Die Politik ist tot, es lebe die Politik! - kleiner politischer Frühschoppen, Live-Ticker, Austicker und was man sonst noch so zur Meinungsbildung braucht - oder auch nicht...


  • Mir ist nicht langweilig, und ich habe hier auch schon inhaltlich was gepostet. Mich interessieren eher die nicht enden wollenden Korruptionsskandale in Brasilien, oder jetzt dieser Gammelfleischkram, was dich wiederum nicht sonderlich interessiert, da du ja nicht hier wohnst.


    Das Persönliche stellt ihr bitte beide ein oder tragt es via PN aus. Was den zitierten Abschnitt betrifft, zumindest der Gammelfleischkram hat es auch hier mal kurz in die Nachrichten geschafft, da aufgrund der Problematik der Import brasilianischen Fleischs in die EU vorerst ausgesetzt worden ist. Das aber nur mal nebenbei am Rande.


    Zitat von Gitgo

    für TIOA und martinus; dieses schönes Bild hat so viele verbindende Elemente, da dachte ich an Euch.


    Hatte ich heute im Laufe des Tages schon gesehen. Ich erkenne die Geste an, habe aber auch noch lebhaft vor Augen, wie britische Muslime auf die Live-Reportage der englischen Ausgabe von Al Jazeera reagiert haben und man vor Lach-Smileys bald die Luftaufnahmen nicht mehr richtig erkennen konnte. Solche Aktionen sehe ich aus Erfahrung sehr nüchtern.

    • Offizieller Beitrag

    Davon ausgehend wäre ich dennoch nicht komplett bei dir, weil ein Symbol auch freiwillig getragen eben immer noch ein Symbol ist und Inhalte repräsentiert, mit denen naturgemäß nicht jeder einverstanden ist.


    Ich fürchte, da rührst du die Entscheidung der einzelnen ("Ich trage das") und die Reaktionen der anderen ("Die trägt das, mit den symbolisierten Inhalten bin ich nicht einverstanden") zusammen. Dass jemand aus vollkommen freien Stücken im Alltag ein Kleidungsstück trägt, das Inhalte repräsentiert, mit dem der Träger/die Trägerin nicht einverstanden ist, wirst du ja wohl nicht gemeint haben, oder?


    Zitat

    Hier wird meiner Meinung nach etwas vermischt, was auch in vielen Diskussionen unter dem Stichwort "Meinungsfreiheit" immer wieder verwechselt wird - jeder hat ein Recht, seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Regularien frei zu äußern, aber es gibt kein Recht darauf, dass andere Menschen es gut oder neutral bewerten müssen. Gleiches gilt für eine Weltanschauung - die steht jedem frei, wenn ich sie aber offen zur Schau stelle, dann muss ich eben auch mit den Reaktionen derer klarkommen, die mit dieser Weltanschauung nichts anfangen können oder sie gar ablehnen. Das Recht des einen hebt nicht das Recht des anderen auf.


    Das Recht auf freie Religionsausübung ist ein anderes als das Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber zum Kern: Ja, wenn ich meine Überzeugungen offen zeige, muss ich die Reaktionen der anderen darauf vertragen können. Aber diese Reaktionen haben Grenzen: Sie dürfen die Überzeugung infrage stellen, aber sie dürfen die Person nicht herabwürdigen.


    Zitat

    Ich halte deswegen ein "Der drückt mir sein religiöses Bekenntnis ins Gesicht, aber das ist mir egal" für unrealistisch, selbst wenn ansonsten im Gegensatz zur aktuellen Realität Bedingungen dafür geschaffen wären.


    Hand aufs Herz: Ich würde wetten, dass du auf jemanden, der ein Kreuz am Revers trägt, deutlich weniger reagierst als auf eine Frau mit Kopftuch!


    Ich würde da anmerken wollen, dass die Freiwilligkeit dieser Unterwerfung durchaus fragwürdig ist. Wie wird denn Religion vermittelt? In der Regel doch von den Eltern an die Kinder. Und die Erwachsenen entscheiden das in der Regel von Geburt an ohne das Einverständnis der Kinder. In meiner Generation wurde m.E. niemand gefragt, ob er getauft werden will. Und sonntags musste man in die Kirche, ob man wollte oder nicht.
    Kinder sind viele Jahre lang religiösen Einflussnahmen ausgeliefert, die in Familie und sozialem Umfeld sicht- und spürbar sind. Wer einmal über eine lange Zeit so geprägt wurde, braucht einen starken Willen und möglicherweise auch Unterstützung von außen, um sich von diesen Dingen zu befreien.


