For Absent Friends...

  • Mein Musikgeschmack ist ziemlich breit gefächert. Aber egal, was ich die letzten 20 Jahr gehört habe, Nikki Sudden war immer dabei! Einer der letzten wahren Rock 'n' Roller, der vor 20 Zuschauern genauso abrockte, wie vor 200 (mehr waren es, unverständlicherweise, in der Regel nicht)! Wenn er nicht so viele prominente Fans gehabt hätte, wären wahrscheinlich einige Platten weniger erschienen. Ob solo, oder mit seinem Kumpel Dave Kuthworth als Jacobites, alles purer, ungekünstelter Stoff! Dave und Nikki waren die wahren Glimmer Twins (und nicht die geldgeilen Stones)! Ich habe Nikki öfters live gesehen, in dunklen, verräucherten Hinterhofclubs rund um Frankfurt, aber ein Konzert ist mir besonders in Erinnerung geblieben! NIKKI SUDDEN AND THE LAST BANDITS - Frankfurt - Ost Klub - 27. April 2000! Konzertbeginn war nachts um 23:30 und der letzte Bandit hat mir und den restlichen 49 Zuschauern den Glauben am Rock 'n' Roll zurückgegeben! Leute glaubt mir nur dieses eine mal, ich habe fast alle live gesehen, aber dieses Konzert war eines der besten überhaupt! Es verwundert vielleicht einige, dass ich meine Begeisterung für Nikki Sudden ausgerechnet in einem Genesis-Forum mitteile. Aber es gibt eben auch Musikhörer, die den puren Stoff bevorzugen und früher Genesis vergötterten. Aber zwischen 1970 und 1975 waren Genesis doch auch die pure Droge! Ich hätte die Jungs auch sehr gerne 1972 in irgendeiner Turnhalle in Belgien live gesehen. Da gibt es so ein schönes Bild im Armando Gallo-Buch, Seite 44/45 (man beachte den einen Lichtstrahler). Aber ich will ja nicht vom Thema abweichen! 1972 war ich 7 Jahre alt und es gibt, wie ich festgestellt habe, in diesem Forum sehr viele, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geplant waren. Deswegen, so finde ich, wird auf diesen Seiten, auch nicht so oft von der einmaligen, kreativen Frühphase, sondern von der Hitparaden-Truppe geredet. Ich will aber jetzt nicht wieder rumstänkern und einige Kaufempfehlungen geben! Leute, stellt Eure Phil Collins-Platten in die hinterste Ecke und kauft Euch
    - NIKKI SUDDEN treasure island (Alive Rookwood 001)
    - NIKKI SUDDEN the last bandit -best of- (Glitterhouse Records)
    - NIKKI SUDDEN red brocade (Glitterhouse Records)
    - NIKKI SUDDEN seven lives later (Glitterhouse Records)
    - NIKKI SUDDEN liquor, guns and ammo (Chatterbox Records)
    - NIKKI SUDDEN texas/dead men tell no tales (Secretly Canadian)
    - NIKKI SUDDEN waiting on egypt/the bible belt (Secretly Canadian)
    - JACOBITES god save us poor sinners (Glitterhouse Records)
    - JACOBITES old scarlett (Glitterhouse Records)
    - JACOBITES hawks get religion (Regency)
    - JACOBITES robespierre's velvet basement (Regency)
    Das sind die schwer empfehlenswerten Teile, die man im Moment kaufen kann! Die gibt es natürlich nicht im Media Markt (ich bin doch nicht blöd!), sondern beim Fachhändler!

  • Letzten Samstag, am 6. Mai, starb Grant McLennan im Alter von 48 Jahren im Schlaf in seinem Haus in Brisbane.


    Grant McLennan gründete 1978 zusammen mit Robert Forster die Go-Betweens, eine der genialsten und besten Gitarrenbands aller Zeiten und Klassen. Die beiden ersten Singles "Lee Remick" und "People Say" erschienen auf einem lokalen Independentlabel, danach kam Schlagzeugerin Lindy Morrison hinzu und komplettierte das (ursprüngliche) klassische Kleeblatt, das für ein Jahrzehnt das Rückgrad und der kreative Motor der (später erweiterten) Band wurde.


