Deutscher Genesis Fanclub it: Startseite
Deutscher Genesis Fanclub it
Künstler
Du bist nicht eingeloggt! [Einloggen]

PETER GABRIEL
"Big Blue Ball" (CD)

Peter Gabriel and Friends - Big Blue Ball

Peter Gabriel - Still Growing Up: Live And Unwrapped (2DVD) kaufen bei amazon.de
Peter Gabriel - Still Growing Up: Live And Unwrapped (2DVD) kaufen bei amazon.de

Mitte der 90er kam es im Rahmen der Real World Recording Weeks zum Big Blue Ball Projekt. Die Veröffentlichung dauerte fast 15 Jahre. Peter Gabriel wirkt auf vier Songs mit.


"Down To Earth" (mp3)

Down To Earth from Wall*E

Down To Earth - Download bei iTunes

Für den neuen Pixar Film Wall*E steuerte Peter Gabriel den Song Down To Earth bei, der nun bei iTunes erworben werden kann.


Auf Grund von Arbeiten an der Website werden News und neue Artikel seit 5.2.2024 vorübergehend im Blog-Bereich des Forums veröffentlicht.

Weitere Infos

Neues Album? Ideen für The Lamb live...


Mike Rutherford im Gespräch über Genesis, gestern, heute und morgen.


Auf der Website www.innerviews.com wurden zwei aktuelle Interviews mit Mike Rutherford und Daryl Stuermer veröffentlicht. Besonders interessant ist das Interview mit Mike, in dem er ungewöhnlich tiefe Einblicke in die aktuelle Genesis-Situation gewährt. Anil Prasad führte das Interview, das wir nun auf deutsch übersetzt haben und mit ihrer freundlichen Genehmigung hier veröffentlichen können!


Genesis: Sie drehen wieder auf


Von Anil Prasad.


Die britischen Titanen des Prog-Rock Genesis überraschten den größten Teil ihrer weltweiten Fangemeinde, als sie bekanntgaben, dass sich das hitschmiedende Lineup von Phil Collins, Mike Rutherford und Tony Banks 2007 für eine Tournee durch Europa und Nordamerika wieder zusammenfinden würde. Collins war zuletzt 1992 mit Genesis unterwegs und verließ die Gruppe 1996, um sich auf seine Solokarriere zu konzentrieren. Damit liegt die letzte Zusammenarbeit des Trios 15 Jahre zurück. Und mit Ausnahme ihrer Veröffentlichung Calling All Stations und der dazugehörigen Europatournee, bei der Banks und Rutherford mit dem neuen Sänger Ray Wilson auftraten, war Genesis selbst fast zehn Jahre lang nicht mehr aktiv.


Collins, Rutherford und Banks bestreiten die Konzerte mit ihren altvertrauten Tourmusikern Daryl Stuermer und Chester Thompson ohne ein neues Album im Nacken. Es geht ihnen um den Spaß an der Sache, darum, das Repertoire der Band wiederzuerwecken und die Welt daran zu erinnern, dass Genesis live immer noch ein Ereignis sind. Zu diesem Zweck spielt die Band einen Querschnitt ihrer Musik, der weit über ihre vielen Top-10-Hits wie I Can’t Dance und Invisible Touch hinausgeht. Einige dunklere Epen aus den frühen 70ern, auf denen im Original auch Peter Gabriel und Steve Hackett zu hören waren, wurden ins Set aufgenommen, zum Beispiel Carpet Crawlers, In The Cage, I Know What I Like und Ripples. Die Tour fällt außerdem mit der Veröffentlichung von drei Boxsets und Wiederveröffentlichungen der Alben auf einzelnen CDs zusammen, die alle dreizehn Studioalben zusammenfassen, die die Band bislang veröffentlicht hat. Jede CD wird begleitet von einer DVD mit einer Abmischung im 5.1-Rundumklang, Videos, Konzertausschnitten und anderem Bonusmaterial.

Innerviews begegnete Rutherford im palastähnlichen Inneren des Peninsula-Hotels in New York. Bei Tee und Gebäck erforschten wir die Motivation für die Tour, den Schöpfungsprozess bei Genesis, die Gestalt der Band nach Phil Collins und was die Zukunft für eine wiedervereinigte Band bieten könnte.


Anil: Was war der Auslöser für die Reunion?