    Aber aus Kindern werden Leute. Leute, die hinterfragen, und Leute, die sich von Dingen, die ihnen nicht behagen, lossagen. Ich finde es fragwürdig, zu implizieren, dass den Menschen, die die religiöse Ausrichtung ihrer Eltern übernehmen, schwachen Willens sind. Das ignoriert, dass Menschen sich auch bewusst für Religion entscheiden. Es würde auch bedeuten, dass Kinder aus einem atheistischen Elternhaus kraft der (anti-)religiösen Einflussnahme der Eltern vor Religion gefeit wären. Auch solche schließen sich aber auch der einen oder anderen Glaubensrichtung an.


  • Aber aus Kindern werden Leute. Leute, die hinterfragen, und Leute, die sich von Dingen, die ihnen nicht behagen, lossagen.


    Grundsätzlich richtig. Dennoch hängt dies auch immer von der allgemeinen Diskussions- und Streitkultur innerhalb einer Familie ab. Wenn Eltern selbst Aspekte ihrer Religion kritisch hinterfragen, sind dies günstige Bedingungen dafür, dass Kinder dies auch tun.
    Darüber hinaus ist in allen katholischen Familien, die ich kenne, mittlerweile eine gesunde Distanz zu bestimmten Positionen der Kirche gewachsen.



    Ich finde es fragwürdig, zu implizieren, dass den Menschen, die die religiöse Ausrichtung ihrer Eltern übernehmen, schwachen Willens sind.


    Die Frage lautet für mich nicht: Wie schwach ist der Willen? Sondern: Wie groß ist der Druck der eigenen Community? Wenn Kinder vor der Wahl stehen, für sie lästige religiöse Verhaltensmuster aufzugeben oder von ihrer Familie verstoßen (vielleicht sogar in Verbindung mit Drohungen für Leib und Leben) zu werden, werden sie sich fast immer für die Familie und deren Werte entscheiden. Das tun sie dann aber nicht aus Überzeugung, sondern aus Pflichtgefühl, Angst oder der immer noch vorhandenen Liebe zu den Eltern - nicht aus Liebe zur Religion.



    Das ignoriert, dass Menschen sich auch bewusst für Religion entscheiden. Es würde auch bedeuten, dass Kinder aus einem atheistischen Elternhaus kraft der (anti-)religiösen Einflussnahme der Eltern vor Religion gefeit wären. Auch solche schließen sich aber auch der einen oder anderen Glaubensrichtung an.


    Atheistische Menschen können prinzipiell ohne negative Konsequenzen eine Religion annehmen.
    Umgekehrt gilt dies aber in vielen Fällen nicht.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

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  • Ich fürchte, da rührst du die Entscheidung der einzelnen ("Ich trage das") und die Reaktionen der anderen ("Die trägt das, mit den symbolisierten Inhalten bin ich nicht einverstanden") zusammen. Dass jemand aus vollkommen freien Stücken im Alltag ein Kleidungsstück trägt, das Inhalte repräsentiert, mit dem der Träger/die Trägerin nicht einverstanden ist, wirst du ja wohl nicht gemeint haben, oder?


    Wenn ich mich nicht irre, dann war deine Kernaussage doch, dass es uns egal sein solle, welche religiöse Symbolik andere an ihrem Körper tragen. Darauf bin ich damit eingegangen. Sollte das falsch gewesen sein lass es mich bitte wissen, dann beantworte ich es gerne nochmal.


    Zitat

    Das Recht auf freie Religionsausübung ist ein anderes als das Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber zum Kern: Ja, wenn ich meine Überzeugungen offen zeige, muss ich die Reaktionen der anderen darauf vertragen können. Aber diese Reaktionen haben Grenzen: Sie dürfen die Überzeugung infrage stellen, aber sie dürfen die Person nicht herabwürdigen.


    Das dahinter stehende Grundprinzip ist das gleiche, in beiden Fällen geht es um den öffentlichen Ausdruck von Überzeugungen. Der übrigen Aussage stimme ich komplett zu.


    Zitat

    Hand aufs Herz: Ich würde wetten, dass du auf jemanden, der ein Kreuz am Revers trägt, deutlich weniger reagierst als auf eine Frau mit Kopftuch!