    Nach zwei weiteren Singles auf dem schottischen Postcard-Label, die sie in Großbritannien zum Geheimtip machten, übersiedelte die Band nach London und nahm dort (zunächst bei Rough Trade, später bei der Industrie und zuletzt wieder independent auf Beggar's Banquet) sechs Alben auf, die - Stück für Stück - zeitlose Klassiker waren und sind: "Send Me A Lullaby", "Before Hollywood", "Spring Hill Affair", "Liberty Belle", "Tallulah" und "16 Lovers Lane".


    McLennan und Forster waren kongeniale Songwriter, die sich (wie einige andere Paare der Rockgeschichte) traumwandlerisch zu etwas noch viel größeren Gemeinsamen ergänzten - Forster der verschrobene Exzentriker, McLennan der begnadete Folkmusiker, dem die zauberhaftesten Melodien nur so aus dem Ärmel purzelten.


    Stilistisch schwer zu umschreiben (außer: "klingt wie die Go-Betweens", was man nunmehr seit knapp 30 Jahren über andere Bands sagen kann, sofern sie auch nur einen marginalen Funken dieses Zaubers ihr Eigen nennen können), klangen sie noch am ehesten wie die ganz frühen Velvet Underground (wenn deren Lärm mal vor der Tür blieb und unendlich schönen und zarten Folkmelodien Platz machte). Und wie durch einen grotesken Zufall fallen mir auch prompt aus 40 Jahren Rockgeschichte gerade mal zwei "große" Bands ein, bei der die *einzige* Frau jeweils am Schlagzeug saß: eben Velvet Underground und die Go-Betweens.


    Sie spielten virtuosen Gitarrenpop zehn Jahre bevor der Begriff von Journalisten erfunden wurde, und ihre bittersüßen melancholischen Riffs, verschrobenen Rhythmen und klugen Texte machen heute noch alles zusammen naß, was sich in den letzten 5-7 Jahren Brit-/Gitarrenpop schimpft und so tut, als wäre es auch nur irgendwie oder irgendwo inspiriert, originell oder gar neu.


    Allein, sie blieben immer den einen Tick zu skurril, um je zum Blockbuster der ganz großen Charts zu werden, und nach über zehn Jahren ging man 1990 getrennte Wege.


    Forster und McLennan pflegten durch die 90er Solo-Karrieren mit durchgehend guten Platten zum Trost und der freudigen Erbauung einer Generation von alten Fans, aber man merkte beiden an, daß ihnen immer auch ein Teil fehlte - Forster's Skurilität der Balsam von McLennans unerschöpflichem melodischen Talent, und McLennan's Folksongs die verschrobene Kraft eines Robert Forster.


    2000 rauften sich die beiden (wenn auch ohne Lindy Morrison) wieder zusammen und reunierten die Band - zunächst lose, dann mit Adele Pickvance und Glenn Thompson als feste Band. Was kam, ist das eine wirkliche Beispiel einer Reunion, die in jedem Detail einen Sinn ergab - nicht einmal der Hauch von Nostalgie für selige alte Fans, die nochmal so tun wollen, als wären sie jung, sondern drei geniale Alben: "The Friends of Rachel Worth", "Bright Yellow Bright Orange" und "Oceans Apart", mit denen sie heute selbst dann erneut zur Legende würden, wenn es die Band nicht sowieso schon einmal gegeben hätte.


    Letztes Jahr sah ich sie dreimal live, und ein Teil von mir hüpft heute noch vor Freude auf und ab - wann bitte hat es schon einmal eine Reunion gegeben, wo es einem völlig wurscht sein konnte, ob sie alte Stücke oder neue Stücke spielen - und *welche*. Denn solange sie *irgendwas* von ihren 9 Alben spielten, hüpfte einem die Seele vor Freude, und zwar mit Recht!


