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Ray Wilson - The Unfulfilled Stiltskin Interview

 

Dresden, 11. August 2011


Im August probte Ray mit seiner Band für die anstehende Stiltskin-Tour in einem kleinen Club in Dresden. Im Fokus standen die neuen Songs des Albums Unfulfillment. Bevor das Interview nach dem Ende der Proben durchgeführt wurde, suchten Ray, seine Band Stiltskin und sein Tontechniker Peter Hoff (der auch das Album co-produzierte) nach der richtigen Mischung. Es wurden verschiedene Gitarrensounds getestet, die Abstimmung zwischen Keyboard und Gitarre verfeinert und unterschiedliche Gitarrenpräsenzen einstudiert. Immer wieder spielte die Band ganze Songs des neuen Albums ohne Gesangslinie. Nur selten wurde ein Song mit Gesang geprobt, dann aber war Ray bestens bei Stimme. Das ganze machte einen hervorragenden Eindruck und alle Songs haben live noch einmal etwas gewonnen, vor allem an Druck und Power.

Nach Abschluss der Proben nahm sich Ray erneut Zeit für ein Interview und sprach mit Christian Gerhardts über sein neues Stiltskin-Album.


it: Wann hast du angefangen, die Stücke für das neue Album zu schreiben?
Ray: Vor über einem Jahr. Es muss im Sommer gewesen sein - Mai, Juni, Juli, ich weiß es nicht mehr so genau. Zu allererst hat mir Uwe Metzler ein paar Ideen geschickt, und ich glaube, was ich als erstes geschrieben habe, war Guns Of God. Das ist das Stück, das wir gerade eben hier geprobt haben, mit den Erzählungen von den Kriegsdienstverweigerern. Das war also das erste Stück. Und als ich es schrieb, dachte ich: Toll! Ein Rockalbum. Und dann schickte mir Peter Hoff einige Ideen, und die waren etwas leichter, wie Tale From A Small Town. Am Ende lag das Album dann etwa in der Mitte dazwischen.

it: Du hast also, als Guns Of God fertig war, beschlossen, dass du ein Stiltskin-Album machst und kein Ray Wilson Soloalbum?
Ray: Naja, ich glaube nicht, dass ich damals schon irgendeine Entscheidung getroffen habe. Ich habe einfach angefangen, Stücke zu schreiben. Nach einigen Stücken merkte ich – es war offensichtlich, dass ich etwas mit der Band machen würde, also wurde es ein Stiltskin-Album. Ich wollte nämlich diesmal mit der ganzen Band arbeiten, und zwar von Anfang an bis zu den Aufnahmen. Es ist schon interessant: Die Jungs und ich arbeiten jetzt seit sieben Jahren zusammen, aber das hier ist das erste Album, das wir wirklich von vorne bis hinten alle gemeinsam gemacht haben. Vorher spielte eben Nir Z [bekannt auch durch sein Mitwirken auf der Genesis Tour 1998 und dem Album Calling All Stations] auf einigen Stücken oder Steve war nicht verfügbar oder ich war in Stuttgart und habe mit einem anderen Bassisten gearbeitet; so war das eben bisher. Das hatte auch finanzielle Gründe. Damals war es praktischer, mit Leuten vor Ort zu spielen, als alle für eine Woche einfliegen zu lassen. Aber jetzt, wo meine Karriere wirklich sehr gut läuft und die Jungs ja auch offenkundig alle ein Teil davon sind, war es klar, dass ich das jetzt so machen sollte. Im Nachhinein war das auch die richtige Entscheidung.

it: Was ist mit Nir Z? Ist er aus praktischen Gründen nicht mehr dabei, oder wolltest du dich einfach mit der Band weiterentwickeln?
Ray: Diesmal hatte ich die Ressourcen, das Album richtig zu machen, also mit meiner eigenen Band. Das Problem war immer: Ich lebe in Polen, die Produzenten in Stuttgart, die Jungs in Schottland. Und die Zeit in einem Aufnahmestudio ist teuer. Man hat Hotelkosten, muss die Musiker bezahlen, das Studio, Instrumente mieten – das ist ein sehr teures Unterfangen. Und hinter mir stehen auch nicht Sony oder Universal oder so, also muss ich das alles selbst machen. Meine Ausgangsposition war jetzt einfach viel besser; wir haben letztes Jahr wirklich hart gearbeitet. Ich habe mehr oder weniger das Geld genommen, das wir verdient haben, und es ins Album gesteckt. Dafür ist es am besten verwendet – dafür und für die Werbung. Da glaube ich fest dran.

