"Hold on my heart" - Warum provoziert dieser Song so sehr?

  • [QUOTE=aber vielleicht ist es gerade die elegante Geschmeidigkeit der Akkordwechsel, dieses Erwachsene, Regelkonforme, das die Prog-Fans abstößt?[/QUOTE]


    das könnte durchaus sein, würde dann allerdings viel mehr für die Intoleranz und Beschränktheit der "Prog"-Fans sprechen als für ein schlechtes Arrangement.
    Viele meiner Musiker-Kollegen, v.A. die Jazzer unter denen, sind weitaus beeindruckter von den Arrangements von Phil Collins bzw späten Genesis als von manch "prätentiösen" Versuchen der Frühphase, "intellektuelle" Musik zu schaffen.

  • das könnte durchaus sein, würde dann allerdings viel mehr für die Intoleranz und Beschränktheit der "Prog"-Fans sprechen als für ein schlechtes Arrangement.


    Nein, es spräche einfach nur dafür, dass die Ohren eines solchen Hörers nach etwas anderem gieren als nach mehr oder weniger elegant-glatt-konventionell-"regelkonformer" Kost.


    Intolerant wäre es, wenn man den Anspruch darauf erheben würde, welches nun als das für alle faktisch Bessere zu gelten hat. Und beschränkt wäre es, sich nicht auf eine andere Art der Wahrnehmung und des Urteils einzulassen, sondern seine eigene zu verabsolutieren.

  • Nein, es spräche einfach nur dafür, dass die Ohren eines solchen Hörers nach etwas anderem gieren als nach mehr oder weniger elegant-glatt-konventionell-"regelkonformer" Kost.


    Intolerant wäre es, wenn man den Anspruch darauf erheben würde, welches nun als das für alle faktisch Bessere zu gelten hat. Und beschränkt wäre es, sich nicht auf eine andere Art der Wahrnehmung und des Urteils einzulassen, sondern seine eigene zu verabsolutieren.


    damit bin ich nicht einverstanden. Aber egal, dein langer Beitrag hat mir imponiert. Und doch: es gibt Regeln: bsp kann man in einem 4/4 Takt keinen Drumfill einplanen der 17 sechzehntel lang ist, zumindest nicht wenn man auf der 1 startet und dort wieder landen möchte. Und schlussendlich, ja alles ist Geschmacksfrage: daher ist für mich das meiste Prog Zeug der 70er prätentiöses schwülstiges Versuche, das Rad neu zu erfinden.
    Nun ja: nicht umsonst kam Punk auf und hat alle vernichtet. Alle? Nein. die Guten Songwriter blieben übrig: und Genesis kamen mit ihrem bis Dato wohl besten daher und landeten in den Charts: Follow you, Follow me

    Einmal editiert, zuletzt von rivanov ()

  • Spätestens jetzt juckt es mich in den Fingern: In der Musik ist schlichtweg nichts "verboten" - das wäre ja noch schöner.


    Ich hätte den Begriff "verboten" vielleicht in Anführungszeichen setzen sollen, aber dieser ist bei durch verschiedene Leute mit Musikstudium tatsächlich häufiger gefallen.

    Can you tell me where my country lies
    said the unifaun to her true love's eyes

  • damit bin ich nicht einverstanden. Aber egal, dein langer Beitrag hat mir imponiert. Und doch: es gibt Regeln: bsp kann man in einem 4/4 Takt keinen Drumfill einplanen der 17 sechzehntel lang ist, zumindest nicht wenn man auf der 1 startet und dort wieder landen möchte. Und schlussendlich, ja alles ist Geschmacksfrage: daher ist für mich das meiste Prog Zeug der 70er prätentiöses schwülstiges Versuche, das Rad neu zu erfinden.
    Nun ja: nicht umsonst kam Punk auf und hat alle vernichtet. Alle? Nein. die Guten Songwriter blieben übrig: und Genesis kamen mit ihrem bis Dato wohl besten daher und landeten in den Charts: Follow you, Follow me