Mike Rutherford: Wir haben in den letzten Jahren immer mal wieder den Plan gehabt und darüber gesprochen. Da Phil ja viel für Disney gearbeitet hat, kam es bis vor kurzem nicht in Frage. Vor zwei Jahren hatten wir uns mit Peter Gabriel und Steve Hackett getroffen, um über eine Reihe von Lamb Lies Down On Broadway-Konzerten zu sprechen, aber das mussten wir zurückstellen, weil bei Peter eine eigene Tour und Albumveröffentlichung anstand. Vielleicht schaffen wir das eines Tages noch, aber wir dachten uns, wir machen es dann zu dritt; das war ja sowieso der Hauptteil unserer Karriere. Letzten Oktober [2006] trafen wir uns, um das Ganze voranzutreiben; entschieden war da aber noch nichts. Wir spielten ein bisschen in einem Probenstudio in New York, probten die Songs und rissen Witze. Es war toll, und so entschlossen wir uns, die Tour zu machen. Von der Musik her habe ich mir überhaupt keine Sorgen gemacht, das wir das hinbekommen. Ich wusste, dass ich mir eine neue Doppelhalsgitarre bauen lassen muss, weil meine alte den Geist aufgegeben hatte und ich die Sachen ja zusammenbekommen musste. Was richtig Zeit verbraucht hat, war die Produktion selbst, besonders die Beleuchtung, der Bühnenaufbau und was auf den Bildschirmen zu sehen sein sollte. Mark Fisher hat die Bühne entworfen, Patrick Woodroffe die Beleuchtung, und es sieht toll aus.


Anil: Tony Banks sagte, ein Grund für die Genesistour sei, dass seiner Meinung nach das Profil der Band in letzter Zeit nachgelassen habe und ihre Beiträge nicht so viel Beachtung fänden, wie sie verdienten. Wie siehst du das?

Mike Rutherford: Ich finde auch, dass wir ein wenig übersehen werden. Wir hatten nie ein Album wie Dark Side Of The Moon oder Tubular Bells, Alben, die die Laufbahn eines Musikers definieren und alles andere in den Schatten stellen. Wir hatten nie ein Album, von dem die Leute gesagt hätten: „Das ist das Genesis-Album schlechthin.“ Deswegen sitzen wir da eigentlich zwischen allen Stühlen. Als wir noch viel auf Tournee waren, spielten die Radiosender die leichtere Seite der Band, während ein großer Teil unserer Show auf den anspruchsvolleren, instrumentalen, längeren Stücken basierte. Dadurch wurde das Radioprofil von Genesis wieder ausgeglichen. Da wir jetzt lange nicht auf Tour waren, haben die Leute vergessen, wie wir live waren. Es wird schön werden, sie daran zu erinnern, auch für die, die uns noch nie von dieser anderen Seite erlebt haben.


Anil: Mit welcher Einstellung seid ihr an die Neuabmischung des gesamten Genesiskatalogs für die neuen Wiederveröffentlichungen herangegangen?

Mike Rutherford: Es ging vor allem um Verbesserungen beim Klang. Die frühen Stücke konnten am meisten von den neuen Abmischungen in Stereo und 5.1 profitieren, denn einige von ihnen waren sehr schnell aufgenommen und abgemischt worden. Es standen ja immer eine Tour oder ein studiobezogener Abschlusstermin ins Haus. Jetzt bot sich also eine Gelegenheit, die Stücke zu verbessern, ohne sie zu verändern. Wir haben besonders viel Arbeit auf das Schlagzeug verwendet, auf den Bass und die tieferen Klangbereiche im allgemeinen; sie geben den Stücken mehr Substanz. Den Geist der originalen Abmischungen haben wir jedoch bewahrt. Dabei ist besonders Nick Davis hervorzuheben, der die ganze schwere Arbeit gemacht hat. Er hat wirklich den Drumsound hervorgehoben, ohne das Wesentliche an der Musik zu sehr zu verändern. Das Schlagzeug auf den frühen Alben klang sehr klein und kantig. Die Snare wirkte sehr schwach. Indem er an der Akustik gearbeitet hat, hat Nick dem ganzen einen größeren, wärmeren Klang verilehen. Auf den späteren Alben gab es weniger Raum für Verbesserungen, weil wir ab der Zusammenarbeit mit Hugh Padgham beim Aufnehmen besser wurden. Auf jeden Fall hatten wir Spaß daran, Sounds und Spezialeffekte in den Surroundkanälen zu platzieren.


Anil: Die neuen Abmischungen werden die ursprünglichen Aufnahmen vollständig ersetzen. Bei manchen Fans ist das umstritten.

Mike Rutherford: Die alten, ursprünglichen Fassungen wird es da draußen ja immer noch geben. Und die Leute können die CDs kopieren, wenn sie sie unbedingt haben wollen. Insofern sind sie sicher. Ich muss zugeben, dass ich nicht überzeugt war, dass Alben wie Invisible Touch und Genesis neu abgemischt werden müssen. Ich finde, dass das unsere besten Aufnahmen sind. Ich wollte sie eigentlich nicht neu abmischen, aber habe mich dann der Mehrheitsmeinung gebeugt. Auf jeden Fall möchte ich sagen, dass es keinen Grund zur Besorgnis gibt, denn der Auftrag lautete, nichts Radikales mit der Musik zu machen.