it: Hast du in letzter Zeit mal mit den ursprünglichen Mitgliedern von Stiltskin gesprochen? Hat einer von denen vielleicht SHE gehört und dir gesagt, was er davon hält?
Ray: Vor ein paar Jahren hatte ich mal Kontakt zu Ross, unserem ehemaligen Schlagzeuger. Aber wir waren nie richtige Freunde. Vor Stiltskin kannten sich Peter und James, James kannte Ross, weil sie in Glasgow zusammen arbeiteten. Ich kannte aber keinen von ihnen, obwohl ich als dritte Person dabei war. Peter hatte erst mit James zu tun, dann mir, dann Ross. So hat sich das originale Line-up ergeben. Aber gekannt habe ich die Jungs nicht wirklich. Es ist ja inzwischen auch 17 Jahre her.

it: Wer war neben Deiner Band am Projekt beteiligt?
Ray: Geschrieben haben die Stücke natürlich Peter Hoff, Uwe Metzler und ich. Scott Spence hat einige Ideen geliefert, aber ich fand, die passten diesmal nicht. Beim letzten Mal hat er She und Taking Time und andere Stücke geschrieben, aber jetzt kam er etwas zu langsam mit seinen Vorschlägen. Was andere Musiker angeht, da haben wir Eva [Leticia-Padilla], eine verrückte tschechische Latina – eine tolle Sängerin. Sie ist auch im Video zu First Day Of Change und singt eigentlich alle weiblichen Begleitstimmen. Ich habe Streicherarrangements, die auf diesem Album sehr wichtig waren. Das kommt natürlich daher, weil ich in den letzten Jahren die Genesis Klassik-Sache gemacht habe. Ich habe an den Streichern Geschmack gefunden, den Klang, und was sie mit den Stücken machen – es ist interessant, was ein gutes Streicherarrangement für ein Lied tun kann. Und auch, was ein schlechtes Streicherarrangement bei einem Stück anrichten kann. Angefangen habe ich ohne diesen Gedanken. Aber als wir dann bei First Day Of Change waren, das übrigens die zweite Single wird, dachte ich, das wäre richtig schön mit einem guten Streicherteil. Bei der Gelegenheit habe ich dann den Typen gefragt, der die Arrangements für Genesis Klassik gemacht hat, und er sich was überlegt, von dem mir aber nur die Basis-Melodie gefiel. Bei den Genesis-Stücken ist es ja so, dass es den Song schon gibt, die Keyboardmelodie ist ja schon da. Da nimmt man Tonys Idee für die Melodie und improvisiert damit. Aber bei einem Stiltskin-Stück sind da keine Keyboardideen und es ist brandneu. Deshalb dachte ich, es sei besser, mit jemand anderem zu arbeiten. Wir schauten uns um und fanden schließlich diesen jungen Mann namens Philipp Thimm. Ein ehemaliger Toningenieursassistent von Peter hat ihn uns empfohlen. Philipp spielt Cello und Gitarre und schreibt Musicalpartien. Als er mit First Day Of Change ankam, sagten wir „Ohja, der Typ versteht die Musik“. Wir gaben ihm ein anderes Stück und es war – wow! Jedesmal wenn er etwas geschickt hat, war das so. Ich wollte Streicherarrangements in jedes Stück packen. So etwa nach dem fünften Stück war dieser Punkt erreicht – Peter Hoff schickte mir immer weiter, was Thimm ihm schickte – nach fünf Stücken sagte ich: „Hey, du musst das nicht weiter schicken, der Mann ist genial.“ Alles, was er macht, ist grandios. Das macht so einen großen Unterschied. Vielleicht werde ich einige dieser Stücke auch in den Genesis Klassik-Shows einsetzen.

Stiltskin 2011Man hört seine Sachen auf dem Album besser als live, und ich habe vier von den Stücken auf dem Album noch mal als Midnight-Mix aufgenommen. Das sind sozusagen die Versionen von den Stücken, die man um Mitternacht hören würde. Vielleicht mit einer Zigarette oder einem Glas Wein – was immer dir taugt. Nur Streicher, Klavier, akustische Gitarre und Gesang. Das sind immer noch dieselben Stücke, aber wir haben nur vier davon genommen und total minimalistische Versionen davon gemacht. Da nutzen wir dann auch alle Streicherteile. In den vollen Versionen haben wir das nicht gemacht, weil es manchmal zu viel wurde. Und diese Midnight-Versionen sind wirklich schön. Der Hauptgrund für diese Mixe ist der: Ab dem 9. September werde ich meinen gesamten Songbestand bei iTunes und anderen digitalen Downloadservices [musicload, amazonMP3 etc] haben. Alles, woran ich die Rechte besitze. Ich habe einen Vertrag mit einem Vertrieb für solche Onlinedienste geschlossen. Die vier Midnight-Mixe wird es nur bei iTunes und anderen Downloadanbietern geben. Das liegt daran, dass die etwas exklusiv haben wollen, damit sie uns besser vermarkten können. Also sagte ich, okay, wir machen diese besonderen Abmischungen für euch. Und wir geben ihnen dann jeweils ein oder zwei Stücke, die man nirgendwo anders bekommt, sondern nur dort herunterladen kann. Vielleicht werde ich sie nach einer gewissen Zeit auch auf eine Special Edition vom Album packen. Mal schauen. Ich weiß nicht, wie lange ich dafür warten müsste. Das Musikgeschäft hat sich sehr verändert – man muss sich auf die verschiedenen Situationen einlassen, damit es funktioniert und die Musik unter die Leute kommt. Hauptsache, sie ist verfügbar – das ist das Wichtigste.

it: A propos verfügbar: du warst ja im deutschen Fernsehen; da wurde deine Genesis Classic-CD vorgestellt, und man konnte sie nirgends kaufen.
Ray: Ja, das war cool [lacht]. Der einzige Künstler, der zweimal in einem wichtigeren deutschen Fernsehsender war und beide Male mit etwas, das man im Handel nicht kaufen konnte.

it: Werden die alten Alben auch irgendwo als CDs wieder erhältlich werden, so dass man sie bei amazon oder im Laden kaufen kann?
Ray: Die alten Alben kann man derzeit nicht als CD kaufen. Noch nicht. Einfach weil ich sie noch nicht habe herstellen lassen. Es gibt sie also im Moment nicht. Sachen wie das Doppel-Livealbum, Live And Acoustic, sogar Cut – die sind jetzt ausverkauft. Von Change habe ich noch etwa 20 Stück. Also nicht viel. Ich werde das wahrscheinlich mal in Angriff nehmen. Aber im Moment wäre es nicht besonders sinnvoll, neue Kopien von den Alben pressen zu lassen, weil die Läden sie nicht abnehmen wollen. Und wenn die Läden sie nicht ins Verkaufsregal stellen, wo liegt dann der Sinn? Amazon könnte man natürlich machen, aber auch da verkaufen ja schon Leute ihre gebrauchten Exemplare. Man findet die Alben also immer, wenn man sie sucht. Aber ich werde mich darum noch kümmern. Im Moment stecke ich meine ganze Energie in die neuen Sachen.

it: Das neue Album und das Genesis Classic-Set werden aber schon auf CD erhältlich sein?
Genesis vs StiltskinRay: Die Sonderausgabe Genesis vs Stiltskin wird es nur in Läden geben, die ihre Verkaufszahlen für die Ermittlung der Chartpositionen weitergeben. Und zwar um das Interesse der Händler wie Saturn oder Media Markt an einem zu wecken, damit sie einem die Ware auch abnehmen, damit es eine echte Wirkung hat. Wenn wir innerhalb von einer Woche in die Top 40 kommen, dann müssen wir etwas exklusives für sie machen, damit sie genug abnehmen. Also habe ich mir überlegt, dieses besondere Paket für die Einzelhändler zusammenzustellen – für einen begrenzten Zeitraum. Damit wir sehen, ob wir eine Wirkung auf dem Markt haben. Für die Fans ist es auch gut. Die Idee ist einfach, beide Alben [Genesis Classic: Live In Poznan und Unfulfillment] zu bündeln und zum Preis von einem und nur im Einzelhandel zu verkaufen. Die Leute müssen dann in den Laden gehen, um sie zu kaufen [oder bei amazon oder JPC bestellen, d.R.]. Das mache ich nicht, weil ich so ein fieser Kerl bin, sondern weil ich einen Effekt erzielen möchte. Wenn wir gleich am Anfang genug verkaufen, gibt uns das vielleicht die Möglichkeit, auch die alten Alben in die Läden zu bringen und mehr von den Sachen abzunehmen. Dadurch trauen sich dann auch die Radiosender, die Singles zu spielen, und das wiederum motiviert die Zeitschriften, Artikel über einen zu bringen.

Das Musikgeschäft ist nun mal leider ein Geschäft. Wenn ich Lieder schreibe und aufnehme, bin ich nur ein Musiker, dem das Spaß macht und der Freude daran hat. Sobald das Produkt aber fertig und in Kartons dasteht, ist es irgendwie weg. Es verschwindet aus deinem Leben wie ein kleines Kind, das zur Schule kommt und von der Welt da draußen beeinflusst wird. Für mich ist das gerade so: Es ist jetzt weg, aus dem Haus. Ich möchte schon, dass es den Leuten gefällt, aber ich mache mir nicht allzu viele Gedanken darüber. Die geschäftliche Seite ist von Bedeutung, weil sie mir erlaubt, in Zukunft aufwändigere Projekte in Angriff zu nehmen, Genesis Klassik mit einem Orchester zum Beispiel. Das ist allerdings sehr teuer, aber ich möchte es trotzdem machen. Weil mir aber keine Plattenfirma das Geld dafür gibt und die Jungs von Genesis auch nichts beisteuern wollen, muss ich es selbst verdienen.

it: Erzähle uns etwas über den Titel deines neuen Albums. Unfulfillment [deutsch etwa: Nicht-Erfüllung, Unbefriedigung] klingt ja recht ungewöhnlich.
Ray:Unfulfillment kommt von einem Tanzprojekt, an dem meine Freundin beteiligt war. Der polnische Name dieses Stücks bedeutet auf englisch eben Unfulfillment. Ich fand die Darbietung großartig, düster, kribbelig, aber wirklich cool. Wie eine Independentproduktion. Ich sah sie mir ein paarmal an und fragte, was der Titel bedeutet, und sie sagte, es bedeute „unfulfillment“ und ich dachte: Was für ein toller Titel – das trifft genau meine ganze Einstellung als Mensch. Und ich fing an, darüber nachzudenken. Auf das Album habe ich geschrieben „stay inspired and always unfulfilled“ [„Bleib inspiriert und immer unerfüllt“]. Auch das kam von meiner Freundin, nicht von mir. Das hat sie mir in einer SMS geschrieben. Und es ist so richtig. Ein toller Satz. Es ist wichtig, dass man immer auf dem Sprung bleibt, es immer besser machen will, immer weiter gehen will. Der Weg ist der Sinn des Lebens, glaube ich. Immer unerfüllt zu sein heißt stets anzuerkennen, wie wichtig Unvollkommenheit ist. Nichts ist jemals völlig richtig oder ganz vollständig, und das soll es auch nicht sein. Die beste Analogie dafür ist das, was Leonard Cohen in seinem Stück Anthem sagt: 'ring the bells that still can ring, forget the perfect offering, there is a crack in everything, that's how the light gets in' [„Läute die Glocken, die noch läuten können, vergiss die perfekte Opfergabe – in allem ist ein Sprung: durch den kommt das Licht herein“]. Und ich habe Gänsehaut davon bekommen – sogar jetzt, wenn ich wieder daran denke. Er hat wirklich recht: Die Unvollkommenheit macht uns unterschiedlich und besonders: Man kauft ein neues Auto, das hat irgendwann einen Kratzer an der Seite und man denkt „och Mist“, aber es braucht den Kratzer, es braucht Charakter.

Bei Unfulfillment geht es um etwas ähnliches. Man braucht diesen Hunger, das Nicht-Erfülltsein, um weiterzumachen. Wenn man alles hat, so wie ich, als ich bei Genesis war – die Zeit nach der Tour war entsetzlich für mich. Das war nicht deren Schuld, zu der Zeit machten wir ja noch weiter und wollten ein neues Album machen. Aber ich erinnere mich an diese Zeit, ich war völlig uninspiriert, übersättigt. Und der Grund dafür war: Ich hatte alles. Geld, ein schönes Haus, ein schönes Auto, innerhalb vernünftiger Grenzen konnte ich alles haben, was ich wollte. Aber das passte nicht zu mir. Ich bin jemand aus der Arbeiterklasse und hatte nie alles, was ich mir wünschte. Als ich aber in dieser Situation war, fühlte ich mich am Ende total unerfüllt. Und das war seltsam. Und als ich alles verloren hatte, musste ich tief in mich gehen und tief in mir etwas finden. Es gibt viele Geschichten von Leuten, die erst ganz nach unten mussten, bis sie merkten, was sie brauchten, um ihr Leben zu etwas besonderem zu machen.

it: Vor fünf Jahren erzähltest du, dass du sehr zufrieden bist mit SHE, auch mit der Produktion und dass offenkundig auch das Songmaterial besser was als auf den vorangegangenen Alben. Worin liegt der Hauptunterschied zwischen SHE und Unfulfillment?
Ray: Wie Whisky wird man mit der Zeit besser. Ich habe ja erst spät angefangen zu schreiben und Instrumente zu spielen. Als Sänger nicht, damit habe ich schon früh angefangen. Ich konnte einfach den Mund aufmachen und es hat funktioniert. Aber Musik zu erschaffen, Musik zu verstehen, sogar Gitarre zu spielen – dabei war ich ein Spätentwickler. Und ich habe eigentlich auch erst in meinen späten 20ern angefangen, Musik zu schreiben, die ich ganz gut fand. Das Millionairhead-Album hatte zum Beispiel einige gute Stücke und Ideen. Die Produktion war etwas naiv, wenn ich sie mir heute so anhöre – es wäre besser gewesen, wenn jemand mit etwas mehr Erfahrung das Album produziert hätte, ein richtiger Produzent statt nur die Jungs und ich. Und dann bei Change habe ich alles sehr einfach gehalten, weil ich fand, dass ich als Produzent bestimmte Einschränkungen habe, und so habe ich innerhalb meiner Grenzen gearbeitet. The Next Best Thing … haben wir, ehrlich gesagt, nicht so gut produziert. Nur ein paar schöne Songs. Ich mag den Sound von dem Album nicht besonders. Das ist das Album, das ich am wenigsten mag.

it: Stücke wir Pumpkinhead klingen etwas leer.
Ray: Ja, wie von einer Schülerband. Ich höre das natürlich. Ich wollte es machen, wusste aber nicht wie. Bei SHE habe ich mit Leuten wie Peter Hoff gearbeitet, der bestimmte Sachen einfach viel besser verstand. Dazu kam Uwes Gitarrenspiel – das besser ist als meins, auch sein Stil ist besser. Wie gesagt, war ich da immer etwas einsam und habe mich selbst isoliert. Bei Propaganda Man zum Beispiel habe ich mich wieder auf meine Grenzen besonnen, auf den akustischen Klang. Der ist immer noch gut, gefällt mir. Vor allem Frequency, das ich mit Ali geschrieben habe, ist ein wunderbares Stück, und Razorlite war schön, mit guten Momenten. Jetzt habe ich aber einen Haufen Leute hier, mit denen ich arbeiten kann. Ich bin jetzt auch besser als früher. Und wir haben Sachen wie die Streicher eingeführt. Dazu dann Alis Gitarre – er ist so ein toller Gitarrist. Er erinnert mich ein bisschen an Anthony Drennan in der Art, wie er spielt. Uwe ist eher jemand für Akkorde – er findet immer einen passenden Akkord – immer, und ich sehe ihm gerne zu und frage mich, wie zum Geier mit so sehr gespreizten Fingern spielen kann. Uwe hat da einen ganz anderen Stil.
Der Klavierteil bei Tale From A Small Town, das übrigens von Peter stammt, hat dann diesen Carpet Crawlers-Effekt. Das war so nicht geplant, er hat es halt so geschrieben. Ich habe also gute Leute um mich herum. Alles in allem bin ich einfach besser geworden als Songschreiber und als Produzent. Ob das jetzt das Album ist, das mein Leben verändert oder nicht, weiß ich nicht, aber ich bin sehr zufrieden damit und es ist ein Schritt vorwärts, das ist sehr wichtig. Das letzte Stiltskin-Album war ziemlich gut, und dieses ist jetzt reifer, besser, nicht so heftig, nicht so ein Rockalbum, obwohl Stücke wie Guns Of God und Old Man And The Portrait ziemlich progressive Stücke sind. Ought To Be Resting ist ein progressives Stück. Ich habe sie in die zweite Hälfte des Albums geschoben, so wie Genesis das gemacht hätten. Am Anfang gibt es mehr kürzere Poprock-Songs. Da kommt man besser hinein, und die zweite Hälfte muss man sich mehrfach anhören, um richtig hineinzukommen. Und das ergibt ja auch Sinn. Und Genesis-Fans, die die längeren Sachen mögen, können ja auch Stücken wie Land Of Confusion etwas abgewinnen; das ist ja ein richtig guter Song, sehr geschickt, wie der gemacht ist.

it:SHE enthält viele Stücke über Beziehungen, und Propaganda Man war gewissermaßen dein Scheidungsalbum.
Ray: Ja, ein bisschen wie Phil Collins: Nur Stücke über Frauen [lacht].

Unfulfillmentit: Ich habe die Lyrics zu Unfulfillment erst gestern bekommen, und hatte noch keine Zeit hineinzuschauen. Worum geht’s in den neuen Stücken?
Ray: Es sind keine Stücke über Beziehungen. Manche von ihnen haben diese Momente – weil jeder über Liebe schreiben sollte – oder lieben sollte, das ist das wichtigste überhaupt. Ich habe geschrieben über … Guns Of God ist interessant. Die Idee dafür kam, als ich im Internet surfte und über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern las. Beide Seiten sind äußerst überzeugt von ihrer Position in diesem Konflikt. Beide haben ihre eigene Geschichte zu erzählen. Ich will ihnen nicht sagen, wie sie ihr Leben zu leben haben und was sie denken sollen – ich bin nicht so dämlich oder arrogant zu glauben, das zu tun, und zu glauben, dass sie das auch nur im geringsten interessieren würde. Aber ich bin auf die Kriegsdienstverweigerer gestoßen. Das sind junge Israelis, 17 und 18 Jahre alt, die nicht in die Armee wollen – was dort verpflichtend ist. Sie haben sich geweigert und mussten dafür ins Gefängnis. Es gibt eine Menge Aussagen von ihnen, warum sie nicht zum Militär wollen. Es scheint mir in einer Demokratie nicht richtig zu sein, wenn Leute eingesperrt werden, weil sie nicht zum Militär wollen. Das macht mich wirklich wütend. Ich verstehe, warum die Regierung so etwas tut, aber ich finde es einfach nicht richtig. Darum habe ich Guns Of God geschrieben. Es handelt davon, wie Leute Gott als Grund benutzen, andere zu erschießen oder in die Luft zu sprengen. Ich wollte nicht gegen irgendetwas Stellung beziehen. Dazu habe ich nicht das Recht. Aber ich fand, ich sollte etwas schrieben über junge Leute, die nicht zum Militär wollen. Und das ist ganz sicher kein „Junge trifft Mädchen“-Lied.
Tale From A Small Town handelt von einer jungen Tänzerin, die aus finanziellen Zwängen und wegen der Familie und so weiter nicht aus der Kleinstadt wegziehen kann. Das Mädchen hat einen Traum und möchte entkommen. Manche Leute meinen, es ginge um meine Freundin, aber da stimmt nicht. Ich kann aber verstehen, warum sie das denken. Die Anregung zu dem Stück kam, als ich durch kleine Orte in Polen, in Tschechien und auch im Osten Deutschlands gefahren bin; die Orte dort haben einen anderen Charakter, die Leute sind anders. Von dort kam die Idee.
First Day Of Change ist wichtig. Nicht nur für mich, sondern auch für Leute, die gerade eine schwierige Zeit durchmachen, weil sie vielleicht jemanden verloren haben oder ihren Job, oder drogensüchtig geworden sind – es geht um den ersten Tag, an dem sich alles ändert. Wenn sie aufhören, um dann wieder neu anzufangen. Außerdem geht es darum, wie wichtig Freunde sind, wenn das Leben mal schwer ist, wie wichtig ein guter Freund in so einer Lage ist. Es ist ein besonderes Lied, und ich bin sehr zufrieden damit. Als ich das Video gemacht habe, wollte ich Freundschaft zeigen. Das Video kommt vorraussichtlich im Januar und zeigt ein Dutzend Leute und fängt das Freundschaftsthema gut ein. Ein sehr natürliches, gut gemachtes Video.

it: Wenn du Stücke schreibst wie First Day Of Change – denkst du da an Dinge wie „Den Titel kann ich nicht verwenden, weil ich schon andere Stücke mit dem Wort 'change' im Titel haben?“
Ray: Ganz im Gegenteil. Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich 'change' [Veränderung, Wandel] in jedes Album einfüge, das ich schreibe. Entweder irgendwo in den Texten oder im Songtitel. Da geht es einfach um mein Leben. Viele Leute haben Angst vor Veränderungen, sie sind gefangen in ihrer Lage: „Lieber fühle ich mich weiter schlecht als dass ich Alternativen erprobe, bei denen sich nicht vorhersagen lässt, was passiert, und die eben auch schiefgehen können.“ Natürlich können sie schiefgehen. Aber sie können auch magisch sein. Sie können dich dorthin bringen, wo du schon immer sein wolltest. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, dann ändere es. Manchmal ist das nur eine klitzekleine Sache – dann ist es eben eine kleine Sache – aber tu es. Wir leben in einer Demokratie, also kannst du es machen. Ich weiß, dass viele Menschen ein schwieriges Leben führen, ihren Jobs verloren haben und anderes. Ich verstehe, dass das schwierig ist, aber habt einfach das Vertrauen, etwas zu ändern. Deshalb benutze ich dieses Wort so oft.

it: Also gibt es da Keinen Platz Für Verlierer [No Place For A Loser]...
Ray: Richtig! Der Song scheint dir zu gefallen! [lacht]

it: Wird es Cut-Songs in Deinem neuen Liveset geben und wirst du No Place For A Loser spielen?
Ray: Die Antwort ist 'nein', denn ich habe acht Stücke von meinem neuen Album zu spielen, aber die sind so verdammt gut, dass ich sie auf jeden Fall spielen werde. Und weil viele Fans meiner Sachen genug davon haben, Genesis Klassik und so weiter zu hören – ich weiß, dass das so ist, obwohl es sehr erfolgreich ist und ich viel Spaß dabei habe – wollte ich, dass es auf dieser Tour nur um meine Musik geht. Wir haben also acht neue Stücke und Cut – ich mag No Place For A Loser auch und, ja, ich werde es ganz sicher wieder mal spielen, aber nicht auf dieser Tour. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Ich brauche eine gewisse Vertrautheit der Stücke bei all den neuen Stücken. Vor allem auf dieser Tour. Und das wären dann Change, ConstantlyReminded, Lemon Yellow Sun, Inside und so weiter. Meistens suche ich mir 22 bis 25 Stücke aus, und wenn man dann schon allein acht neue hat, wird es knifflig für die Dynamik der Show. Vor allem möchte ich die Leute unterhalten, ich möchte sicherstellen, dass sie nächstes Mal wiederkommen. Darum sind auch alle beteiligt, der Lichttechniker, der Tontechniker – sie wissen das. Und wenn jemand Mist baut, kann ich ein echter Alptraum werden. Es ist mir einfach wichtig. Wenn die Leute aufhören, meine Karten zu kaufen, ist meine Karriere vorbei...
Die Dynamik der Show ist wichtig, man braucht Bekanntes und mischt es mit neuen Sachen, und dabei jetzt auf Cut zurückzugehen … ist nicht das wichtigste von allem. Für dich vielleicht schon, weil du No Place For A Loser magst – es ist auch ein toller Song – ich mag All The Young Dudes, das hat mich dazu angeregt, habe ich, glaube ich, schonmal erzählt...

it: Du bringst ja eine Kombination aus Stiltskin und Genesis Klassik heraus – werden im Stiltskin-Set auch Stücke von Genesis vertreten sein?
Ray: Ich denke, dass ich das ganz sicher nicht machen werde. Falls ich ein Stück von Genesis im Stiltskin-Set hätte, wäre es eines von denen, die ich mit ihnen gemacht habe, wie Congo oder Calling All Stations oder Not About Us, irgendwas von dem Album. Aber die ganze Idee ist eine andere. Letztes Jahr, als ich nicht viele Stiltskin-Shows gespielt habe, habe ich mir das überlegt. Ich habe einen Weg gefunden, wie ich die Genesis-Sachen gewissermaßen in der Box präsentieren kann. Wenn dir das gefällt, geht in eine Genesis Klassik-Show. Viele finden das toll, andere haben das noch nie gehört oder so.
In den Stiltskin-Shows geht es um meine eigenen Sachen plus ein oder zwei Stücke, die ich mit Genesis gemacht habe. So läuft das System von jetzt an.

it: Beim letzten Mal sprachst du über eine Zusammenarbeit mit Steve Hackett, und sagtest, dass ihr in Kontakt seid. Gibt es da etwas Neues?
Ray: Eigentlich nicht. Ich habe ihn kontaktiert und gefragt, ob er Lust dazu hätte. Er war aber beschäftigt und meinte, ich sollte ihn mal Anfang 2011 wieder ansprechen. Er war wirklich interessiert, aber ich glaube, das ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt: Es passiert gerade so viel, und er bringt im September ja auch ein neues Album heraus [Beyond The Shrouded Horizon, d.R.]. Ich wäre aber schon sehr offen dafür, wenn die Zeit stimmt, wenn es für uns beide sinnvoll ist. Ich fand immer, es wäre schön, ihn bei den Genesis Klassik-Shows dabei zu haben und Sachen spielen zu lassen, die er mit Genesis gemacht hat. Ich weiß aber auch, dass er genaue Vorstellungen davon hat, wie so etwas ablaufen soll, und das ist ja auch gut. Aber schön wäre es schon... und ich möchte eigentlich jedes Mitglied von Genesis bei einer Genesis-Klassik-Show dabei haben, das wäre toll – und es könnte passieren, wenn wir dann in Stadien spielen, werdet ihr überrascht sein, wie viele Leute sich auf einmal dafür interessieren [lacht]. Aber man weiß ja nie. Schaut euch The Musical Box an; die haben eine tolle Show gemacht, und die Jungs haben ihnen geholfen und sie unterstützt. Es wäre schon schön, auch Mike und Tony dabei zu haben. Oder alle zusammen – ich möchte es so gerne mit diesem klassischen Einschlag probieren, weil sie das ja nie gemacht haben. Wir haben einige schöne Versionen von den Stücken, manche sind gut, andere großartig – wenn man Ripples hört, was ja ohnehin schon ein fantastisches Lied ist, wird es mit den Streichern einfach wunderschön. Und ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn Tony sich hinsetzte und Klavier spielte oder Steve auf seiner Gitarre, aber ich glaube, das wird nicht in diesem Moment passieren, das dauert noch ein Jahr oder zwei. Die Umstände ändern sich.

it: Ray, vielen Dank für das Interview – bleib inspiriert und immer unfulfilled!
Ray: War mir ein Vergnügen.


Interview & Transkription: Christian Gerhardts
Ãœbersetzung: Martin Klinkhardt


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