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The Musical Box spielen The Lamb

Bristol 17.04.2005


Meine Vorfreude auf dieses Konzert begann vor 26 Jahren: Ich hatte mir The Lamb auf Vinyl gekauft, setzte die Sennheiser-Kopfhörer auf, lehnte mich zurück und träumte von einer Live-Performance, die ich niemals sehen würde. Gabriel hatte Genesis am Höhepunkt ihrer kreativen Leistungen verlassen, und abgesehen von einem Benefizkonzert in Milton Keynes sollte er nie mehr in die Rolle seines Alter Ego Rael schlüpfen, nie wieder jene merkwürdigen Figuren aus dem Genesis-Katalog der frühen Siebziger verkörpern.
Ein Silberstreif am Horizont tat sich auf, als ich von TMB hörte und vollkommen überwältigt war von ihrer Wiedergabe der Selling England By The Pound-Tour in der Colston Hall in Bristol. Ich begann zu beten, dass sie auch mit The Lamb auf Tour gehen würden und war zutiefst dankbar, als die Tournee bekanntgegeben wurden. Sofort besorgte ich Eintrittskarten für Bristol, wie sich herausstellte, für Plätze in der Mitte der ersten Reihe, kaum einen Meter von der Bühne entfernt. Bald darauf kaufte ich auch noch Tickets für Southampton, um ganz sicherzugehen. Die Show in Bristol hätte ja abgesagt werden müssen, wenn Denis sich ja im nasskalten englischen Klima eine Kehlkopfentzündung geholt hätte. Außerdem wollte ich die Show auch einmal aus etwas größerer Entfernung von der Bühne sehen, um einen guten Blick auf die gesamte Inszenierung zu bekommen.
Bristol also. Mein 16jähriger Sohn (der allergrößte Feeder-Fan) war’s zufrieden, von seinem alten Herrn eine Karte, ein Sandwich und eine Flasche Cola zu bekommen. Ein schönes Bier an der Bar, ein kurzer Austausch mit anderen Mitgliedern des Forums, dann nahmen wir unsere Plätze ein. Der erste Eindruck war überhaupt nicht gut. Wir waren so nah an der Bühne, dass ich beschloss, mich nach hinten in die Nähe des Mischpultes zu setzen, falls der Sound schlecht wäre oder wir nicht alles sehen könnten.
Die Beleuchtung erlosch, die Band nahm ihren Platz ein und auf dem Piano erklang die so vertraute Einleitung. Keine Minute, nachdem Denis die Story von Rael begonnen hatte, wusste ich, dass mein Platz gut war und dass ich diese Nähe nach Kräften genießen würde. Mein Kopf steckte fast in Martins Basstrommel, und es war klar, dass sein treibender Rhythmus ein wichtiges Element in der Show war – genau wie der Beat von Phil in der Originaltour. Das war der größte Unterschied zwischen den Schallplatten und der Liveaufführung, dass sich das Schlagzeug und der Bass live auf eine Weise zusammentun und das Publikum zum Beben bringen, wie man es kaum auf Vinyl, CD oder DVD festhalten kann.

Zu meiner Rechten stand die vertraute Keyboardburg, und obwohl ich Eric nicht spielen sah, konnte ich die perfekten Soli und bekannten Fluten sich entwickelnder Harmonien hören, mit denen Banks den Sound von Genesis so stark geprägt hat.
Als großer Fan von Steve Hackett wußte ich ja, dass seine meisterliche Kunst auf The Lamb nicht gerade stark vertreten ist. Dennoch brachte Francois die nötigen Solos, Rhythmen und Effekte mit Gefühl und Präzision. Der herrlichste Gitarrenteil war zweifelsohne Hairless Heart, das ich eine gute Woche zuvor im Akustik-Set des Meisters gehört hatte – aber diesmal war es begleitet von vollem Bass- und Schlagzeugeinsatz. Es ist immer noch nahezu unglaublich, welch fundamentale Bedeutung die Doppelhalsgitarre und die Basspedale (im Gegensatz zum elektrischen Input) für den Gesamtklang haben. Von meiner herausgehobenen Position konnte ich beobachten, wie Sebastien sich mit Martin absprach, wie beide die Show koordinierten und einen Klangteppich ausrollten, auf dem ihnen der Rest der Band folgte.

Was kann ich über Denis Gagné sagen? Es haben schon so viele so vieles über ihn gesagt, und es ist alles wahr! Er bewegt sich wie Gabriel, singt wie Gabriel und scheint Gabriels Sprache vollendet zu beherrschen, indem er den britischen Akzent, der 2003 noch fehlte, nun in Perfektion einfügt. Der erste Schock für mich kam als Denis im Schutze der Dunkelheit (und ungesehen von mir) bis auf einen Meter an mich herankroch und anfing, zu singen und Flöte zu spielen. Ich konnte jedes Detail von Raels Makeup sehen, sogar die Farbe seiner Augen im Scheinwerferlicht und ich hoffte, dass ihn mein starrer Blick nicht ablenken würde. Er tat es natürlich nicht, und Denis’ Performance war fehlerlos. Man merkt es ja, wenn ein Sänger sich in seiner Tonlage wohlfühlt und ich lag richtig mit meinem Vertrauen darauf, dass alle hohen Töne mit vollendetem Timing und Klangreinheit zu hören sein würden. Der einzige auffällige Unterschied zwischen Denis und seinem Original war die fehlende Rauhheit in der Stimme – aber Denis, bitte fang deswegen nicht an zu rauchen oder ändere irgendetwas anderes an dir!

Die Show hat einen legendären Ruf wegen ihrer visuellen Präsentation. Von meinem Blickwinkel am Fuße des Schlagzeugs konnte ich 90% dessen, was Rael so trieb, beobachten. Weil es hier so viel zu sehen gab, vergaß ich fast die Diaprojektionen und musste mich selbst daran erinnern, auch dort einmal hinzusehen. Um ehrlich zu sein, machten mir die Dias wenig Eindruck. Ich wäre es zufrieden gewesen, in völliger Dunkelheit dazusitzen und dieser gewaltigen, perfekten Aufführung meines Lieblingsalbums zuzuhören.

Hat sich das Warten also gelohnt? Dumme Frage - ja! Ich danke Gott, dass er meine Bitte erhört hat, und vor allen anderen danke ich TMB, dass sie uns eines gezeigt haben: Genesis war ein unerwartetes Ereignis – fünf hochtalentierte Menschen verschmelzen in eine kreative Einheit, die viel mehr ist als die Summe ihrer Teile, und sie hatten keine Angst, mit musikalischen und visuellen Neuerungen zu experimentieren. Und mein Sohn? War hellauf begeistert. Nie zuvor hatte er einen alten Mann so spektakulär sterben sehen wie in der Zugabe The Musical Box – aber wenn Gabriel einen Gastauftritt als Watcher gemacht hätte, dann hätte er einen anderen alten, aber glücklichen Mann neben sich zusammensinken sehen!


Autor: Andy Kerr, deutsch von Martin Klinkhardt

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