Anil: Wie erging es dir, als du den gesamten Output der Band wieder gehört hast?

Mike Rutherford: Das Komische ist: Ich hatte eine genaue Vorstellung davon, wie sich die Sachen auf unseren Alben anhörten. Anfangs war ich mir sicher, dass ich ein paar Stücke mag, von anderen nicht überzeugt war und den Eindruck hatte, dass ich wieder andere gar nicht mochte. Ich habe mir eine Meinung über die Stücke gebildet und daran festgehalten. Als ich aber darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich ein paar Stücke zehn bis zwanzig Jahre lang nicht gehört hatte. Dann hörte ich sie wieder und merkte, dass manche Stücke viel besser waren als ich gedacht hatte und umgekehrt. The Lamb beispielsweise ist viel stärker als ich es in Erinnerung hatte. Es ist wirklich ein scharfes Album voller Leidenschaft und Feuer, was mir früher gar nicht aufgefallen war.

The Lamb war schwer aufzunehmen. Das Problem liegt darin, dass ich die Musik danach beurteilt habe, wie schwierig die Aufnahmen dafür waren. Das Konzept für The Lamb war düster und länger; es war ein echter Kampf, das Album fertigzustellen. Darum war A Trick Of The Tail einfacher. Es war leichter, Phil sang und wir hatten ein ganz neues Szenario und frische Luft. Ich neige dazu, die Alben, bei denen die Aufnahmen gut liefen, den anderen vorzuziehen; in Wirklichkeit sollte es natürlich darum gehen, wie es am Ende klingt. Im Allgemeinen sind die problemlos aufgenommenen Alben recht gut, aber es kann natürlich auch mal umgekehrt sein.

Ansonsten fiel mir auf, dass einige Arrangements auf älteren Songs sehr vollgestopft sind, und ich dachte: „So würde ich das heute nicht machen.“ Aber ich bin heute auch jemand anderes. Vielleicht habe ich zu sehr versucht, clever und großartig auf dem frühen Material zu klingen. Mit der Zeit habe ich dann gelernt, dass beim Arrangieren eines Stückes weniger oft mehr ist.


Anil: Du bist als ernsthafter Audiophiler bekannt und hast auch schon für Sony und andere Audiofirmen geworben. Hat sich diese Neigung bei den neuen Abmischungen bemerkbar gemacht?

Mike Rutherford: Eigentlich nicht. Vor Jahren stimmte das, was du sagst, aber ich bin eigentlich kein wirklicher Audiophiler mehr [lacht]. Ich baue gerade ein neues Haus. Vor einigen Tagen kam jemand vorbei, mit dem ich an einigen audiovisuellen Sachen dafür arbeiten wollte. Er ist ein echter Audiofreak und liebt seine Plattenspieler. Er wollte unbedingt mit mir über Audiosachen reden und ich musste sagen: „Nichts für ungut, aber wir sind da nicht auf einer Wellenlänge.“ Im Studio will ich fantastischen Sound. Ich will sicher sein, dass der Raum klar ist, und es ist mir sehr wichtig, die Sachen so zu mischen, dass sie toll klingen. Aber außerhalb des Studios bin ich einfach jemand, der die Musik genießt. Es kommt darauf an, dass es angenehm klingt. Mir ist es nicht wichtig, ob es gut oder großartig klingt. Das habe ich in den letzen anderthalb Jahrzehnten abgelegt und eine andere Einstellung dazu gewonnen.


Anil: Wenn du ein neues Album abmischst, was benutzt du dann als Testumgebung?

Mike Rutherford: Ich hatte einen BMW mit großartigen Lautsprechern. Da wusste ich genau, wo meine Bezugspunkte lagen; aber ich habe ihn verkauft. Jetzt hat mein Auto einen gewaltigen Bass und Sub-Bass und ich kann mich gar nicht richtig auf die feineren Elemente konzentrieren; also beurteile ich die neuen Aufnahmen im Studio.

Anil: Lass uns mal darüber sprechen, wie bei Genesis die Stücke entstehen. Wie entwickelte sich das von den Anfängen bis zu We Can’t Dance?