    Na klar, es gibt Regeln. Dein Beispiel allerdings ist nur eine reiner Logik entsprechende Selbstverständlichkeit. Wenn 4/4-Takt, dann natürlich rechnerisch überraschenderweise auch Notenwerte, die in einen solchen passen.
    Aber es gibt natürlich auch "Regeln", denen sich Musiker freiwillig unterwerfen. Ich denke da immer an so eine Art Spielfeld, das von jedem Kreativen abgesteckt wird. Aber solche "Spielfelder" mit selbst entwickelten oder freiwillig anerkannten "Spielregeln" haben nichts auch nur ansatzweise für die Allgemeinheit Verbindliches, selbst wenn es ästhetische Schwerpunkte gibt, die sich für eine bestimmte Epoche oder einen bestimmten Stil als lohnenswert, tragfähig, produktiv etc. erwiesen haben.
    Deshalb glaube ich auch nicht, dass alles immer auf diese leidige Geschmacksfrage beschränkt bleibt. Gerade im Bereich künstlerischer Überlieferung entwickeln sich wirkungsgeschichtlich höchst relevante, verhältnismäßig stabile Faktoren, die intersubjektive Bedeutsamkeit erlangen, weil sie so etwas wie unsere kulturellen Wurzeln und Voraussetzungen bilden - Faktoren, die sich auf diese Weise wirklich im kulturellen Leben "bewahrheiten" im Sinne von "bewähren"... Deine martialische Fantasie mit der "Vernichtung" der Schlechten und der "Bewahrung" des Guten kann ich in letzterem Sinne dann auch teilen. Jede menschliche Entwicklung trennt sich vom bloß Populären, welches für spätere Generationen dann aber bedeutungslos geworden ist. So wird es auch dem Solowerk Collins' und HOMH, aber auch FYFM und "Time table" auf Grund ihrer relativen Belanglosigkeit ergehen.

  • Ich hätte den Begriff "verboten" vielleicht in Anführungszeichen setzen sollen, aber dieser ist bei durch verschiedene Leute mit Musikstudium tatsächlich häufiger gefallen.


    Es gibt - habe ich neulich gerade auf einer klassischen Plattform mit z.T. ziemlich qualifizierten Musikern verfolgen dürfen - in der Tat Leute, die viel von der Beschaffenheit von Musik verstehen und allen Ernstes davon ausgehen, dass es "Verbote" gibt oder gab. Ich konnte das da kaum glauben. Das brach argumentativ aber dann auch recht schnell in sich zusammen.


    Und die Gefahr ist ja: Du sitzt möglicherweise als Musikstudent im Tonsatzunterricht und bekommst ob der "durchakademisierten" Vermittlung des Stoffes sowie ev. etwas zu apodiktisch auftretenden Dozenten (die den Eindruck haben, sie müssten den begriffstutzigen Studenten die Theorien richtiggehend einbläuen) in dem Wunsch, etwas "Festes" über die Kunst zu lernen, irgendwann den Eindruck, dass es tatsächlich so etwas wie ein vom Himmel gefallenes Quintparallelen-Verbot und Gebot der Gegenbewegung der Stimmen gibt. Und vielleicht willst du dich mit deinen Kenntnissen einfach auch mal vor anderen wichtigtun und behauptest dann auf der Basis eines vermeintlichen "Fachwissens" Laien gegenüber, du wüsstest, wie das in der Musik nun mit dem "Schönen" und "Richtigen" funktioniert. Aber das ist dann gottseidank eben Quatsch.


    Einmal editiert, zuletzt von townman ()

    • Offizieller Beitrag

    ...Und schlussendlich, ja alles ist Geschmacksfrage: daher ist für mich das meiste Prog Zeug der 70er prätentiöses schwülstiges Versuche, das Rad neu zu erfinden.
    Nun ja: nicht umsonst kam Punk auf und hat alle vernichtet. Alle? Nein. die Guten Songwriter blieben übrig: und Genesis kamen mit ihrem bis Dato wohl besten daher und landeten in den Charts: Follow you, Follow me

    Da scheint ein Smiley zu fehlen? -
    Egal, den letzten Satz kommentiere ich mal nicht. ;)


    Das mit dem Punk habe ich früher auch geglaubt, als ich live dabei war. In der Rückschau komme ich jedoch zu einem anderen Ergebnis: das, was Anfang der 1970er als Progressive bezeichnet wurde (dazu gehörten ja auch Bands wie Deep Purple), war nichts anderes als ein weiterer Schritt der musikalischen Rock-Revolution gegen das Establishment - nach Rock'n'Roll, Beat und Psychedelic - und unterschied sich daher darin gar nicht von Punk.