    Es kommt mir jetzt gespenstisch vor, aber ich habe mir ausgerechnet dieses Wochenende endlich die neue DVD "That Striped Sunlight Sound" angesehen, 70 Minuten live in Brisbane 2005, plus 80 Minuten live im Wohnzimmer (Forster & McLennan erzählen ihr Leben und klampfen Greatest Hits auf der Akustikgitarre). Ich sagte mir, wenn sie dieses Jahr wiederkommen, sehe ich sie mir überall an, wo ich es irgendwie einrichten kann - von mir aus könnte ich sie mir einmal pro Woche live ansehen, für den Rest meines Lebens.


    Grant, die Welt mag ein Jammertal sein, aber Du hast sie besser gemacht. Du hast mir die ganzen 80er glückselige Momente geschenkt, und ein paar Tausend anderen auch. Es hätten zwar Millionen sein sollen und müssen, denn das hättest Du verdient, aber Du wirst Menschen weiter dieses Glück bringen, wann immer sie Deine Platten spielen.


    Ruhe in Frieden,
    MartinC

    "If it's worth doing, it's worth overdoing!" (THE DEEP FREEZE MICE)

    • Offizieller Beitrag

    Nabend


    bereits am 7. Juli starb Roger Keith "Syd" Barrett in Cambridge im Familienkreis an den Folgen einer schweren Diabetes.


    Der Pink Floyd Mitbegründer und einstige kreative Kopf der Band hatte seit Mitte der 70er Jahre zurückgezogen gelebt, nachdem er infolge übermäßigem Drogenkonsums zunächst die band verlassen hatte und schließlich psychiatrisch behandelt werden musste. Seit seinem fast schon legendären Erscheinen bei den Aufnahmen des ihm gewidmeten WISH YOU WERE HERE Albums hat die Band Syd nicht mehr gesehen.


    Der "Crazy Diamond" wurde nur 60 jahre alt...

  • Es kam nicht ganz unerwartet - während sein psychischer Zustand in den letzten Jahren zwar schlecht, aber weitaus weniger dramatisch war, als die Medien und die Flüsterpropaganda gerne verkündeten, war sein gesundheitlicher Zustand seit langem katastrophal, und sein Leben hing mehr als einmal am seidenen Faden. Spätestens seit einem extremen (von der Diabetes ausgelösten) Zusammenbruch vor ein paar Jahren lebte er jedenfalls von geborgter Zeit.


    Es gibt keinen abgedroscheneren Spruch als den vom Genie, das seiner Zeit voraus wäre, aber Barrett schrieb und spielte definitiv in seinem eigenen Zeitfenster, das erst ein gutes Jahrzehnt später anfing, Sinn zu ergeben - als nämlich Ende der 70er nach kurzer aber heftiger Punk-Detonation ganze Myriaden von Musikern und Bands eine Art "Virtuosität der Primitivität" entdeckten und Musik spielten, wie sie die Welt noch nicht gehört hatte... abgesehen von einigen wenigen, wie den frühen Velvet Underground (hinter verschlossenen Türen), oder die Shaggs auf Vinyl (das damals kein lebender Mensch in die Finger bekommen konnte), oder eben - Syd Barrett, dem einzigen, der es LAUT und unüberhörbar in aller Öffentlichkeit gemacht hatte...


    Im vollen Umfang gewürdigt wurde er spät - von denen, die er nach der kreativen Explosion ab '77 inspiriert hatte und bis heute weiter inspiriert. Wobei konsequenterweise die große Mehrheit der Pink Floyd Jünger aller Zeiten ihn bis heute genauso in der Pfeife raucht wie eben diese Musik, die Jahrzehnte später (auch) aus seinen Vibrationen entsprang...