Mike Rutherford: Als Peter noch in der Band war, wurden viele Stücke von einem oder zwei Leuten geschrieben. Wir brachten auch Stückchen, Schnipsel und Teile von Stücken mit, an denen die Band dann arbeitete, die sie entwickelte und abschloß. The Lamb war eher eine Gemeinschaftleistung, aber als Peter ausstieg, fingen wir an, eher jeder für sich zu schreiben. Erst auf Duke fingen wir an, als Band zu schreiben. Die meisten Leute können das nicht verstehen, aber seit Duke gehen wir ohne Musik ins Studio, mit einem leeren Blatt Papier, und jammen und improvisieren, bis sich hier und da ein paar Stückchen zeigen. Strophen und Rhythmen entwickelten sich und wuchsen zu Stücken. Es ist eine recht ungewöhnliche Methode, Stücke zu schreiben, und am ersten Tag sehr angsteinflößend.


Anil: Wie filtert ihr das Material, um die Stücke zu finden, die zu einem vollständigen Song führen?

Mike Rutherford: Da geht es viel ums Zuhören. Phil hat immer alles auf DAT aufgenommen. Wir haben uns dann alles angehört und plötzlich Sachen entdeckt, von denen uns gar nicht bewusst war, dass wir sie gespielt haben. Wir sagen dann Sachen wie „Das klingt gut“ oder „Vergessen wir die ersten zehn Minuten und konzentrieren uns auf das, was danach kommt.“ Es geht darum, als Kollektiv das Besondere zu entdecken und zu organisieren. Man wartet darauf, dass sich die Stücke zeigen, die alle gemeinsam mögen. Wenn die beiden anderen nicht finden, dass das hier besonders ist, macht man weiter, bis der nächste starke Moment auftaucht. Üblicherweise - wenn wir als Band zusammenarbeiten und jammen und es ergibt sich etwas Gutes, dann merken wir das auch gleich.


Anil: Man hat mir gesagt, dass viele Songtexte daraus entstanden sind, dass Phil am Mikrophon improvisiert hat.

Mike Rutherford: Das ist richtig. Wenn wir im Studio waren, lief ein Drumcomputer, weil es besser war, wenn Phil auch sang statt nur Schlagzeug zu spielen. Wir stellten also den Drumcomputer ein, dass er einen kleinen Loop oder ein Muster spielte. Das hielt uns im Takt und vermittelte einen Eindruck. Phil sang dann dazu, improvisierte, und es ergaben sich Kleinigkeiten, lyrische Ausdrücke und Wendungen. Das Wort „Mama“ ist ein großartiges Beispiel für einen dieser Ausdrücke, die sich ergaben. Manchmal ist der Text von vornherein da, dann macht man damit weiter. Es geht nichts über eine echte Gesangsstimme, wenn man schreibt; viel besser als die Musik zu schreiben, nach Hause zu gehen und sich dann die Texte zu überlegen. Wenn ich den Text schrieb, fing ich oft bei einem Ausdruck oder manchen Wörter an, oder bei dem Klang oder den Vokalen als Ausgangspunkt.

Wenn man ein Musikstück schreibt, ohne dass die Gesangsstimme dabei ist, kann man acht Takte lang auf einem Akkord herumreiten. Aber wenn die Stimme großartig ist und toll klingt, und die Melodie auch, dann kann sich eine echte Richtung zeigen. Ansonsten schreibt man nur eine Melodie und hängt zu viele Akkorde dran, weil man nicht merkt , dass man es gar nicht so voll stopfen muss, wenn die Stimme das Lied trägt. Deshalb wollten wir, dass Phil diesen Improvisationsgesang benutzt. Wenn Phil singt, kann man außerdem auf jedem x-beliebigen Akkord bleiben; das ist zwar von den Akkorden her langweilig, schafft aber mehr Raum in dem Stück, was für uns ganz gut ist.


Anil: Wenn sich ein Arrangement ergab, zog gewöhnlich ein einzelnes Bandmitglied los und erweiterte es. Wie habt ihr entschieden, wer woran arbeitet?

Mike Rutherford: Das war nur eine Frage, wer sagt: „Daran möchte ich gerne arbeiten, weil ich das Stück spannend finde.“ Bei manchen Sachen wussten wir, dass Phil daran arbeiten sollte, weil es da eine Gesangspassage gab, die seinem Stil entsprach. Tony nahm sich gewöhnlich die längeren Stücke vor [lacht]. Ich für meinen Teil habe meist einfache Lyrics geschrieben wie Throwing It All Away, Turn It On Again, Land Of Confusion und Follow You Follow Me.


Anil: Welche Herausforderungen ergaben sich für dich als Gitarrist und Bassist, wenn Genesis Stücke schreiben?

Mike Rutherford: Es gab immer ein gewisses Problem, nachdem Steve Hackett gegangen war. Ich musste versuchen, zwei Rollen gleichzeitig auszufüllen. Das Problem war, dass wir sehr oft ein Stück ohne Bass geschrieben haben, nur mit Gitarre, Keyboards, Schlagzeug und Gesang. Wir nahmen also Vorversionen auf, auf denen es keinen Bass gab. Wenn es dann an der Zeit war, die Basslinie aufzunehmen, war das manchmal schwierig, denn es gab ja noch keinen Bass, der die Akkorde festlegte. Bisweilen hatte ich dann die Wahl zwischen zwei Noten auf der Gitarre – aber keine passte so richtig, weil es einfach sehr hilfreich ist, wenn der Bass den Akkord in die eine oder andere Richtung zieht und umgekehrt. Und wenn ich dann den Bass hinzugefügt habe, konnte sich die Gestalt des Stückes auch noch mal verändern. Da dann noch etwas zu finden, was auch gut klingt, ist unter Umständen sehr knifflig, aber so war das dann. Ich konnte eben nicht beides gleichzeitig machen, also nahm ich erst die Gitarre auf und danach den Bass. Wenn ich alleine schreibe, spiele ich normalerweise Gitarre und begleite mich auf den Basspedalen. Ich versuche, Gitarrist und eine Art Bassist zu sein und bemühe mich, das richtige Rhythmusgefühl unter die Melodie und die Akkorde zu legen.


Anil: Wie hast du mit Phil die Rhythmen ausgearbeitet?

Mike Rutherford: In der Anfangszeit standen Phil und ich nebeneinander, wenn wir den Groove und das Flair des Stückes aufgebaut haben. Später haben wir erst mal die Stücke mit Gesang, Drumcomputer, Gitarre und Keyboards aufgenommen, und Phil hat dann direkt das Schlagzeug dazu entwickelt. Das ist jetzt also in der Entwicklungsphase, in der wir die Sachen aufgenommen haben, die wir uns später anhören. Ich war dann meistens dabei, die Hauptlinie im Bass aufzunehmen, während er am Schlagzeug arbeitete. So konnten wir dann voneinander Rhythmen und Klänge übernehmen.


Anil: Wie hast du dich als Gitarrist im Laufe der Jahre entwickelt?

Mike Rutherford: Anfangs war ich ja der Bassist und Rhythmusgitarrist bei Genesis. Selbst als Steve die Leadgitarre gespielt hat, habe ich etwa die Hälfte des Sets Gitarre gespielt, mit oder ohne Basspedal. Heute spiele ich auf der Bühne vor allem Gitarre, obwohl ich den Bass liebe. Aber wenn ich auf And Then There Were Three zurückblicke – damals konnte ich, ehrlich gesagt, kaum Leadgitarre spielen. Das kann man nicht von einem Augenblick auf den anderen. Das muss man sich erarbeiten. Auf den ersten Alben nach Steves Abschied fand ich, ich hätte mich gut geschlagen. Als Songwriter hatte ich das im Griff, aber als sich die Alben entwickelten, wurde ich als Gitarrist besser. Ich fühlte mich besser, wenn ich Leadgitarre spielte. Ich bin eher ein Songwriter, der Gitarre spielt, als ein virtuoser Gitarrist, aber ich fühle mich wohl, wenn ich Leadgitarre spiele.


Anil: Welche Gitarren spielst du auf der Tour?

Mike Rutherford: Ich benutze eine Eric Clapton Model Fender Strat aus den späten 80ern; die mag ich sehr, weil sie die Rolle von vielen Gitarren spielen kann. Man kann so eine große Bandbreite von Klängen abrufen, und das macht sie sehr anziehend als Instrument für eine Tour. Außerdem ist es eine Frage der Gewohnheit und Vertrautheit. Ich spiele seit Jahrzehnten Stratocasters, und es wäre irgendwie falsch, wenn ich etwas anderes spielen würde. Außerdem habe ich mir eine neue Doppelhalsgitarre für das alte Genesismaterial bauen lassen, die zwei Gitarren vereinigt, die ich sehr schätze. Das war mir lieber als eine komplette Neuanfertigung, bei der man nicht weiß, was man bekommt, bis das Instrument ganz fertig ist. Ich habe ein englischen Gitarrenbauerteam namens Charlie Chander’s Guitar Experience gebeten, die zwölfsaitige obere Hälfte einer Gibson EDS-1275 Doppelhalsgitarre zu nehmen und mit einem Yamaha TRB-4P Bass als unterer Hälfte zu kombinieren. Wir haben uns für die Gibson EDS-1275 entschieden, weil es nur wenige zwölfsaitige Vollkörpergitarren gibt, die man mit einem Vollkörperbass zusammenbringen kann. Man verliert ein wenig Resonanz dabei, aber der Gesamtsound der beiden Instrumente bleibt zum größten Teil erhalten.


Anil: Während der frühen Tage von Genesis hast du viel mit alternativ gestimmten Gitarren gearbeitet. Heutzutage hast du eine sparsamere Herangehensweise.