    Die Musiker, die Punk spielten, hatten zudem ihre musikalische Sozialisation Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre und waren mit den Beatles, den Kinks und Frank Zappa aufgewachsen*. Johnny Rottens berühmtes "I hate Pink Floyd"-T-Shirt war gezielte Provokation, die nicht unbedingt den musikalischen Vorlieben der damaligen Generation entsprach und die Presse war da sehr gut drauf angesprungen - weil sich sowas prima verkaufen ließ.


    Der Niedergang von Prog Mitte der 1970er Jahre hatte daher auch mit Punk nicht viel zu tun - das ging schon ein paar Jahre früher los mit dem gesellschaftlichen Wandel - die Hippies der 1960er waren schlicht "out", ebenso die utopisch-kryptischen Science-Fiction-Lyrics. Musikalisch war Prog ebenfalls ausgereizt und drohte, alsbald zum eigenen Klischee zu werden, Alben mit experimentalen Ansätzen wurden seltener und verkauften sich immer weniger. Da kam Punk der Industrie gerade recht.


    *Ich lese gerade die sehr empfehlenswerten Memoiren von Viv Albertine ("Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, Boys."), Gitarristin und Sängerin der Slits, die sich im Dunstkreis von Clash und den Pistols bewegten. Sie ist Jahrgang 1954 und war natürlich ein glühender Beatles- und John Lennon-Fan.

  • Zitat

    vielleicht ist es gerade die elegante Geschmeidigkeit der Akkordwechsel, dieses Erwachsene, Regelkonforme, das die Prog-Fans abstößt?


    Marcel Reich-Ranicki hat mal gesagt:"Literatur darf alles - nur nicht langweilen." Vielleicht gilt das auch für Musik. Denn genau das erzeugt HOMH bei mir: Langeweile. Mag sein, dass es unter anderen Gesichtspunkten ein guter Song ist. Aber sogar im Stadion 2007 beschlich mich dieses Gefühl. Is so.

    I'll never find a better time to be alive than now.

    Peter Hammill (on "X my Heart")

  • Um nochmal auf angebliche harmonische Fehler von rivavov zurückzukommen, ich finde auch, dass es sowas nicht gibt. Es wurde die kulturelle Frage gestellt, und da ist was dran.
    Man höre sich vielleicht arabische, indische oder japanische Musik an. Für uns mag sich das sehr schräg anhören und hätte, laut rivanov, eine Menge harmonische Fehler. Für diejenigen aber, die das ständig in diesen Ländern hören, ist das ganz normal.

    Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel

    Charles Bukowski

  • Na klar, es gibt Regeln. Dein Beispiel allerdings ist nur eine reiner Logik entsprechende Selbstverständlichkeit. Wenn 4/4-Takt, dann natürlich rechnerisch überraschenderweise auch Notenwerte, die in einen solchen passen.
    Aber es gibt natürlich auch "Regeln", denen sich Musiker freiwillig unterwerfen. Ich denke da immer an so eine Art Spielfeld, das von jedem Kreativen abgesteckt wird. Aber solche "Spielfelder" mit selbst entwickelten oder freiwillig anerkannten "Spielregeln" haben nichts auch nur ansatzweise für die Allgemeinheit Verbindliches, selbst wenn es ästhetische Schwerpunkte gibt, die sich für eine bestimmte Epoche oder einen bestimmten Stil als lohnenswert, tragfähig, produktiv etc. erwiesen haben.
    Deshalb glaube ich auch nicht, dass alles immer auf diese leidige Geschmacksfrage beschränkt bleibt. Gerade im Bereich künstlerischer Überlieferung entwickeln sich wirkungsgeschichtlich höchst relevante, verhältnismäßig stabile Faktoren, die intersubjektive Bedeutsamkeit erlangen, weil sie so etwas wie unsere kulturellen Wurzeln und Voraussetzungen bilden - Faktoren, die sich auf diese Weise wirklich im kulturellen Leben "bewahrheiten" im Sinne von "bewähren"... Deine martialische Fantasie mit der "Vernichtung" der Schlechten und der "Bewahrung" des Guten kann ich in letzterem Sinne dann auch teilen. Jede menschliche Entwicklung trennt sich vom bloß Populären, welches für spätere Generationen dann aber bedeutungslos geworden ist. So wird es auch dem Solowerk Collins' und HOMH, aber auch FYFM und "Time table" auf Grund ihrer relativen Belanglosigkeit ergehen.


    Sorry deine letzte Sätze sind nur rein subjektiv. Warum sollte Collins' Solowerk belanglos sein???