    Du hattest ein hypothetisches Szenario aufgeworfen. In der Realität ist das momentan absolut der Fall. Ich lehne zwar generell das Glaubenskonzept der abrahamitischen Religionen für mich ab und weiß, dass die Bibel inhaltlich nicht soooo viel besser als der Koran ist, aber die alltägliche Umsetzung bis hin zu den globalen Auswirkungen der beiden Religionen sind ein gewaltiger Unterschied. Ich weiß nicht, ob es gewünscht ist, dass ich das näher ausführe, deswegen fasse ich es erst mal so zusammen, dass meine Ablehnung dem Islam gegenüber aktuell deutlich stärker ausgeprägt ist als die gegenüber dem Christentum oder dem Judentum (gemeint ist selbstverständlich die Religion, nicht die Volksgruppe).

    • Offizieller Beitrag

    Das Thema, zu dem ich nachgehakt habe, war dieses:
    Was den sozialen Druck zum Tragen des Kopftuchs angeht (...) : Ich stelle prinzipiell in Frage, dass alle muslimischen Frauen, die ein Kopftuch tragen, dies ausschließlich aufgrund von äußerem (z.B. familiärem Druck) tun. Es gibt, davon bin ich bis zum Beweis des Gegenteils überzeugt, beide Situationen.
    Wir stellen uns jetzt mal eine muslimische Frau vor, die von ihrer Familie gezwungen wird, das Kopftuch zu tragen. Die Situation ist also so: Ihre Familie übt Druck/Zwang auf sie aus, dass sie das Kopftuch in der Öffentlichkeit trägt. Jetzt kommt ein gesetzliches Kopftuchverbot dazu.
    Was ändert sich? Die Situation der Frau wird schlechter: Sie ist dem Druck der Familie und dem Druck des Staates ausgesetzt.
    Was ändert sich nicht? Das Denken der Familie, die sie zum Tragen des Kopftuches nötigt.
    Das bedeutet: Ein Kopftuchverbot setzt an der falschen Stelle an. Es bekämpft ein Symptom, aber nicht die Ursache.
    Anders formuliert: Es geht nicht um das Kopftuch. Es geht auch nicht um das Denken in dem Kopf unter dem Tuch. Es geht um das Denken der anderen, die den Druck ausüben.


    Ich hätte gerne gewusst, wie du zu dieser Aussage stehst.

  • Wir stellen uns jetzt mal eine muslimische Frau vor, die von ihrer Familie gezwungen wird, das Kopftuch zu tragen. Die Situation ist also so: Ihre Familie übt Druck/Zwang auf sie aus, dass sie das Kopftuch in der Öffentlichkeit trägt. Jetzt kommt ein gesetzliches Kopftuchverbot dazu.
    Was ändert sich? Die Situation der Frau wird schlechter: Sie ist dem Druck der Familie und dem Druck des Staates ausgesetzt.
    Was ändert sich nicht? Das Denken der Familie, die sie zum Tragen des Kopftuches nötigt.
    Das bedeutet: Ein Kopftuchverbot setzt an der falschen Stelle an. Es bekämpft ein Symptom, aber nicht die Ursache.
    Anders formuliert: Es geht nicht um das Kopftuch. Es geht auch nicht um das Denken in dem Kopf unter dem Tuch. Es geht um das Denken der anderen, die den Druck ausüben.


    Ich hätte gerne gewusst, wie du zu dieser Aussage stehst.


    Ok, jetzt habe ich es verstanden, entschuldige dann bitte meine Antwort zum falschen Sub-Thema.


    Wie ich bereits in einer meiner vorangegangenen Antworten schrieb - ich fordere kein Kopftuchverbot und gehe mit deiner Begründung dazu auch konform, da es in der kurzfristigen Folge tatsächlich dazu führen würde, dass betroffene Frauen das Haus nicht mehr verlassen dürften, da ihnen sonst entweder Strafe durch den Staat oder Züchtigung innerhalb der Familie drohen würde. Das ist auch etwas grundlegend anderes als einen Arbeitgeber darüber entscheiden zu lassen, welchen Grad an Äußerung weltanschaulicher Ansichten er innerhalb seines Unternehmens zulässt.


    Deutlich relevanter wird es für mich bei dem Umgang mit den diversen Verschleierungsmethoden, bei denen die Frau zum Menschen zweiter Klasse und zum Privatbesitz eines Mannes degradiert wird. Der Umgang mit dem Thema wird hier aber auch hochkomplex, da man beim Druck durch die Familie bzw. allgemein das soziale Umfeld unterscheiden muss, ob dieser Druck unmittelbar (sprich in Form verbaler/körperlicher Gewalt) erfolgt, oder mittelbarer Druck ausgeübt wird, indem durch Erziehung die Rolle im Kopf der Frau bereits ab dem Kleinkindalter manifestiert und damit im späteren Leben als etwas ganz natürliches wahrgenommen wird.


    Das Problem dabei ist - uns wird dabei eindrucksvoll einer der Schwachpunkte unseres Systems vor Augen gehalten. Die Denkweise und ihre Umsetzung sind mit unserem Verständnis von Menschenwürde und Menschenrechten unvereinbar, gleichzeitig aber sind die Frauen auch vielleicht entsprechend indoktriniert, sodass die faktische Sklaverei als Freiheit empfunden wird, in die nun eingegriffen werden soll, was an für sich ebenfalls wieder ein Widerspruch zu den Grundrechten ist.


    Ich stimme dir daher insoweit zu, dass es um das Denken derer geht, die ein solches System von zweitklassigen/minderwertigen Menschen für normal und erstrebenswert halten. Ich stimme aber nicht zu, dass prinzipiell das Denken "unter dem Kopftuch" davon ausgeschlossen ist.


  • Zunächst einmal geht es - TIOA hat das bereits klar gestellt - nicht um ein pauschales Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit, sondern um die Freiheit des Arbeitgebers, selbst zu entscheiden, ob er Kopftuch tragende Frauen in seinem Betrieb haben möchte.
    Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen, denn warum sollte man einen privaten Arbeitgeber dazu nötigen, Menschen zu beschäftigten und zu bezahlen, mit deren Weltanschauung er nicht konform geht? Dies gilt insbesondere dann, wenn die Weltanschauung der Beschäftigten in einem Widerspruch zur Unternehmensphilosophie steht.


    Der Preis für diese Entscheidungsfreiheit ist eine "religiöse Neutralität", d.h. der Arbeitgeber darf nicht explizit Kopftücher verbannen, sondern muss diese "Ächtung" auf alle religiösen Symbole beziehen. Hier könnte man kritisch hinterfragen, ob dies denn gerechtfertigt ist. Das Kopftuch polarisiert im Gegensatz zu z.B. einem Kreuz an einer Kette ja vor allem deshalb, weil es auch für ein Männer- und Frauenbild steht (siehe innerislamische Begründung für das Tragen des Kopftuches), welches in einem signifikanten Gegensatz zu Moderne und Aufklärung steht.


    Was das "freiwillige" Tragen von Kopftüchern angeht, so wird diese Freiwilligkeit zumindest relativiert, wenn man weiß, dass als Begründung stets die Religion angeführt wird. Dort, wo es zumindest nach einer bestimmten konservativen Lesart der Religion ein Gebot für das Kopftuchtragen gibt, kann man m.E. keine echte Freiwilligkeit annehmen. Vielleicht kann ich das mit einem Beispiel illustrieren: Sollte ich als Katholik (und nicht direkter Vertreter der Amtskirche) mich dazu entschließen, ein Kreuz zu tragen, dann wäre das ein wesentlich besseres Beispiel für das freiwillige Tragen eines religiösen Symbols. Warum? Weil ich nicht eine einzige Stimme meiner Kirche kenne, die mich dazu auffordert, dies zu tun.


    Was den Sinn partieller Kopftuchverbote angeht, so schreibst du, dass sich hierdurch das Denken der Familie nicht ändern werde. Ich bin mir nicht sicher, ob man das so allgemein feststellen kann. Letztlich muss es aber auch nicht darum gehen, das Denken jedes einzelnen Menschen ändern zu wollen. Wichtiger wäre es mir, in der Gesellschaft und Öffentlichkeit deutlich zu machen, welche Werte uns hier wichtig sind, als da wären: Freiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Bildung etc.
    Last but not least kenne ich viele muslimische Frauen, die kein Kopftuch tragen und das auch gar nicht wollen. Viele von ihnen sind hervorragend integriert. Der Ansatz, sich bei einer Muslima stets eine Kopftuch tragende Frau vorzustellen, ist somit eigentlich bereits falsch. Eher richtig ist da wohl die Beobachtung, dass die muslimischen Frauen ohne Kopftuch sich gegenüber den herrschenden Lehren von Verbänden und Moscheen immer stärker einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen, gemäß dem Motto: Du trägst kein Kopftuch, du bist keine echte Muslima. Diese Beobachtung verheißt nichts Gutes.

