Musikalisch habe eine kleine Odysse hinter mir. Als Kind mochte ich einfach keine Musik. Bei dem ewigen Streit auf der Schulhof meiner Grundschule ( Kelly Family vs. Michael Jackson vs. Die Prinzen hab ich mich zwar immer für die Prinzen entschieden, ohne aber einen Schimmer davon zu haben, was das für Musik war) Was im Radio kam - und das war bei uns immer WDR 2 - fand ich langweilig. Ich hab lieber Hörspiele gehört und gelesen.
Das einzige Konzert auf dem ich als Kind war, war ein Pur-Konzert, zu welchem mich meine Mutter mitnahm und ich vertrete auch heute noch den Standpunkt, es hätte mich bedeutend schlimmer treffen könnnen. Ich möchte sogar einiges von dem was ich da hörte (Und Pur HABEN GUTE Songs) aber es überwog eben trotzdem der seichte Schmalz, und der missfiel mir damals schön.
Mit 9/10 habe ich meine erste Mal begonnen, nach Liedern, die ich aus dem Radio kannte, im Plattenladen zu fragen. Wir hatten noch so einen "echten" Plattenladen, wo man sich stundenlang durch LPs wühlen konnte und irgendwann fand ich neben dem gewöhnlichen Kram, den man vor 10 Jahren so hörte, den ich aber auch nie mehr als ganz nett fand, ein Cover, dass mich irgendwie reizte. Es war die "Monarchie und Alltag" von den Fehlfarben. Der Verkäufer fragte nach dem Probehören, mich ob ich Punk hörte. Ich hatte keine Ahnung dass was das war, aber da mir das gehörte sehr gefiel, sagte ich: "Ein bisschen". So brachte er mich zu den Toten Hosen, Hass, Rawside, Zusamm-Rottung, Vorkriegsjugend, OHL, Dritte Wahl und Daily Terror.
Während ich anfangs alles in dieser Richtung, die mir schon mal so viel besser gefiel als der Müll im Radio, dankbar annahm und schluckte, kristallierten sich mit der Zeit mehr und mehr die wenigen wirklich guten heraus. Das waren die mit guten Texten und abwechslungsreicherer Musik. Die musikalischen Analphabeten, die immer nur "Deutschland verrecke" brüllte, blieben nach und nach im Schrank stehen und schließlich im Keller liegen, da sie mir irgendwann anfingen, peinlich zu werden. Da waren allerdings auch wie gesagt ein paar wenige dabei, die ich auch heute immernoch gerne höre weil sie wirklich was drauf haben. Fehlfarben zählten dazu. Diesmal wiesen sie mir den Weg in Richtung 80er NDW/Elektro/Minimal und später immer mehr auch New Wave und Darkwave. Zum ersten Mal sah ich mich mit Musik konfrontiert, die mir auch musikalisch gefiel, und eben nicht nur weil sie anders war als der Radioeinheitsbrei der mich immernoch so langweilte. Ich entdeckte Joy Division, New Order, entdeckte Yello, The Mission, Depeche Mode, begann selbst Keyboard zu spielen, entdeckte die Sisters Of Mery und Deine Lakaien...und schließlich The Cure . Meine erste große, wirkliche Liebe, mit welcher, auch wenn ich die "massenunantauglichen" Sachen immer bevorzugte, mir erstmals auch Popsongs gefielen. Zuerst nur, weil Robert Smith sie sang, später durfte es auch Michael Stipe von REM sein.
Jetzt fühlte ich mich bereit, das Feld auszuweiten und zu sehen und hören, von wem ich diese Herren, die ich so verehrte so alles beeinflußt wurden. Da fielen Namen wie die Stones, Deep Purple, Neil Young (der erste, der mich von denen dann auch wirklich schwer beeindruckte), Fleetwood Mac, Eric Clapton, Ten Years after, Black Sabbath und fast aus Versehen kaufte ich mir auch mal eine LP, (wenn es von einem Album eine LP gab, kaufte ich mir selten die CD) kaufte ich also eine LP, die aussah wie eine eine Zigarettenschachtel. Vorne stand Camel, das Kamel war da, das einzige was ich nicht von den Werbeplakaten an den Tankstellen kannte war der Schriftzug "Mirage". Nach dem ersten Hören dachte ich nur: "Was in Gottes Namen ist das?". Diese komischen überlangen Songs mit den vielen Tempowechseln kannte ich schon von Floyd und in Ansätzen von Led Zeppelin, aber da hatte ich meistens geskippt (wie hieß das eigentlich zu LP Zeiten?), weil mir diese Monstren irgendwie suspekt waren. Hier konnte ich nicht skippen. Alles war so. Aber, weiß der Teufel warum, es gefiel mir. Mit jedem Mal hören entdeckte ich neues. Irgendwann erzählte ich meinen Feunden davon und legte die Platte bei unseren Treffen auf, auch wenn ich ahnte, dass es auf wenig Gegenliebe stoßen würde. Das tat es auch, aber dann kam einer auf mich zu und fragte, ob ich auch Genesis hören würde. Er ginge da nöchste Woche auf ein Konzert. Genesis kannte ich nicht. Ich wusste nur, dass Phil Collins da sang, und über den hatte ich mal gehört, dass er so ein Schnulzenheinei sei. Ich erinnerte mich an Pur zurück und ließ es bleiben, mich weiter damit zu beschäftigen. Und jetzt fragte er mich das und ich wusste nicht, was das mit Camel zu tun haben sollte. Als er mir sagte, Genesis hätten früher auch solche Musik gemacht, und mir am nächsten Tag die TRESPASS (!!!) auslieh (es war die einzige die er gerade finden konnte), war ich allerdings gespannt was mich da erwartete...
Am später Nachmittag hatte ich via Ebay schon die Karte für Düsseldorf bestellt und hörte immer wieder die beiden Songs, die mich da in Extase versetzten. White Mountain zum einen und: Stagnation!!! Bis zum Konzertabend berichtete man mir allerdings bereits zu meiner großen Enttäuschung, das ich keinen dieser beiden Songs in der Setlist erwarten sollte. Bis zu Land of Confusion saß ich dann auch ein wenig zerknautscht da und bereute schon fast die Millionen, die ich für die Karte so kurzfristig hingeblättert hatte, dann die ersten Takte von In the Cage. Ich erwachte aus meinem Halfschlaf. Afterglow, Firth of Fifth, Home by the Sea, Mama, Ripples, Tonight³, Domino. Auch wenn vieles davon mehr Richtung Pop war und nur wenig wirklich so wie Stagnation klang, ich war begeistert. Dann I know what I like. Irgendwann während des Instrumental Parts höre ich Phil etwas brummeln. Und dann erkannte ich STAGNATION! Ich versank in einem Meer aus Glückseligkeit.
Mitterweile kenne ich alle Alben zumindest grob, mein Lieblingslied ist Undertow, hab mir auch bereits einen mehr oder weniger flüchtigen Einblick in die Solokarrieren von Phil, Mike, Tony, Peter, Steve und Ant verschafft und seit ein paar Wochen beginne ich irgendwie so langsam auch Yes und Marillion für mich zu entdecken. Und ich habe das Gefühl, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft....