Drittens aber: Da entdeckt ein Fan (mara_collins) die When in Rome, erlebt das anhand der Konserve als ein unglaublich geiles Konzert, trägt die Begeisterung hierher ... und? Kein einziges, noch so zaghaftes Einstimmen in die Begeisterung. Kein "Oja, ich hab die DVD auch noch mal eingelegt, war das ein musikalisches Fest!". Kein "Was für ein tolles Gefühl das im Stadion damals war!" Kein "Ich weiß noch, wie begeistert ich damals war, als ..." Nichts*. Stattdessen: Bemerkungen, dass Collins damals schon stimmlich unfähig gewesen sei, bestimmte Lieder zu singen, Setlist-Bashing der seit zehn Jahren abgestandenen Sorte ... Ohne mir rivanows Kommentare insgesamt zu eigen machen zu wollen, frage ich mich hier dann allerdings doch mit ihm: Wo sind hier die Fans, die ein tolles Erlebnis, einen (in gewissem Sinne) gemeinsamen Moment ihrer Vergangenheit gemeinsam feiern?
Martinus, ich wollte hier absichtlich nicht meine Meinung zu der 2007er Tour erneut kundtun, weil ich das gefühlt an anderen Stellen schon merhmals getan hatte und mich nicht ständig wiederholen möchte. Aber bitte gern:
Altersbedingt waren die CAS-Tour und die TIOA-Tour die einzigen Genesis-Tourneen, bei denen ich live dabei sein durfte. Und da beide Lineup-bedingt auf ihre jeweils eigene Art ein völlig eigenständiges und unvergessliches Erlebnis waren, möchte ich beide nicht missen. 2007 hatte noch den speziellen Charakter, dass man wusste, dass dies wohl sowohl das erste als auch letzte Mal sein dürfte, das "klassische" Genesis-Lineup nochmal live erleben zu dürfen. Und im Großen und Ganzen haben Genesis auch nicht enttäuscht (sowohl '98 als auch 2007 nicht). '98 lagen wir uns alle bei "Throwing it all away" in den Armen (warum auch immer ausgerechnet bei diesem Song) und 2007 hatten alle um mich herum (mich eingeschlossen) bei "I know what I like", "Follow You Follow Me" (bei beiden bedingt durch die retrospektivischen Livevideos) und beim abschließenden "Carpet Crawlers" Pipi in den Augen. Und so Momente wie das Hochziehen der Fischernetze bei "Mama" oder die Suchscheinwerfer beim Finale von "Home by the sea" haben mir live einen Schauer über den Rücken gejagt (im Positiven), was auf DVD bei weitem nicht so rüberkommt wie damals live.
Und ja natürlich brachte Phil stimmlich nicht mehr die Leistung wie noch 20 Jahre davor, aber das hat auch keiner erwartet, im Gegenteil war er besser drauf als befürchtet (man vergleiche nur mal was ein 10 Jahre jüngerer Fish, Ex-Marillion, zur gleichen Zeit zusammenkrächzte, fürchterlich).
Kurz: Insgesamt fand ichs geil und will das Erlebnis nicht missen. Aber: Zur ehrlichen Retrospektive gehört für mich eben auch, die Punkte zu nennen, die man weniger "geil" fand (also Fanbrille abnehmen). Die da wären:
- Setliste: Warum diese Fixierung auf das damals 20 Jahre alte Invisible Touch Album? Warum nicht 2-3 Songs weniger von diesem Album, dafür Songs wie "Abacab" rein und/oder "Firth of Fifth" mal wieder ausspielen? Warum "Tonight, tonight, tonight" wieder kastrieren und nicht nochmal wie '86/'87 abschließend ausspielen? Warum nicht mal "fuck it" denken und 1-2 Songs des CAS-Albums mit Phil bringen (gerade Calling All Stations oder Dividing Line - letzteres im speziellen - hätten sich angeboten)?
- So geil die Lightshow war, warum haben sie sich ausgerechnet bei "Los Endos" keine Mühe gegeben. Das war bei allen vergangenen Tourneen speziell bei der "Invisible Touch Tour" ein optisches Highlight bei der "Squonk-Reprise". Aber stattdessen blinkte die Lightshow bei diesem Part in voller Lichtstärke weiter 0815 dahin als sei gerade Kirmes.
- Phil's Ansagen wirkten auf mich nicht spontan, nicht locker, sondern auswendig gelernt und nach Routine. Wenn man während der Ansagen das Gefühl hat, man schaut statt live dabei zu sein eher das Tour-Video der "We can't dance"-Tour, dann sagt das einiges...
- Über Tonys Käse-Standard-Presets-General-Midi Sounds wurde bereits an anderer Stelle genug gesagt. Für mich als Keyboarder eine der größten Enttäuschungen. Da hat der richtig teures Superequipment am Start (Korg Oasys, hallo) und würgt dann solche Trethupen-Sounds raus? Das ist einfach hörbare Faulheit beim Soundprogrammieren.
- Mikes Solos bei Songs wie "Home by the sea" waren indiskutabel schlecht. Klar, er ist kein Topgitarrist, aber bei vergangenen Tourneen hat er für seine Verhältnisse gute Soli gespielt. Hier klang es stets improvisiert, stets unsicher, stets knapp am Verspieler vorbei. Einfach unsouverän eben. Als hätte er das im Vorfeld nicht ordentlich geübt.
- Dass Phil an den Drums nicht mehr das souveräne Technikfeuerwerk würde abliefern können, was man von ihm jahrzehntelang gewohnt war, war spätestens nach seinem Auftritt bei "The Musical Box" klar. Aber dass er einige "Trademark"-Dinge wie das "Afterglow-Zappa-Fill" oder auch den Übergangsfill von "Behind the lines" zu "Turn it on again" im "Duke's End" Teil des Konzertintros nicht mehr korrekt spielt, kann man nicht mit seinem Alter oder nachlassenden Fähigkeiten erklären (er spielte da 2007 an anderer Stelle kompliziertere Sachen). Das war hörbar ein Vergessen dieser Parts und anschließend sich nicht die Mühe machen, es wieder korrekt rauszuhören.
Zusammengefasst sind das die paar Haare in der Suppe, die das tolle Erlebnis 2007 mir bei weitem nicht versauen aber einfach unnötig trüben und daher für mich einfach ärgerlich weil unnötig waren:
Erkennbar fehlende Mühe, Sorgfalt, und teilweise hörbare (drastisch gesagt aber es bringt es auf den Punkt) "Faulheit" an den Instrumenten bei Mike, Tony und Phil. Das hätte nicht sein müssen, das hätten sie auch 2007 besser gekonnt, wenn sie denn gewollt hätten. Und ja genau das fällt mir auf, WEIL ich Fan bin (jedem anderen wäre das wohl völligst egal gewesen).
Trotzdem war es schön, dass sie sich mit der 2007er Tour nochmal offiziell quasi verabschiedet haben, anstatt es einfach so versanden zu lassen...
Erstens, ich wiederhole, geht es nicht darum "alles (bzw. nichts) lobzupreisen".
Und genau das ist für mich der Unterschied zwischen einer differenzierten "Fan-Wahrnehmung" und einem kritiklosen "Lobpreisen".