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  • Die AhEffDee scheint sich zunächst mal selbst zu zerlegen. Petry fängt angeblich an zu flennen, weil sie den kackbraunen Flügel nicht wählerfreundlich domestiziert bekommt. Allerdings ist die auch schwanger, da wird frau womöglich eh ein wenig sensibler. Hoffentlich geht die in Elternzeit. Kann allen nur gut tun.
    Zudem kommen verdammt nochmal zu wenige Flüchtlinge in Deutschland an. Ist es auch so, dass die affigen nationalistischen Populisten anderer Staaten den Deutschen so ein wenig den Spaß an bockig-verbohrter Rechtshaberei verdorben haben? Nicht dass ich dächte, rassistisches Gedankengut würde abnehmen, aber es scheint ein unbehagliches Gefühl aufzukommen, dass die Angstbeschwörer womöglich ein paar beträchtliche realpolitische Defizite mit sich bringen könnten.

    • Offizieller Beitrag

    Zunächst einmal geht es - TIOA hat das bereits klar gestellt - nicht um ein pauschales Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit,


    Wir waren schon ein bisschen weiter. Oder ich zumindest: Es geht grundsätzlich um das Umdenken jedes Einzelnen.

    Zitat

    ...sondern um die Freiheit des Arbeitgebers, selbst zu entscheiden, ob er Kopftuch tragende Frauen in seinem Betrieb haben möchte.
    Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen, denn warum sollte man einen privaten Arbeitgeber dazu nötigen, Menschen zu beschäftigten und zu bezahlen, mit deren Weltanschauung er nicht konform geht? Dies gilt insbesondere dann, wenn die Weltanschauung der Beschäftigten in einem Widerspruch zur Unternehmensphilosophie steht.


    Was gehen meine Überzeugungen meinen Arbeitgeber an? Außer in bestimmten Sonderfällen (Staatsbedienstete, Angestellte bei konfessionellen Arbeitgebern) geht es ihn einen sogenannten feuchten Kehricht an.
    Er darf allerdings vorschreiben und erwarten, dass die Mitarbeiter ihre Kollegen und die Kunden der Firma während der Arbeitszeit mit ihren politischen/religiösen Überzeugungen nicht belästigen und sie ihnen aufdrängen, um es mal salopp auszudrücken.


    Zitat

    Das Kopftuch polarisiert im Gegensatz zu z.B. einem Kreuz an einer Kette ja vor allem deshalb, weil es auch für ein Männer- und Frauenbild steht (siehe innerislamische Begründung für das Tragen des Kopftuches), welches in einem signifikanten Gegensatz zu Moderne und Aufklärung steht.


    "Das Weib schweige in der Kirche." (1.Korinther 14, 34) "Die Frau ist um des Mannes willen geschaffen (1.Korinther 11,9). Kennst du diese Passage: "Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen. Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch gleich die Haare abschneiden lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen." (1. Korinther 11, 5-6) "Eine Frau soll still zuhören und sich ganz unterordnen. Ich gestatte es keiner Frau zu lehren und sich über den Mann zu erheben. Zuerst wurde ja Adam erschaffen, und dann erst Eva." (Johannes Paul II.)
    Es ist ja nur gut, dass das christliche Männer- und Frauenbild so ungeheuer modern und aufgeklärt ist. Es fällt nur keinem mehr auf, weil "man das heute nicht mehr so eng sieht."


    Zitat

    Was das "freiwillige" Tragen von Kopftüchern angeht, so wird diese Freiwilligkeit zumindest relativiert, wenn man weiß, dass als Begründung stets die Religion angeführt wird. Dort, wo es zumindest nach einer bestimmten konservativen Lesart der Religion ein Gebot für das Kopftuchtragen gibt, kann man m.E. keine echte Freiwilligkeit annehmen.