Mike Rutherford: Ja, ich hatte eine Menge seltsamer Gitarrenstimmungen bei älteren Stücken wie Cinema Show und Ripples. Das wurde alles zu kompliziert. Wenn wir nach einer Pause wieder auf Tour gingen, konnte ich mich manchmal nicht mehr an daran erinnern, wie ich die Gitarre gestimmt hatte, also sagte ich mir dann: „Okay, Schluss damit.“ Das einzige, was ich immer noch mache, ist die tiefe E-Saite auf D zu stimmen. Die Mollakkorde klingen damit kräftiger, die anderen Akkorde satter, was ja gut zu dem Charakter der meisten Genesisstücke passt.


Anil: Was ist das komplexeste Stück mit der größten Herausforderung, das ihr auf dieser Tour spielt?

Mike Rutherford: Wahrscheinlich Home By The Sea, denn im Instrumental ändern sich die Stimmungen so schnell. Ursprünglich haben wir es abschnittsweise aufgenommen, und in jedem Abschnitt habe ich verschiedene Klänge nach Belieben eingesetzt. Live wird das sehr schwierig. Einmal ist der Sound sehr raumgreifend mit viel Echo und viel Flange, und gleich darauf brauche ich einen sehr engen Verstärkerklang. Die Bandbreite von Klängen in diesen vier Minuten auf dem Album war gewaltig; das dann live wiederzugeben ist immer eine Herausforderung.


Anil: Daryl Stuermer spielte auf Genesis-Tourneen immer eine wichtige Rolle. Was macht ihn für die Gruppe so unverzichtbar?

Mike Rutherford: Zuallererst kennt Daryl alle Akkorde zu allen Stücken; ich vergesse sie immer. Er ist der Meister der Songs und ich kann ihn immer fragen [lacht]. Er ist natürlich nicht deshalb in der Band. Er stieß 1978 zu uns, nachdem er zum Vorspielen nach New York kam. Ich hatte auch Pat Thrall und Elliot Randall, der bei Steely Dan spielte, eingeladen. Beide waren großartige Gitarristen, aber ich suchte einen Musiker, der Genesis erfassen konnte. Ich gab Elliot ein paar Stücke zum Einüben, und er fragte: „Wie möchtest du es haben? Möchtest du Rock? Möchtest du ein bisschen Jazz?“ Daryl dagegen kam und verstand, worum es uns ging, mit den Strukturen und Klängen. Er fragte gar nicht erst: „Wie wollt ihr es haben?“ Das wusste er schon. Er hatte verstanden, dass man diese Stücke mit einem bestimmten Sound und in einem bestimmten Genre spielen muss.

Daryl hat außerdem einen großartigen Stil und außerordentliche Fähigkeiten an der Gitarre. Er spielt unglaublich schnell und fließend und hat ein herrlich natürliches Talent an der Gitarre. Darüber hinaus konnte er auch genug Bass spielen. Am Anfang haben wir überlegt, ob wir einen Gitarristen brauchten, der Bass spielte, oder einen Bassisten an der Gitarre. Der erste, der zum Vorspielen kam, war der Bassist Alphonso Johnson. Während wir jammten, merkten wir beide, dass es verkehrt lief. Wir merkten, dass wir einen Gitarristen brauchten, der den Bass beherrschte, weil die Gitarrenteile zu anspruchsvoll für einen Bassisten im allgemeinen waren. Ich glaube, Alphonso empfahl uns dann Daryl. Auf einer frühen Tour mit Daryl, erinnere ich mich, hat er dann den Bass richtig verstanden. Jeder Gitarrist kann Bassnoten zu einem Stück spielen, aber es gibt da etwas Einzigartiges am Bass, was das Gefühl für die Noten angeht. Man merkt sofort, ob da ein Gitarrist Bass spielt oder ein Bassist. Daryl ist jetzt neben all seinen andere Talenten auch noch ein toller Bassist. Es ist schon seltsam, dass Chester und Daryl beide aus der Jazz-Ecke kommen. Ich denke, das liegt daran, dass wir einen bestimmten Grad an Technik verlangen, den Musiker aus dieser Richtung einfach schon mitbringen.


