reihenfolge muss PG2, 1 und dann 3 lauten.

    Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

  • Vielleicht noch ein ganz kleiner Nachtrag von mir : Ich habe, wie schon gesagt, erst jetzt den Text von Moribund The Bürgermeister gelesen ... Ohne diesen Text hatte ich den Song, den ich von der Solsbury Hill Single her kannte, eine öllig andere Interpretation :


    Ausgehend von der Übersetzung des uralten Wörterbuches, das meinem Vater gehört hatte, und mit dm er Englisch gelernt hatte, stand da : "moribund = sterben, liegend". Folgerichtig interpretierte ich das gruselige " ... I will find out ..." - wobei ich den Rest des Textes nie ganz verstehen konnte, ich war noch jung damals, und meine Englischkenntnisse waren nicht sehr gut - so interpretierte ich diesen Song also als eine Art Monolog eines sterbenden Bürgermeisters, schon halb tot auf der Bahre liegend, mehr tot als lebendig, mit seinen allerletzten Atemzügen röchelnd : "Ich werde herausfinden, wer mein Mörder war ! I ... I will find out ... I will ... find out ..." Wie ein gräßlicher Fluch ... Was für mich bedeutete, daß er von nun an als Untoter oder als Geist seine Stadt heimsuchen würde ... immer auf der Suche nach seinem Mörder ...


    So gesehen war das tatsächlich für mich "schwerer Stoff".

    "There are crawlers under my lambswool feet..."
    (Quelle)