    Wenn du dich freiwillig entschließt, einer Religion zu folgen, auch im Wissen, dass diese Religion bestimmte Vorschriften macht, dann nimmst du die Einhaltung dieser Vorschriften freiwillig auf dich. Du kannst dich natürlich auch aus freien Stücken dazu entschließen, der Religion zu folgen und einige ihrer Vorschriften nicht zu beachten.


    Zitat

    Was den Sinn partieller Kopftuchverbote angeht, so schreibst du, dass sich hierdurch das Denken der Familie nicht ändern werde.


    Nicht nur ein partielles, sondern auch ein komplettes Kopftuchverbot.


    Zitat

    Letztlich muss es aber auch nicht darum gehen, das Denken jedes einzelnen Menschen ändern zu wollen. Wichtiger wäre es mir, in der Gesellschaft und Öffentlichkeit deutlich zu machen, welche Werte uns hier wichtig sind, als da wären: Freiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Bildung etc.


    Und wo, lieber Mutzel, möchtest du diese Werte verankern, wenn nicht im Denken jedes einzelnen Menschen? Wo finden sich diese Werte, wenn nicht im Denken und in der Einstellung jedes einzelnen Menschen, der diese Werte beherzigt und in sein Handeln einfließen lässt?


  • Was gehen meine Überzeugungen meinen Arbeitgeber an? Außer in bestimmten Sonderfällen (Staatsbedienstete, Angestellte bei konfessionellen Arbeitgebern) geht es ihn einen sogenannten feuchten Kehricht an.
    Er darf allerdings vorschreiben und erwarten, dass die Mitarbeiter ihre Kollegen und die Kunden der Firma während der Arbeitszeit mit ihren politischen/religiösen Überzeugungen nicht belästigen und sie ihnen aufdrängen, um es mal salopp auszudrücken.


    Natürlich gehen einen Arbeitgeber meine persönlichen (politischen, religiösen etc.) Überzeugungen nichts an, und er wird sie in der Regel auch nicht erfahren.
    Ein Kopftuch einer muslimischen Frau macht aber solche privaten Überzeugungen auf einen Blick offensichtlich und kann beim Arbeitgeber Fragen aufwerfen. Diese Fragen kreisen darum, ob die mutmaßlich unterstellte Religiösität eventuell ein Problem für die Arbeit darstellt. Da es dem Arbeitgeber aber nach meinem Wissen nicht erlaubt ist, in einem Vorstellungsgespräch danach zu fragen, wie oft jemand am Tag betet etc., könnte es sein, dass er diese Bewerberin von vornherein aussortiert, weil er die Möglichkeit von Differenzen ausschließen will.


    In diesem Zusammenhang ist der folgende Fall interessant:


    https://www.aerzteblatt.de/nac…it-Klage-gegen-Entlassung


    Abgesehen davon, dass die ziemlich weltfremde Erwartungshaltung der Pflegekraft und ihre problematische Selbstwahrnehmung ("Ich fühle mich hier diskriminiert") schon Bände spricht, wird der hier verklagte Pflegedienst wohl nie mehr eine Muslima einstellen. Im Endeffekt sind dies Beispiele dafür, wie durch ein falsches Verständnis von Religionsfreiheit Integration verhindert wird.



    Es fällt nur keinem mehr auf, weil "man das heute nicht mehr so eng sieht."


    Exakt! Und damit hast du eine gute Beschreibung von "zeitgemäßer Religion".
    Man distanziert sich von gewissem Schwachsinn, der in irgendwelchen Schriften steht.
    Da haben die Christen in den letzten Jahrzehnten eine positive Entwicklung hingelegt, die für andere Glaubensgemeinschaften durchaus eine Vorbildfunktion haben könnte.



    Und wo, lieber Mutzel, möchtest du diese Werte verankern, wenn nicht im Denken jedes einzelnen Menschen? Wo finden sich diese Werte, wenn nicht im Denken und in der Einstellung jedes einzelnen Menschen, der diese Werte beherzigt und in sein Handeln einfließen lässt?


    Ich kann diese Werte von Liberalität und Aufklärung nur dann im Denken möglichst vieler Menschen verankern, wenn ich die Bedingungen dafür schaffe, dass sie von möglichst vielen Menschen gelebt werden können. Dafür muss die Religionsfreiheit aber in bestimmten Bereichen eingeschränkt werden.

    But we never leave the past behind, we just accumulate...

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    Was ich nicht vergesse

    Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne

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