Anil: Auf der aktuellen Tour, wie auch schon auf der We Can’t Dance-Tour, spielt Stuermer eine ganze Reihe von Gitarrenpartien der Zeit nach Hackett. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Mike Rutherford: Das kommt daher, dass ich Daryl gerne spielen höre; außerdem bin ich mir im Klaren, dass er manchmal nicht genug Gitarre spielt. Ich glaube, er sieht das ganz entspannt. Bei den neueren Kompositionen ist es mir schwergefallen, die Gitarrenteile aufzugeben, weil sie so wichtig sind für das, was ich da tue. Aber ich wollte zum Beispiel, dass Daryl das Solo am Ende von Jesus He Knows Me spielt. Er zieht das auf eine Weise durch, in der ich das nicht könnte, mit seiner unglaublichen Technik und Energie. Auf dieser Tour spielen wir möglicherweise In Too Deep in Amerika. Bei diesem Stück hat er früher Bass gespielt und ich Gitarre. Diesmal wird er eine Gitarre mit Nylonsaiten spielen und ich den Bass. Ich liebe den Bass wirklich sehr, darum sehe ich zu, dass ich ihn auf dieser Tour öfter spielen kann. Das Schöne daran ist, dass es bei Daryl keine Frage des Egos ist; da geht es nur darum, was für das Stück am besten ist.


Anil: Warum war Stuermer auf der Calling All Stations-Tour nicht dabei?

Mike Rutherford: Das klappte nicht, weil Phil auf Tour war, und seine Tour sich mit unserer überlappte. Damit standen Daryl und Chester nicht zur Verfügung.


Anil: Wie seid ihr auf Anthony Drennan als Gitarrist für die Calling All Stations-Tour gekommen?

Mike Rutherford: Er ist ein toller Gitarrist, der auch bei The Corrs mitspielt. In vielerlei Hinsicht ist er dort unterfordert. Er kam mal für einen Tag vorbei und jammte und improvisierte mit mir; es war offensichtlich, dass er große Fähigkeiten hat und auch Melodien spielen kann. Daneben hat er eine echte Rebellenseite, dann rockt er los und dreht total durch an der Gitarre. Anthony ist außerdem ein netter Kerl, was auch immer gut ist.


Anil: Wie siehst du Calling All Stations heute?

Mike Rutherford: Auf dem Album sind ein paar gute Momente. Ich betrachte es als ein Album, das eine neue Phase von Genesis hätte einläuten können. Der Weg nach vorne hätte darin gelegen, schnell hintereinander zwei Alben zu veröffentlichen. Auf dem ersten Album haben wir noch gelernt, und vielleicht war es lyrisch stellenweise nicht so toll. Ich glaube, wenn wir mit Ray drei Alben gemacht hätten, hätten alle das erste Album als einen neuen Anfang gesehen – nicht berauschend, aber ein Anfang. Ray war fantastisch und er kommt oft nicht so gut weg wie er es verdient hat. Live war er großartig, und das bei einem so schwierigen Gig. Aber ich wollte einfach nicht die nächsten drei oder vier Jahre ständig Alben aufnehmen und auf Tour sein. Unglücklicherweise wird Calling All Stations jetzt als das Album einer „Nur-einmal-Besetzung“ betrachtet, und das wertet es ab. Wenn man es als Einstieg in eine neue Phase gesehen hätte, würde es anders bewertet, obwohl es ja in Europa sehr erfolgreich war. Ich bin mir auch im Klaren, wie wir das nächste Album hätten verbessern können. Ich hätte jemanden hinzugezogen, der mit uns zusammen schreibt. Calling All Stations war in manchen Aspekten nicht so stark, aber ich glaube, das zweite Album wäre viel besser gewesen. Aber mit Genesis weiterzumachen war damals sehr mühsam, und ich wollte mich darauf nicht einlassen.


Anil: Das war dir doch sicherlich bewusst, als ihr damit anfingt?

Mike Rutherford: Ja, schon, aber wir hätten wohl weiter gehen können als wir gegangen sind. Ich denke nie so weit voraus. Ich handle einfach und schaue, was passiert [lacht]. Im Rückblick war es ein schönes Album und ein guter Einstieg in eine neue Ära, aber diese neue Ära war mir zu lang, als dass ich dazu Lust gehabt hätte. Es hätte auch bedeutet, die Mechanics auf Eis zu legen. Eine andere Sache, die mir auffiel, war, wie weit Tony und ich musikalisch ohne Phil voneinander entfernt waren. Man stellt sich ja immer vor, dass da erst mal Tony und ich sind, und dann noch Phil – weil Tony und ich uns schon so lange kennen. Aber eigentlich steht Phil zwischen Tony und mir und bringt uns zusammen. Er kitzelt aus uns beiden musikalisch eine Menge Material heraus. Schwer zu beschreiben.


Anil: War es eine Ãœberraschung, als Nordamerika das Album und die Tour nicht annahm?

Mike Rutherford: Ja und Nein. Es war eine Überraschung, aber ich befürchte immer das Schlimmste, deshalb war ich sozusagen nicht überrascht. Was mich überraschte, war, wie verschieden Amerika und Europa waren. Ich glaube, Amerika ging damals durch einen musikalischen Wandel und begann Genesis und wohl auch Phil anders zu sehen. Wenn wir eine kleine Tour durch Theater gemacht hätten, wären wir überall wohl gut angekommen.