    Das öffentliche Bild von ihm ist seitdem ein gewaltiger Zerrspiegel, und die Auseinandersetzung sowohl mit seiner Person als auch mit seinem Werk eine zum Teil groteske Anhäufung von Mißverständnissen. Eine wesentliche Quelle für diese Irrungen und Wirrungen war Nicholas Schaffner's berühmtes Buch "A Saucerful of Secrets", in dem er als erster Autor im großen Stil das Bild des grandiosen Irren entwarf, der vollkommen außer Kontrolle musikalisch und künstlerisch in den Abgrund strudelte. Was wenige Menschen wissen - Schaffner's entscheidendes Indiz für dieses Gesamturteil war ein Tonband, die berüchtigten "Freak Out Demos", die Ende der 70er in Musikgeschäft-Kreisen kursierten, ohne zunächst als Bootleg in die Öffentlichkeit durchzusickern. Schaffner selbst sollte niemals erfahren, daß dieses Tape eine Fälschung war, er starb kurze Zeit nach Fertigstellung seines Buchs.
    Seitdem gab und gibt sein Buch die Vorlage für faktisch jede Beschreibung Barretts in Druck und Bild, und während ansonsten *jedes* Buch über Floyd der letzten 20 Jahre in Rekordzeit vergriffen und dann bald nur noch schwierigst antiquarisch zu erhalten war, wird ausgerechnet Schaffner's Buch bis heute in endlosen Zyklen nachgedruckt. Kaum denkt man, es ist endlich verschwunden, taucht es auf der nächsten Buchmesse mit der Beharrlichkeit der Leiche "Harry" aus dem berühmten Hitchcock-Film wieder auf...


    Barrett war psychisch angeschlagen und verschwand mit der Zeit in seiner eigenen Welt, das ist unbestritten - sowenig wie seine Exzesse und Ausraster im Swinging London, mit denen er freilich in guter (respektiv schlechter) Gesellschaft war. Aber er war *nicht* der wabernde Irre, als den ihn 99% der Menschheit gerne sieht (die Leute, die einfach nur seine Musik nicht mögen in seeliger Eintracht mit früh- und spät-pubertierenden Fans, denen er gar nicht irre genug sein kann). Solange er Musik spielte, wußte er sehr genau, was er tat - und das nicht nur auf der "Piper", sondern gerade und ausdrücklich auch auf seinen gerne gescholtenen Solo-Platten... was spätestens seit Mitte der 80er klar wurde, als saubere Takes diverser Songs durchsickerten, von denen EMI damals die Outtakes auf seine Solo-Platten geschoben hatte...


    Für mich war er vor ein paar hundert Jahren ("gefühlte" Zeitdauer) der Auslöser und der Grund, überhaupt damit anzufangen, Musik zu hören. Für ein paar hundert der kreativsten Menschen in der Musik war er der Funke, der sie dazu inspiriert hat, ihren eigenen Zauber zu entwickeln.


    Ruhe sanft und in Frieden, Du alter Zausel... ohne Dich hätten wir hier eine gewaltig triste Ödnis...

    "If it's worth doing, it's worth overdoing!" (THE DEEP FREEZE MICE)

  • Gott Habe ihn selig.

    I think I'll chage my life today
    gone are the times of taking care
    and I don't need a reson why
    all I need is all in a day
    survive in a way.

  • Ich habe die Nachricht erst heute morgen in der FAZ gelesen, die einen eher mißlungenen Nachruf gebracht hat. Irgendwie hat man das Gefühl, er hatte kein besonders glückliches Leben - erst die Nervenkrankheit, später der Diabetes, der vermutlich an seinem frühen Tod Schuld ist. Es hätte mich schon interessiert, ob er von seinem "Nachruhm zu Lebzeiten" viel mitbekommen hat. R.I.P.


  • Ich gehöre ja auch zu denen, die mit den frühen Pink Floyd Platten nicht so viel anfangen können bzw. konnten. Aber ich habe die jetzt schon über zwanzig Jahre lang nicht mehr gehört. Vielleicht sollte ich sie mir wieder einmal zu Gemüte führen, da sich mein Musikhorizont schon erweitert in dieser Zeit.

    Zy
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    "The music is the true currency. It's more valuable than the accolades or the money. The relationship is with the invisible muse and you know if she's pleased or if she ain't." - Steve Hackett

  • Hab gestern im RTL-Videotext gelesen, dass Dave, Roger, Rick und Nick in Gedenken an Syd nach Live Aid 2005 einen weiteren Reunion-Auftritt planen. Laut Roger wollen sie ihn nicht einfach so gehen lassen.