Anil: Wie stehen die Chancen für neue Musik vom wiedervereinigten Trio?

Mike Rutherford: Die Vorstellung, neue Sachen zu schreiben, gefällt uns. Das machen wir gerne. Was uns daran Sorgen bereitet, ist, das Album zu veröffentlichen. Das ist ein großes Problem. Ich denke, dass sich das Musikgeschäft verändern wird und das Albumformat jetzt veraltet ist. Vielleicht machen wir eine Kleinigkeit und veröffentlichen sie. Vielleicht gibt es einen anderen Weg vorwärts. Ein Album aufzunehmen und das große Thema der Werbung dafür – darüber machen wir uns Sorgen. Aber darum kümmern wir uns nach der Tour.


Anil: Falls ihr am Ende die Lamb-Tour mit Gabriel macht – wie bringt ihr das Werk auf die Bühne, wo doch die Show von 1974 darauf beruhte, ihn als Ikone, als jungen Mann zu zeigen?

Mike Rutherford: Richtig, genau das ist das Problem. Die Hauptfigur ist ein junger Puertoricaner in New York. Es gab ein paar Gespräche darüber, ein Computerprogramm einzusetzen, das Peters Gesicht und seine Bewegungen aufzeichnet und auf einen Bildschirm hinter der Band projiziert. Seine Gesten würden dann ein computergeneriertes Bild einer anderen, jüngeren Person bewegen. Das ist natürlich allerneueste Technik. Es wäre schon lustig, das auf der Bühne zu machen, denn damals haben wir es mit einem Budget von ein paar tausend Dollar aufgeführt. Manchmal funktionierten die Bildschirme und Projektoren, manchmal nicht. Diese Show heutzutage zu entwickeln wäre sehr aufregend. Da ergeben sich starke Darstellungsmöglichkeiten. Ich finde, The Lamb konnte in dieser Hinsicht niemals ordentlich aufgeführt werden. Die größere Frage ist, was wir in puncto Shows machen bzw. nicht machen. Angedacht waren fünf Konzerte in Europe und fünf in Amerika. Wir sprechen wieder darüber, wenn Peter sein Album und seine Tournee beendet hat; dann werden wir mal schauen, wie wir alle darüber denken. Es liegt jetzt alles bei Pete. Wir anderen sind dabei.


Anil: Was machst du dieser Tage Kreatives jenseits von Genesis?

Mike Rutherford: Um ehrlich zu sein: Derzeit nichts. Die Zeit der Mechanics ist vorbei. Sie war schön, aber seitdem wir Paul Young verloren haben, hat sich etwas geändert. Es war toll, diese Band zu sehen, die in Pubs spielte, dann ein Album in den USA veröffentlichte und einen gewaltigen Hit landete. Das war gar nicht beabsichtigt, aber sehr erfreulich. Einer der schönsten Momente meiner Musikerkarriere war der, als Atlantic Silent Running als Hauptstück auswählte und es sich als Riesenhit enpuppte – und keiner wusste, von wem das eigentlich war. Auf einmal konnte ein Musiker, der schon auf eine lange Laufbahn zurückblickte, neue Musik unbelastet von irgendwelchen Erwartungen veröffentlichen. Es war großartig und ich glaube, so etwas wird schwerlich je wieder zu schaffen sein. Mein Sohn, der jetzt 26 ist, managt einige Künstler, darunter einen Singer/Songwriter namens Ben Montague. Ich habe letzthin einige Stücke mit Ben geschrieben. Abgesehen davon gibt es die Genesis-Tour, und ich fühle mich derzeit ganz wohl so. Ich freue mich, mal ein bisschen Platz zwischen den Albumprojekten zu haben.


Der englische Originalartikel ist hier zu finden: http://www.innerviews.org/inner/genesis.html
Ãœbersetzung: Martin Klinkhardt


Mike Rutherford - The Living Years (Buch)

Mike Rutherford - The Living Years (Buch) Mike Rutherford - The Living Years (Buch) kaufen bei amazon.de
Mike Rutherford - The Living Years (Buch) Verse kaufen bei jpc.de

Neue Biografie, erstellt von Mike Rutherford, mit Schwerpunkt auf seiner Karriere und das Verhältnis zu seinem Vater.


Genesis - When In Rome (3DVD)

Genesis - When In Rome (3DVD) Genesis - When In Rome (3DVD) kaufen bei amazon.de
Genesis - When In Rome (3DVD) Verse kaufen bei jpc.de

3-DVD-Set mit dem kompletten Konzert aus Rom 2007, dazu satte Extras und eine ausführliche Tour-Dokumentation.
Rezension lesen


News zu Genesis


Neue Inhalte zu Genesis


AllMyWeb SEO CMS